Die frühere Traditionsgaststätte in Remseck-Hochberg stand zum Verkauf und scheint nun tatsächlich kurz vor einem Besitzerwechsel zu stehen.

Stolz prangt das Schild „Gasthaus Rose“ über der Eingangstür. Hungrige Gäste können hier, in der Hochberger Hauptstraße 16, aber schon lange nicht mehr einkehren. Die Rollläden waren zuletzt meist heruntergelassen. Die Küche ist seit Jahren kalt. „Die Gewerbeabmeldung datiert auf den 31. Juli 2014“, sagt Patrizia Hartich, Archivarin der Stadt Remseck. Das Gebäude stehe zum Verkauf, vermeldete jüngst Philipp Weber, der Sprecher der Kommune.

 

Übernahme deutet sich offenbar an

Allerdings scheint die Immobilie kein Ladenhüter gewesen zu sein. Dem Vernehmen nach hat der Eigentümer einen sehr ernsthaften Interessenten an der Angel, der entschlossen die Übernahme ansteuert. Bis zu einer Vertragsunterzeichnung soll nicht mehr viel fehlen, das Geschäft fast in trockenen Tüchern sein.

Diese Entwicklung dürfte einige überraschen. Hier und da wurde nämlich gemunkelt, dass das Gebäude wegen seiner verschachtelten Bauweise und weil das Treppenhaus und die Wirtsstube unter Denkmalschutz stehen, eher schwer an den Mann oder die Frau zu bringen sei. Allem Anschein nach ein Trugschluss.

Tatsache ist jedenfalls, dass der Standort direkt an der Ortsdurchfahrt exponiert ist. Der Landkreis will die Straße sanieren, die Stadt diese Gelegenheit nutzen, die Verkehrsbeziehungen zu verbessern und die Aufenthaltsqualität zu erhöhen. Vor dem Hintergrund hätte man denken können, dass die Kommune das Anwesen selbst sichern will, um die Ortsentwicklung an dieser Stelle nach eigenem Gusto vorantreiben zu können. Doch Pressesprecher Weber winkt ab. Er verweist auf den relativ schlechten Zustand des Gebäudes, das die Kommune nur mit viel Aufwand in Schuss bringen könnte. Susanne Nicolaus von der Stabsstelle Wirtschaftsförderung erinnert zudem daran, dass die Gaststätte unter Denkmalschutz stehe und bei einem Erwerb saniert werden müsste.

Stadt hat Wünsche

Obwohl die Stadt selbst also keine Kaufabsicht hat, liegt ihr am Herzen, dass sich auf dem Grundstück etwas bewegt. „Es wäre wünschenswert, das Gebäude entweder zu sanieren oder durch einen Neubau zu ersetzen“, sagt Weber. Dazu sei freilich eine Genehmigung der Denkmalbehörde erforderlich. Wobei ein Abbruch nur aus wirtschaftlichen Gründen erfolgen dürfe. Was die künftige Nutzung anbelangt, ob also am Ende eine reine Wohnbebauung angestrebt wird oder künftig wieder eine Wirtschaft betrieben werden soll, dazu hat man im Rathaus keine Präferenzen. Letzteres wäre eine Rückkehr zu den Wurzeln. Und die reichen bis zum Anfang der 19. Jahrhunderts zurück, sind eng verwoben mit der jüdischen Geschichte des heutigen Remsecker Stadtteils.

Nachlesen kann man die Historie des Anwesens in der Schriftenreihe „200 Jahre jüdisches Leben in Hochberg und Aldingen“ von N. Bickhoff-Böttcher/G. Bolay/E. Theiner. Demnach wurden Gabriel Dreyfuß und Salomon Jakob 1795 Besitzer des Grundstücks. Die beiden Juden hatten ihren Bauplatz in der heutigen Hauptstraße 50 in Hochberg und obendrein 1350 Gulden eingebracht. Handelseinig waren sie mit dem Schreinermeister Johann Georg Dommer geworden, der auf dem Areal in der Hauptstraße 16 ein Haus samt Scheuer und Garten feilzubieten hatte. Jakob übernahm 1801 den Anteil von Dreyfuß. In der Folge brach der nun alleinige Eigentümer das Gebäude ab, baute ein neues, größeres, zweistöckiges Haus nebst Waschhaus.

Die Rose kann auf eine lange Geschichte zurückblicken. Das Foto stammt von Brigitte Neidlein, deren Großeltern von 1920 bis 1935 Eigentümer der Gaststätte waren. Foto: Brigitte Neidlein

Im Jahr 1820 wechselte das Grundstück abermals den Besitzer, Abraham Seligmann aus Aldingen bekam den Zuschlag, unter dessen Regie auf dem Grundstück die Gaststätten-Ära begann. Er heiratete 1830 die Witwe von Nathan Hausmann, einstiger Wirt der Rose in Hochberg, die im Haus in der heutigen Hauptstraße 32 angesiedelt war. Seligmann wurde allerdings verwehrt, das Bewirtschaftungsprivileg aus der Hauptstraße 32 für sich zu beanspruchen. So beantragte er die Konzession für sein eigenes Haus, wofür er am 19. April 1831 von der Königlich Württembergischen Regierung den Segen erhielt – gewissermaßen die Geburtsstunde der Rose in der Hauptstraße 16.

Kegelbahn im Garten

Benedikt Seligmann, Abrahams Sohn, übernahm nach dem Tod des Vaters 1836 das Ruder, erbaute 1851 einen mit dem Wohnhaus verbundenen Viehstall, ließ das Waschhaus 1854 abreißen. Im Garten erstellte er eine Kegelbahn, ehe er das Gebäude 1869 an Johannes Medinger verkaufte. „In jüngerer Zeit wurde die Rose von 1935 bis 1988 von der Familie Brandner betrieben, die sie dann verpachtet hat“, sagt Archivarin Hartich. Bis 2014 sei die Gaststätte unter wechselnden Pächtern und zuletzt unter dem Namen „Café Lounge Lux“ betrieben worden.

Teil der jüdischen Geschichte

Flucht
Die Rose steht auch für die reichhaltige jüdische Geschichte in Hochberg, war sie doch anfangs eine jüdische Wirtschaft. Erst 1869 ging sie in den Besitz christlicher Besitzer über. Direkt daneben lebte in der Hauptstraße 18 der letzte Hochberger Jude Adolf Falk, der 1939 vor dem Nazi-Regime nach England floh.

Rettung
Adolf Falk rettete seinen früheren Nachbarn Georg Kühnle vermutlich sogar vor Nachstellungen der Nationalsozialisten. Kühnle, von 1920 bis 1935 Besitzer der Rose, traf seinen früheren Nachbarn Falk am Tag der Ausreise am Ludwigsburger Bahnhof. Falk ging jedoch nicht auf ein Gespräch ein, flüsterte Kühnle nur zu: „Gehen Sie weiter, wir werden beobachtet.“ Nachzulesen ist die Geschichte in einem Blogbeitrag des Remsecker Vereins Beth Shalom.