Er setzt auf Posen und Gesten: Der stets mit seinem Image spielende "Malerfürst" Markus Lüpertz wird siebzig Jahre alt.  

Stuttgart - Leicht hat er es nicht. Geltungssüchtig sei Markus Lüpertz, selbstherrlich, anmaßend. Viel zu aufgeplustert für das, was er künstlerisch zustande bringe. So der Tenor all jener Kritiker, die besonders heftig auf den bombastischen Auftritt des Malerfürsten vor gut einem Jahr in der Bonner Bundeskunsthalle losgingen. Immer wieder kommt man in solchen Zusammenhängen auf Lüpertz' Outfit zu sprechen - kaum einer, der nicht den Spazierstock mit klobigem Knauf und die dicken Klunker an den Fingern erwähnte.

 

Lüpertz' fortwährende, in der Tat sehr hochfahrende Rederei: sie ist wie eine sprudelnde Quelle, in der man erfolgreich nach markigen Zitaten fischen kann, deren offenkundige Ironie in der Kritik allerdings kaum zur Sprache kommt. Macht nichts, die Medien mögen es so. Und Lüpertz weiß das offenbar. Sonst würde er nicht so ausdauernd mit seinem Image spielen. Denn das ist es: ein Spiel. Er entspreche seinem öffentlichen Bild in keiner Weise, gab Lüpertz unlängst zu Protokoll.

Kein naheliegender Weg

Allein mit einer Behauptung scheint es ihm ernst zu sein: Er sei ein Genie. Und wenn der Maler selbst es nicht glaubt, wer dann? Eben. Vielleicht braucht es diese Überzeugung, vielleicht ist sie nötig, um jenen Weg einzuschlagen, der für den jungen Unternehmersohn nicht gerade nahelag - und um diesen Weg dann auch beharrlich zu verfolgen und dahin zu kommen, wo Lüpertz mit seinen nun siebzig Jahren steht.

Am 25. April 1941 im böhmischen Liberec geboren, flüchtete er sieben Jahre später mit seinen Eltern ins Rheinland. Nach der Pleite des Vaters musste er das Gymnasium verlassen und ging mit vierzehn als Maler von Wein-Etiketten in die Lehre. "Mangels Talent" wurde er allerdings bald wieder entlassen und nahm als Fünfzehnjähriger das Studium an der Werkkunstschule in Krefeld auf. Nebenbei arbeitete Lüpertz unter Tage und im Straßenbau, außerdem lockerte ein Ausflug in die Fremdenlegion die Vita auf. Ebenfalls markant: die Stippvisite an der Düsseldorfer Kunstakademie. Sie endete in einem Reinfall, weil der angehende Künstler es wagte, die Leinwand mit Cowboys am Lagerfeuer zu belästigen. Fünfzehn Jahre nach dem Fiasko kehrte Lüpertz zurück - als Professor. Bald darauf nahm er die Berufung zum Rektor an und füllte den Posten dann über zwanzig Jahre lang aus. Ob er selbst einen Querschläger in seiner Klasse geduldet hätte, einen, der Cowboys ans Lagerfeuer setzt? Schwer zu sagen. Sicher aber ist, dass Professor Lüpertz absolute Bewunderung von seinen Studenten erwartete.

Mit Stahlhelm-Motiven brachte er sich einst ins Gespräch

Was allerdings die eigene Karriere betraf, setzte der junge Lüpertz auch nach den Studententagen auf Opposition: Mit Anfang zwanzig rief er in Berlin die Selbsthilfegalerie "Großgörschen35" ins Leben und begegnete der abstrakten Nachkriegskunst mit großen Donald-Duck-Paraphrasen. An die Stelle der Enten traten wenig später bedeutungslose Bildgegenstände, plakativ stilisiert. In der Erfindung "unsinniger" Motive wollte der Künstler seinen Beitrag zur Abstraktion leisten und hatte auch einen passenden Namen dafür parat: Seine Kunst sei "dithyrambisch", übersetzt heiße das "trunken, begeistert"- trunken wie er selbst von seiner eigenen Malerei.

Diese Gefühle konnten allerdings nur wenige mit ihm teilen, kaum einer kannte ihn damals. Das ändert sich mit Beginn der siebziger Jahre, als der Künstler das heikle Stahlhelm-Motiv bemüht, um sich ins Gespräch zu bringen, wie er später freimütig zugibt. Uniformen und Offiziersmützen, Eichenlaub und Rangabzeichen versprechen ähnliche Wirkung.

Lüpertz sieht sich weiterhin fern der Vollendung

Damals und noch immer übt er den lauten Auftritt, die pompöse Provokation - in seiner Pose und in seinem Werk, das immer mehr auf kunsthistorische Anspielungen und Zitate setzt. Vor allem in jüngerer Zeit wird dem Maler bei seinen Rückgriffen der eigene Motivschatz zur Fundgrube. So kramt er selbst den alten Stahlhelm hervor. Überall liegt das dunkelgrüne Ding neuerdings herum.

"Ich bin alles, was ich bin, durch die Malerei", hat der Meister einmal gesagt, auch wenn er seit den achtziger Jahren zunehmend als Bildhauer für Diskussionsstoff sorgt. Wer meinte, das Publikum von heute sei kaum mehr zu provozieren, dem sind sicher jene Anfeindungen entgangen, die Lüpertz' klobige Riesen allenthalben hervorrufen. Egal, wie sie heißen, ob Mozart oder Chillida, Herkules oder Aphrodite.

Weniger Wind macht Lüpertz als hingebungsvoller Pianist. Oder als Dichter. Oder als Redner, wie zuletzt vor ein paar Tagen in Bonn, wo er zur Ausstellungseröffnung in der Bundeskunsthalle den alten Kollegen Max Liebermann wortmächtig und gewandt zu loben verstand. Lüpertz nutzte die Gelegenheit, mit der ihm eigenen rhetorischen Wucht noch einmal ein flammendes Plädoyer für die Malerei anzustimmen. Dem Meister ist sie nicht weniger als eine "Methode, dem lieben Gott ins Handwerk zu pfuschen". Und wie weit ist er gekommen mit seiner Pfuscherei? Lüpertz sieht sich weiterhin fern der Vollendung: Nur wer strebe, der lebe!

Was macht Herkules in Gelsenkirchen?

Koloss: Blaue Haare, roter Mund, die dicke Keule in der Hand und neben dem Bein eine grüne Schildkröte – so schaut die neueste Großproduktion des Meisters aus. Als echter Lüpertz präsentiert sich der kolossale Herkules seit Dezember – 18 Meter groß, 23 Tonnen schwer – auf dem Dach der ehemaligen Zeche Nordstern in Gelsenkirchen.

Protest: Dass die Skulptur Proteste auslösen würde, versteht sich fast von selbst. Während manch einer den einarmigen Helden schon als Wahrzeichen des Ruhrgebiets feiert, fragt sich das gegnerische, dem Denkmalschutz verpflichtete Lager, was der tumbe Riese oben auf dem geschichtsträchtigen Gebäude eigentlich soll. Der Künstler hat Auskunft gegeben: Er will seinen Herkules nicht als Denkmal der Malocher verstanden wissen, sondern als Sinnbild eines Neuanfangs im Ruhrgebiet