Immer wieder tauchen bei der Sanierung alter Gebäude mumifizierte Katzen auf. Das kann kein Zufall sein, meint Petra Schad. Seit vielen Jahren untersucht sie das Phänomen und bietet eine schaurige Antwort.
„Hier kann man sich leicht verlaufen“, warnt Petra Schad. Ein Labyrinth aus Gängen, Räumen mit Ausstellungsstücken und Regalen voller Exponate. Aber die 63-Jährige kennt sich in dem alten Fachwerkhaus gut aus. Sie hat hier 25 Jahre lang das Stadtarchiv geleitet. In dem Gebäude lagert die gesamte Stadtgeschichte, darunter Dokumente, die bis in das Jahr 1441 zurückreichen, Plakate aus der NS-Zeit, Stadtratsprotokolle und sogar eine alte Krone aus dem Jahr 1928. Keine echte – nur ein Entwurf für ein Modell, welches das Rathaus zieren sollte, erklärt Petra Schad.
Daneben liegt auf einem Tisch eine große Holzkiste, darauf die Nummer 829 geschrieben steht. Darin befinden sich die Überreste von fünf verstorbenen Katzen. Gebiss, Pfoten und Schwanz sind deutlich zu erkennen. Nach Jahrzehnten ähnelt die Katzenhaut gräulich-braunem Leder.
Zimmerleute haben sie einst bei der Sanierung alter Gebäude in Zwischenräumen in Decken oder eingemauert in Wänden gefunden. Insgesamt 61 Katzenmumien aus 44 Gebäuden sind ihr im Landkreis Ludwigsburg bekannt. Petra Schad ist sich sicher: „Das kann kein Zufall sein.“
Seit Jahren sammelt und untersucht sie die Mumien. Sie hat bei Handwerkern und Zimmerleuten nachgefragt. Viele erinnerten sich an derartige Funde und berichteten ihr davon. Sie legte eine Datenbank an, in der sie jeden Fund detailliert beschreibt. Darin trägt sie jeden neuen Fund ein, von dem sie erfährt. Anfangs war sie noch ratlos, mittlerweile glaubt sie jedoch, eine Antwort zu haben. Was ihr noch fehlt, ist ein Schriftstück, das ihre These beweist.
Viele Zimmerleute konnten sich an derartige Katzen-Mumien erinnern. Foto: Werner Kuhnle
Katzenmumien müssen Bauopfer gewesen sein
Anzahl, Fundort und Zustand lassen für sie aber keinen Zweifel übrig. „Die Katzen waren Bauopfer“, sagt Schad. Ein Brauch, der sich über die ganze Welt und in vielen Kulturen wiederfindet. Tiere, Gegenstände und sogar Menschen wurden in Häuser eingemauert, um das Haus vor Geistern und Dämonen zu schützen. In Süddeutschland, da ist sich Schad sicher, sollten die Katzen gegen Hexen wirken.
Lange Zeit konnten sich die Menschen Missernten oder den plötzlichen Tod eines geliebten Menschen nicht erklären. Die Schuld suchten sie dann bei Geistern oder Hexen, erklärt die promovierte Historikerin. Man glaubte damals, dass Hexen sich in Katzen verwandeln und so unerkannt unter den Menschen leben konnten. Eine tote Katze im Haus galt daher als Warnung an die Hexen, lieber fernzubleiben.
Um das Haus möglichst lange zu schützen, mumifizierten sie die Katzen. Die Tiere aus der Holzkiste im Stadtarchiv wurden alle ertränkt oder starben an einem Genickbruch, vermutet Schad, da ihre Haut keine äußeren Verletzungen aufweist. Dies bewahrte die Katzen vor der Verwesung. Viele von ihnen wurden in Hohlräumen zwischen Balken gefunden, oft in der Nähe des Kamins. Dort war die Luft sehr trocken, was die Katzen austrocknete und konservierte. So blieben sie bis heute als Mumien erhalten.
Relikte aus der Vergangenheit, könnte man meinen. Aber nein, „mumifizierte Katzen sind kein Phänomen des finsteren Mittelalters“, sagt Schad. Sie forschte nach, wann die Häuser gebaut wurden, in denen die Katzenmumien gefunden wurden. Viele stammen aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Im Saarland wurde sogar eine Mumie in einem Haus gefunden, das erst 1970 erbaut wurde. Die Historikerin wundert das nicht. „13 Prozent der Menschen glauben nach wie vor an Hexen, und ganze 26 Prozent sind überzeugt, dass der Anblick einer schwarzen Katze Unglück bringt.“ Trotz wissenschaftlicher Erkenntnisse und der Aufklärung sei Aberglaube immer noch weit verbreitet. Petra Schad ist sich sicher: „Menschen nutzen nach wie vor Rituale, um sich und ihre Häuser vor bösen Einflüssen zu schützen.“
Der Brauch habe sich jedoch im Laufe der Zeit gemildert. Der Fund im Saarland sei wahrscheinlich ein Einzelfall. Heute würden Menschen viel eher Gegenstände einmauern: Spielkarten, Geld oder Dokumente – alles Mögliche. Für manche ist es nur ein Ritual oder alter Brauch. Andere glauben dagegen wirklich, so etwas Sicherheit für eine ungewisse Zukunft zu bekommen.
Bauopfer Neben Katzenmumien wurden häufig Knochen, Töpfe mit einer Nachgeburt, Geld, Spielkarten, Dokumente oder auch Zeitungen als Bauopfer verwendet, berichtet Petra Schad.
Stadtarchiv Markgröningen Petra Schad hat das Stadtarchiv in Markgröningen 25 Jahre lang geleitet. Seit 2019 ist sie im Ruhestand. Sie gibt jedoch immer noch gelegentlich Stadtführungen, hält Vorträge und forscht an Katzenmumien.