Die Stadtverwaltung will die 200 Wohnungseigentümer dazu bewegen, die Wohntürme des Marstallcenters aufzuhübschen. Doch wer das Millionenprojekt bezahlen muss, ist unklar – und wird vermutlich erst vor Gericht entschieden

Nachrichtenzentrale: Tim Höhn (tim)

Ludwigsburg - Ein Architekt ist gefunden, auch Entwürfe gibt es – und dennoch wachsen in Ludwigsburg die Zweifel, dass die Modernisierung der Fassaden des Marstallcenters in absehbarer Zeit gelingen wird. Momentan ist es allein die Stadtverwaltung rund um den Oberbürgermeister Werner Spec, die das Millionenprojekt vorantreibt. Vor allem die Frage, wer die Kosten übernehmen soll, wird zunehmend zum Streitpunkt. Die Gemengelage ist derart kompliziert, dass die Antwort vermutlich erst vor Gericht gefunden wird.

 

OB hofft auf den Einsatz der Center-Bewohner

Die Hamburger Projektentwicklungsgesellschaft ECE lässt das Einkaufszentrum, das zuletzt weitgehend leerstand, zurzeit für 90 Millionen Euro revitalisieren. Im Herbst 2015 soll alles fertig sein, auch die dann runderneuerte Fassade des Sockels mit allen Geschäften. Darüber befinden sich Büros, vor allem aber 201 Wohnungen. Und der Turm prägt die Ludwigsburger City wie kaum ein Gebäude sonst – weshalb die Stadt darauf dringt, die riesige Außenhaut aufzuhübschen, damit sich der Klotz harmonischer ins Stadtbild einfügt. „Es wäre schade, die Gelegenheit verstreichen zu lassen“, sagt Spec.

Der OB argumentiert, dass die Wohnungseigentümer mit einer energetischen Sanierung langfristig viel Geld sparen und gleichzeitig den Wert ihrer Wohnungen deutlich steigern könnten. „Ich hoffe, dass sie sich ein Herz fassen und es anpacken.“

Danach sieht es nicht aus. Denn die Wohnungseigentümer sind überzeugt, dass nicht sie, sondern die Projektentwickler von der ECE die Fassade zahlen müssen. „So ist es in der Teilungserklärung für das Gebäude festgelegt“, sagt Detlef Jürgen, der seit vielen Jahren im Marstall wohnt.

Alte Verträge befreien Bewohner von Sanierungskosten

Die Erklärung regelt den Umgang mit Instandsetzungs- und Instandhaltungsmaßnahmen in dem Gebäude, und tatsächlich heißt es in dem vergilbten Papier, dass Kosten für das gemeinschaftliche Eigentum von den gewerblichen Eigentümern zu tragen seien. „Das ist ungewöhnlich, aber es ist so“, sagt Jürgen. Die Wohnungen seien nach der Fertigstellung in den 1970er Jahren vergleichsweise teuer gewesen. Im Gegenzug seien die Käufer von den größeren Sanierungskosten befreit worden. Spec wisse das, insofern seien die Vorstöße aus dem Rathaus völlig unverständlich. „Wenn der OB sich durchsetzt, werden hier manche in den Ruin getrieben.“

Spec hält dagegen. „Mir ist bekannt, dass manche Bewohner die Hoffnung hegen, jemand anderes würde ihnen die Fassade erneuern“, sagt er. „Aber das wird niemals passieren – und ich denke, dem größtem Teil der Menschen dort ist das auch bewusst.“ Die Stadt sei froh, in einer schwierigen Situation einen Investor für das Einkaufszentrum gefunden zu haben. Dass dieser Investor, die ECE, kein Interesse habe, auch noch Wohnfassaden zu sanieren, sei nachvollziehbar.

Einige Bewohner, sagt Werner Spec weiter, hätten offenbar gar nicht begriffen, wie knapp sie „an einer finanziellen Katastrophe vorbei geschrammt“ seien. Denn: hätte die ECE nicht das Einkaufszentrum gekauft, wäre wohl die Verantwortung für alle Reparaturen, Instandhaltungen oder Sanierungen auf die Wohnungseigentümer übergegangen. Nicht nur in den Wohnbereichen, sondern auch in den leerstehenden Geschäftszeilen. „Da geht es um einen Betrag von rund 750 000 Euro pro Jahr.“

Spec setzt darauf, dass „die Bewohner jetzt ihre Verantwortung erkennen“. Als letzter Ausweg bleibe sonst nur, vor Gericht klären zu lassen, ob die veraltete Teilungserklärung noch immer Gültigkeit habe.

Drei Millionen bis fünf Millionen Euro würde die Fassadensanierung nach einer groben Schätzung kosten, das Frankfurter Architekturbüro Stefan Forster arbeitet gerade einer einer detaillierten Berechnung. Forster hat im vergangenen Jahr mit einem zurückhaltenden Entwurf den von der Stadt ausgelobten Wettbewerb für die Gestaltung gewonnen. Die Pläne sehen vor, das Gebäude mit Aluminiumelementen zu verkleiden, die scharfe Kante des Hauses quasi zurückzuschneiden und die Höhe der Brüstungen anzugleichen.

Streit blockiert den Beginn der Sanierung

Die Stadt sondiert derweil, ob es dafür Fördergeld von Bund oder Land geben würde. „Wir sind zuversichtlich, dass wir den Wohnungseigentümern auf diesem Weg einen weiteren Anreiz bieten können“, sagt Spec. Auch um Bewohner, die sich die Sanierung nicht leisten können, habe man sich Gedanken gemacht. Denkbar sei etwa, dass die städtische Wohnungsbaugesellschaft Wohnungen kaufe und an die jetzigen Mieter zurückvermiete.

Für Detlef Jürgen wäre dies eine „Form der kalten Enteignung“, aber nicht alle beurteilen die Aktivitäten der Stadt derart kritisch. Wolfgang Danner, einer der Sprecher der Wohnungseigentümer, betont, dass man sehr dankbar für die Bemühungen sei. „Es ist toll, dass endlich etwas passiert“, sagt Danner. „Und ich kann nachvollziehen, dass die ECE sich nicht für die Wohnungen zuständig fühlt.“ Aber man müsse auch die Bewohner verstehen. „Hier leben nicht nur wohlhabende Menschen, die sich das locker leisten können.“

Eine Lösung für das Dilemma kennt auch Danner nicht. Er sei skeptisch geworden, dass die Sanierung in naher Zukunft angegangen werden könne, sagt er. „Aber irgendwann muss das sowieso gemacht werden. Dann bleibt wohl nichts anderes mehr übrig als eine gerichtliche Klärung.“