Gegen Köln startet das Zweckbündnis zwischen Mario Gomez und Wolfsburg, dessen Dauer ungewiss ist.

Stuttgart/Wolfsburg - Ganz Wolfsburg hält derzeit gebannt den Atem an. Ein großes Ereignis in der Geschichte dieser schönen Stadt am Mittellandkanal steht unmittelbar bevor – es fehlen nur noch drei Treffer. „Wer erzielt das 1000. Bundesliga-Tor des VfL?“, das hat schon vor Tagen die „Wolfsburger Allgemeine“ ihre Leser gefragt und ein eindeutige Antwort bekommen: Mario Gomez werde es sein, da ist sich die Mehrheit sicher, auch wenn der neue Stürmer noch kein Spiel bestritten hat.

 

Mit kleiner und verletzungsbedingter Verspätung ist es jetzt so weit. Gegen den 1. FC Köln feiert Gomez an diesem Samstag (15.30 Uhr) sein Debüt im grün-weißen Trikot der Niedersachsen. Ungewiss, ob gleich zum Einstand die 1000-Tore-Marke fällt – sicher hingegen ist: Die BundesligaRückkehr des 31 Jahre alten Nationalstürmers gehört zu den spannendsten Transfers in diesem Sommer.

Der Münchener Edelreservist flüchtete nach Italien

Mehr als drei Jahre liegt Gomez’ letztes seiner 236 Bundesligaspiele (138 Tore) zurück. Das Triple holte er damals mit dem FC Bayern – und flüchtete aus München als frustrierter Edelreservist. Zwei noch frustrierendere Jahre folgten beim AC Florenz, ehe er in der vergangenen Saison bei Besiktas Istanbul die Fitness, die Treffsicherheit, das Selbstvertrauen wiederfand. Als Torschützenkönig fuhr er anschließend zur Europameisterschaft – und erfuhr nach den Jahren der Demütigung und ewigen Debatten um falsche und echte Neuner auch in der Nationaltmannschaft wieder die Anerkennung früherer Zeiten.

Jetzt also der Neustart in Wolfsburg, ein Sieben-Millionen-Transfer, von dem sich die Beteiligten eine Menge versprechen. „Beide haben das gefunden, was sie gesucht haben“, sagt VfL-Manager Klaus Allofs und sieht in dem Transfer „ein Signal nach innen und außen“. Nach einer missratenen Saison sehnt sich der Club nicht nur nach Erfolg, sondern auch nach etwas Glanz in der Autostadt, aus der andere lieber heute als morgen flüchten würden, auch Julian Draxler, den der VfL nicht gehen ließ. Schon jetzt wird Gomez im Werksverein als neuer Frontmann vermarktet – und bekommt seinerseits die Gelegenheit, seinem jüngsten Aufschwung noch mehr Fahrt zu verleihen. Drei Jahre lang war der frühere Meisterstürmer des VfB Stuttgart im Weltmeisterland vom öffentlichen Radar weitgehend verschwunden, jetzt richten sich wieder alle Blicke auf ihn. „Es ist es schon so, dass man weiß, was man an Deutschland und der Bundesliga hat“, sagte Gomez zur Begrüßung, „deswegen bin ich happy, wieder hier zu sein.“

Rangnick lästert

Fragt sich nur, wie lange. So groß auf beiden Seiten die Erwartungen sein mögen – klar ist auch, dass es sich um ein reines Zweckbündnis von möglicherweise nur sehr kurzer Dauer handelt. Einen solchen Transfer eines 31-Jährigen tätige ein Verein, „wenn man nur den Erfolg für zwei Jahre sieht. Mit Nachhaltigkeit hat das nicht so viel zu tun“, so lästerte unlängst der Leipziger Sportdirektor Ralf Rangnick. Tatsächlich benötigt Wolfsburg dringend kurzfristigen Erfolg – und wenn sich der nicht einstellt, dürfte der neue Startstürmer bald wieder weg sein.

Ungewöhnlich offen schilderte Gomez bei seiner Vorstellung die Hintergründe des Wechsels und seine Perspektiven. „Wir müssen uns nichts vormachen“, sagte er, „eigentlich hatte ich vor, zu einem Verein zu wechseln, der in der Champions League spielt.“ Der Wunsch ließ sich nicht realisieren, weshalb Gomez für drei Jahre bei den Wolfsburgern unterschrieb, denen er im vergangenen Winter noch abgesagt hatte.

Gomez wohnt in Wolfsburg im Hotel

Dass dieser Vertrag tatsächlich bis zum Ende seiner Laufzeit erfüllt wird, steht in den Sternen. Der Stürmer selbst erklärte, dass man sich „nach einem Jahr zusammensetzen“ werde, sollte der VfL die erhoffte Rückkehr in den Europapokal verpassen. Dann trennen sich die Wege wieder, das ist auch Klaus Allofs klar: „Sollten wir unsere Ziele nicht erreichen, werden wir vielleicht auch darüber nachdenken, ob es zum zweiten oder dritten Jahr kommt“. Das sei „im Sinne aller Beteiligten“.

Gewissermaßen auf Montage ist Gomez also in der niedersächsischen Provinz, wohnt noch im Hotel und verzichtet vermutlich darauf, sich häuslich niederzulassen. Immerhin, die Sehenswürdigkeiten in Wolfsburg habe er schon betrachtet – „das geht ja schnell“. Bars und Kneipen werde er nicht vermissen, „es schadet nicht, ein Jahr zu haben, in dem man nicht ständig Stress und Action, sondern mehr Ruhe hat“. Und nach diesem einen Jahr sehe man weiter.

Die Wolfsburger Fans sollten also besser nicht darauf hoffen, dass ihr neuer Hoffnungsträger das VfL-Wappen küsst, nachdem er ein Tor geschossen hat. Selbst wenn es das 1000. in der Clubgeschichte ist.