Fernab allen Parteigezänks wartet die als Hoffnungsträgerin gehandelte Nichte der Front-National-Chefin auf ihre Stunde. Marion Maréchal-Le Pen weiß: von ihr wird die Rede sein.

Lille - Sie ist wieder da. Nicht, dass die von dem Rapper Youssoupha als „Enkelin des Teufels“ besungene Marion Maréchal-Le Pen Frankreichs Rechtspopulisten leibhaftig erschienen wäre oder ihr Erscheinen auch nur angekündigt hätte. Die 28-Jährige, die – um noch einmal Youssoupha zu zitieren – die Ideologie der Le Pens „einmalig sexy“ rüberbringt, wahrt zu ihren früheren Mitstreitern vom Front National einschließlich ihrer Tante Marine Le Pen weiterhin eine gewisse Distanz.

 

Nach dem kläglichen Wahlkampf der FN-Chefin und ihrer anschließenden Niederlage bei den Präsidentschaftswahlen im vergangenen Jahr, hatte sich die Nichte im vergangenen Mai eine „Auszeit von der Politik“ ausbedungen. Aber das ändert nichts daran. Wenn die FN-Mitglieder an diesem Wochenende im nordfranzösischen Lille ihren Parteitag ausrichten, wird die im Süden des Landes residierende Maréchal-Le Pen allgegenwärtig sein. Ob auf den Fluren oder im Plenarsaal des Grand Palais: Von ihr wird die Rede sein.

Maréchal-Le Pen wartet geduldig auf ihre Stunde

Die ehemals jüngste Abgeordnete der französischen Nationalversammlung zählt nun einmal zu dem wenigen, was Frankreichs frustrierten Rechtspopulisten Hoffnung auf eine bessere Zukunft macht. Sich ihrer Bedeutung bewusst, wartet Maréchal-Le Pen geduldig auf ihre Stunde. Die aufstrebende Juristin hat alle Zeit der Welt. Bei den Präsidentschaftswahlen 2022 wird sie 32, bei den darauffolgenden 37 Jahre alt sein. An Gelegenheiten, der Partei ihren Stempel aufzudrücken, dürfte es nicht fehlen. Die Nachwuchspolitikerin will sie christlich-wertkonservativer und unternehmerfreundlicher ausrichten, ohne deshalb im Kampf gegen Immigration und die EU Abstriche zu machen.

Und so belässt sie es fürs Erste dabei, die Mitstreiter daran zu erinnern, dass es sie noch gibt. „Sie schickt uns Postkarten“, hat einer von ihnen kürzlich treffend festgestellt. Die bisher letzte stammt aus den USA. Im Vorfeld des FN-Parteitags hat Maréchal-Le Pen sie abgesandt. An der Washingtoner „Konferenz für konservative politische Aktion“ hatte die Enkelin des Parteigründers Jean-Marie Le Pen teilgenommen. Im Anschluss an US-Außenminister Mike Pence trat die Französin ans Mikrofon. Sie bekundete ihr Verständnis für Donald Trumps „America first“, ergänzte es um ein „France first“, beklagte das angebliche Entstehen einer „islamischen Gegengesellschaft“ in ihrem Land nach „40 Jahren unkontrollierter Einwanderung“, schmähte die EU. Das Publikum zeigte sich angetan.

Sie bereitet die Kulturrevolution von langer Hand vor

Dass ihre Tante in den USA gut ein Jahr zuvor weniger erfolgreich war, vor dem New Yorker Trump Tower vergeblich Einlass begehrt hatte – die Nichte hat es mit keinem Wort erwähnt. Sie musste es nicht. Die Front-National-Mitglieder wissen es ohnehin. Fernab allen Parteigezänks werde sie die Basis für eine geeinte Rechte legen, hat Maréchal-Le Pen Ende Februar dann noch angekündigt.

In einem Beitrag für das Magazin „Valeurs actuelles“ stellt sie die Gründung einer Akademie für Politikwissenschaften in Aussicht. Angehende Führungskräfte sollen dort in neokonservativem Geiste unterrichtet werden. Sie sei davon überzeugt, schreibt Maréchal-Le Pen, dass ihre politische Familie sich zu wenig jenseits der Politik engagiere, der Linken im Wettstreit der Ideen zu wenig entgegensetze. Die Kulturrevolution, zu der Marine Le Pen am Wochenende auf dem FN-Parteitag aufrufen will – die Nichte bereitet sie von langer Hand vor.