Bundesweit gelten tausende Straßenbrücken als marode. Ein Hauptgrund: die immer höheren Belastungen durch Schwerverkehr, für die viele Bauwerke nie ausgelegt waren. Das verursacht enorme Kosten.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Etwa 14.000 Lkw pro Tag, fast fünf Millionen Laster im Jahr, und das mit bis zu 40 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht und mehr – diese Belastungen hält auf Dauer kaum eine Brücke aus. In Leverkusen kam das Aus vor zwei Jahren. Eine der wichtigsten Autobahnquerungen über den Rhein musste Knall auf Fall wegen gefährlicher Risse im stählernen Tragwerk für alle Fahrzeuge über 3,5 Tonnen gesperrt werden. Nur Pkw dürfen die A1-Brücke noch benutzen, bis in einigen Jahren der teure Ersatzbau steht.

 

Experten überraschte die Sperrung nicht. Bundesweit gelten viele tausend Straßenbrücken als marode. Ein Hauptgrund: die immer höheren Belastungen durch Schwerverkehr, für die viele Bauwerke nie ausgelegt waren. Beispiel Leverkusen: Als die damals hochmoderne Rheinbrücke der A1 vor fünfzig Jahren gebaut wurde, fuhren nach ADAC-Angaben täglich nur 30.000 Autos darüber. Zudem war das zulässige Gewicht eines Lkw auf 20 Tonnen begrenzt, die Hälfte des heutigen Werts.

Bis 1985 hatte sich die tägliche Belastung allein durch Lkw-Fahrten auf 220.000 Tonnen verzigfacht, fast das Vierfache der Belastung durch Pkw. Sogar die Stand- wurden zu Fahrspuren umgewandelt, die Brücke sollte noch höhere Lasten aushalten. 2014 rollten pro Tag schließlich Laster mit einem Gesamtgewicht von 350.000 Tonnen über die Brücke. Nach ADAC-Berechnungen könnten daraus bis 2025 sogar 450.000 Tonnen werden.

Eine Lkw-Achse beansprucht die Fahrbahn wie 10 000 Pkw-Achsen

Leverkusen ist kein Einzelfall. Der stark wachsende Schwerlastverkehr auf deutschen Straßen verursacht enorme Kosten und Schäden. Als Faustregel gilt: Eine Lkw-Achse, die zehn Tonnen Gewicht trägt, beansprucht die Fahrbahn genauso wie 10.000 Pkw-Achsen mit je einer Tonne Gewicht. Mit höherer Achslast wächst der Erhaltungsaufwand für die Straßen überproportional. Deshalb gelten überladene Lkw als besonders problematisch.

Der Bundesrechnungshof kritisiert, dass überladene Lkw nicht nur die Unfallgefahr erhöhen, sondern auch die Straßen besonders stark verschleißen. Die Folge: Schäden in dreistelliger Millionenhöhe – und zwar pro Jahr, so die Experten. Die Prüfer monieren in ihrem letzten Jahresbericht schwere Versäumnisse der Bundesregierung. Seit mehr als einem Jahrzehnt versäume es das Bundesverkehrsministerium (BMVI), eine effektive Kontrolle schwerer Lkw sicherzustellen. Statistisch gesehen müsse ein Lkw-Fahrer nur alle 140 Jahre mit einer Prüfung rechnen.

Schon 2003 kam die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) im Auftrag des BMVI zum Ergebnis, dass der Erhaltungsaufwand um bis zu 45 Prozent sinken könnte, wenn Überladungen streng kontrolliert und unterbunden würden. Doch das Netz von bundesweit automatischen 80 Messstellen, das die Behörde bereits seit 1997 an Autobahnen aufbauen sollte, sei bis heute nur zur Hälfte realisiert, kritisiert der Rechnungshof. Zudem seien die bisher nur 41 Anlagen sehr störanfällig und das für die Kontrollen zuständige Bundesamt für Güterverkehr (BAG) habe nur drei nutzbare Prüfplätze.

Verkehrsministerium soll für mehr Messstellen sorgen

Die staatlichen Finanzkontrolleure fordern, dass das Ministerium unverzüglich für mehr funktionierende Messstellen und Kontrollplätze sorgt. In ihren Bemerkungen zur Haushaltsführung des Bundes formulieren die unabhängigen Prüfer ihr Unverständnis, dass die Kontrolldefizite bereits seit mehr als einem Jahrzehnt hingenommen werden. Denn bei sofortigem Handeln hätten womöglich Straßenschäden in Milliardenhöhe vermieden werden können und die Finanzlöcher im Verkehrsetat, der wegen des riesigen Sanierungsbedarfs bei der teils überalterten Infrastruktur ohnehin unterfinanziert ist, wären etwas kleiner.

Im Haus von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) zeigt man sich auf Nachfrage unsere Redaktion nicht auskunftsbereit und verweist auf das laufende parlamentarische Verfahren zur Kritik des Rechnungshofs. In seiner Stellungnahme gegenüber der Kontrollbehörde begründete das BMVI die Missstände auch mit technischen Problemen. So hätten die Sensoren der Messanlagen nicht richtig funktioniert. Nach Ansicht des Rechnungshofs hätte die Technik aber längst verbessert werden können. Bisher sei das noch immer nicht erkennbar.

Die wenigen automatischen Messstellen wiesen zum Beispiel 2013 zunächst rund 1800 von 85 000 erfassten Lkw als überladen aus, tatsächlich waren es aber dann nur 261. Wenn es in sechs von sieben Fällen Fehlalarm gebe, dränge sich die Frage nach verbesserter Genauigkeit geradezu auf, meint man auch beim Logistikverband BGL, der eher für mobile Schwerpunktkontrollen plädiert.

Das BMVI argumentierte im Prüfverfahren auch, dass im Jahr 2014 nur ein Zehntel des Schwerlastverkehrs schwerer als 40 Tonnen gewesen sei. Darunter seien genehmigte Schwerlasttransporte – die höheres Gewicht meist mit zusätzlichen Achsen ausgleichen – sowie der kombinierte Verkehr mit Verladung auf die Bahn, der bis zu 44 Tonnen fahren darf.

Überladene Lkw gefährden die Verkehrssicherheit

Der Rechnungshof sieht jedoch alle Transporte über 40 Tonnen kritisch. Dahinter steht auch die Erkenntnis, dass jede mit zwölf Tonnen belastete Lkw-Achse die Straße nochmals doppelt so stark beansprucht wie eine Zehn-Tonnen-Achse. Zudem gefährden, so die Prüfer, überladene Lkw die Verkehrssicherheit, weil sie instabiler werden und längere Bremswege haben. Auch verschafften sich Transporteure durch unzulässige Überladungen unfaire Wettbewerbsvorteile.

Letzteres sieht man beim Branchenverband BGL anders. Wenn vorgegebene Frachtmengen mit möglichst wenigen Fuhren transportiert würden, spare das vor allem den Auftraggebern aus der Wirtschaft Kosten. Gegenüber dem zumeist mittelständischen Transportgewerbe setzten sich oft die Kunden mit ihrer Nachfragemacht durch. Und dann, so ein Sprecher, wirke eben „die normative Kraft des Faktischen“.

Diesen Zustand will der Bundestag nicht länger dulden. Der Rechnungsprüfungsausschuss des Parlaments hat die Bundesregierung inzwischen aufgefordert, die Missstände abzustellen. Minister Dobrindt und seine Behörde sollen endlich für mehr und zuverlässige Messstellen und Kontrollplätze sorgen.