Das Theater unter der Dauseck probt in den ehemaligen Produktionshallen sein neues Theaterstück „Schwabenaufstand“. Eine Fotodokumentation zeigt das Werden des Stückes und eine markante Industrieruine kurz vor ihrem Vergehen.

Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Markgröningen - Ihre Tage sind gezählt. Bald soll die alte Ziegelei in Markgröningen einem Wohngebiet weichen. Doch bevor die Bagger anrücken und die Abrissbirnen zuschlagen, wird das Gebäude noch einmal einen ganz großen Auftritt haben. Zu Hilfe kommen ihm dabei das Theater unter der Dauseck und die Knittlinger Fotografin und Ausstellungsmacherin Birgit Berger zusammen mit ihren Markgröninger Kollegen Herbert Ruff und Eugen Schaffland.

 

Seit einigen Wochen gehen die Schauspielerinnen und Schauspieler nun schon in dem alten Gemäuer aus rotem Backstein ein und aus. Unter der Regie von Christine Gnann proben sie hier Barbara Schüßlers neustes Stück „Schwabenaufstand“ – eine Collage über die widerständigen Schwaben quer durch 500 Jahre Geschichte. In knapp drei Wochen ist Premiere des Theaterspaziergangs, der die Zuschauer durch das ganze Gebäude führen wird.

Die alte Zigelei hat einen staubigen Charme

Bernd Schlegel, der Vorsitzende des Vereins Theaters unter der Dauseck, war sofort gefangen vom Charme der staubigen Hallen, als ihm der Markgröninger Bürgermeister Rudolf Kürner die alte Ziegelei als Spielort für die nächste Produktion vorschlug. Nach der Klärung von Statik- und Haftungsfragen war um die Jahreswende klar: die Ziegelei ist der ideale Ort für den „Schwabenaufstand“. Zwei Konzepte greifen hier ineinander: die des Stückes und die des Ortes.

In dieser Situation kam Schlegel eine Begegnung in Erinnerung. Im vergangenen Sommer war er bei einem Auftritt in Oberderdingen mit einer begeisterten Zuschauerin und Fotografin ins Gespräch gekommen. Sie hatte ihm erzählt, dass sie auf der Suche nach einem künstlerischen Projekt sei. Man tauschte Kontaktdaten aus. Die Ziegelei war da noch ferne Zukunftsmusik. Das änderte sich nach dem bürgermeisterlichen Angebot. Schnell wurde Birgit Berger zur federführenden Chronistin dieses doppelten Aufbegehrens – dem der Untertanen und dem des Gebäudes. Eine schöne Leich’ in Form einer Fotodokumentation sollte das Gebäude dann schon bekommen. Ganz sang- und klanglos sollte es nicht von der städtischen Landkarte verschwinden. „Am liebsten würde ich die Ziegelei mitnehmen zur nächsten Produktion“, sagt Bernd Schlegel wehmütig. Mit den Monaten ist ihm die alte Fabrik ans Herz gewachsen.

Viele Markgröninger war noch nicht im Inneren der Ziegelei

So geht es wohl vielen Markgröningern, die sich die Fotografien anschauen. Die Bilder sind nun in den Räumen der Volksbank zu sehen. „Die wenigsten werden je drin gewesen sein in der Ziegelei“, sagt der Mitchronist Herbert Ruff. Sie können nun kurz vor dem Abriss sehen, was sich hinter den Mauern verbirgt.

Für Birgit Berger aber hat sich ihr Traum erfüllt. „Ich bin immer auf der Suche nach Neuem“, sagt sie, während sie für einen spontanen Ziegeleibesuch in feste Schnürschuhe steigt. Denn ein wenig widerborstig ist die Ziegelei schon. Kalt kann es hier sein. Es gibt dunke Ecken. Und der Boden ist immer noch an manchen Stellen sehr uneben, obwohl der städtische Bauhof die Theatermacher tatkräftig unterstützt. An einigen Stellen kann man durch das Dach in den Himmel schauen. Dennoch wirken manche Räume, als seien die Arbeiter eben erst gegangen. Vor der Brennstraße liegen noch Ziegel, die niemand mehr abholt. Auf dem Boden staubt ein Hut ein, den keiner vermisst.

Die Proben sind fast lückenlos dokumentiert

Mittlerweile kennt Berger in der markanten Industrieruine jede verrostete Stahlkette und jede Bodendelle. Unzählige Male ist die Frau, die einmal Chefin eines Fotostudios war und im Moment einen autistischen Jungen als Assistenzlehrerin unterstützt, nach Markgröningen gefahren. Bei fast allen Proben war sie dabei. „Dabei habe ich selbst so viel Neues gelernt“, sagt sie zufrieden. Und sie hat sich wie Bernd Schlegel von dem Gebäude gefangen nehmen lassen. Ihr Blick hat sich zum dem einer Inspizientin entwickelt. Sie weiß genau, was gestern noch wo stand. Birgit Berger hat Neuland betreten. „Man weiß ja nie, ob man als Fremdkörper empfunden wird“, sagt sie – wohl wissend, dass Schauspieler kapriziös sein können. Dagmar Probst, eine Mimin aus der 33-köpfigen Truppe, nimmt sie in den Arm. „Das hast du gut gemacht“, sagt sie. Birgit Berger strahlt. Auf den Bildern der Ausstellung leuchtet die Ziegelei noch einmal auf. Bevor sie endgültig vergehen wird.

Informationen zur Ausstellung

Ausstellung:
Die Fotoschau zur Theaterproduktion „Schwabenaufstand“ in der ehemaligen Ziegelei ist im Erdgeschoss der Volksbank Markgröningen während der Öffnungszeiten bis zum 1. August zu sehen.

Fotografen:
Herbert Ruff kommt aus Sachsenheim und bezeichnet sich selbst als Knipser. Eugen Schaffland, der ehemalige Vorsitzende des Markgröninger Kunstvereins, macht grundsätzlich Schwarz-Weiß-Fotografien. Birgit Berger stammt aus Knittlingen.

Theater
: Die Premiere von „Schwabenaufstand“ ist am 4. Juli. Eine öffentliche Hauptprobe ausschließlich für Markgröninger Bürger findet am 2. Juli statt. Die Saison geht bis 3. August. Weitere Infos unter www.theater-dauseck.de.