Er fordert die Gurkenkrümmungsverordnung für Exportwaffen: Martin Sonneborn hat seine Politsprüche in Stuttgart verbreitet. Weil die Nachfrage so groß war, waren die Veranstalter auf einen Hörsaal der Uni Vaihingen ausgewichen.

Stuttgart - Dieser Mann spaltet Deutschland. Und genau das ist auch sein Plan. Die Mauer wieder aufzubauen, lautet die essentielle Forderung seiner 2004 gegründeten Partei „Die Partei“. Sein Publikum im Hörsaal 47 der Universität Vaihingen ist Dienstagabend dagegen alles andere als gespalten gewesen. Die rund 750 Zuschauer feierten Martin Sonneborn mit viel Applaus und Gelächter.

 

Bierflaschen ploppen, Jubelrufe erklingen und es gibt viel Applaus, als Martin Sonneborn an sein Rednerpult tritt. Eine kurze Siegerpose mit gereckten Händen, dann beginnt „Deutschlands Chefsatiriker“, wie ihn die Süddeutsche Zeitung feiert, sein Programm. In seinem dunklen Hemd, der ausgebeulten Jeans und seiner dunkelblauen Jacke wirkt er unscheinbar, fast harmlos, doch das ist er gerade nicht. „Wir wollen Inhalte überwinden. Unser Ziel ist die Machtübernahme, daran arbeiten wir“, sagt er gelassen – und man ist hin- und hergerissen, ob er gerade die Rolle des satirischen Kabarettisten oder des zynischen Politikers angenommen hat. Ernst oder Witz, zwischen diesen beiden Gegensätzen schwankt der 49-Jährige – auch an diesem Abend.

Beim ZDF darf er nicht mehr auftreten

Bis 2005 lieferte er als Chefredakteur der Satirezeitschrift Titanic viel Zündstoff. Im August 2004 gründete er die Partei. Heute hat sie – nach eigenen Angaben – bereits rund 8800 Mitglieder in Ost und West. „Wir haben uns bewusst für einen einfachen klaren Namen entschieden, den jeder versteht“, sagt er. „Außerdem war der Name in Ostdeutschland ja schon eingehend bekannt“, fügt er maliziös hinzu. Seit 2006 ist er Leiter des Satireressorts Spam bei Spiegel Online, ab 2009 durfte er sich für eine Weile als Außenreporter der „heute-Show“ austoben. Doch das ZDF hat ihm nun untersagt, aufzutreten.

„Die Partei ist der politische Arm des Faktenmagazins Titanic“, sagt Sonneborn und erntet von seinen Zuhörern viele Lacher. Fast alle Plätze sind an diesem Abend belegt. 600 Menschen drängen sich im Hörsaal, für weitere 150 Zuschauer wird Sonneborns Vortrag auf Großbildleinwand im Saal nebenan gezeigt. Da der Kulturverein Merlin der großen Nachfrage nicht gewachsen war und auch die Wagenhallen zu klein waren, mussten die Organisatoren auf die Uni ausweichen. An diesem Abend hat Sonneborn ein vorwiegend junges Publikum, mehr als die Hälfte der Anwesenden sind Studenten. Und er weiß, wie er um sie werben muss: „Nach der Machtübernahme werden wir den Bachelor-Quatsch abschaffen und 15 Semester für jeden subventionieren, in denen man sich überlegen kann, was man nicht machen will.“ Großer Applaus. „Wir haben festgestellt, dass sich unser Wahlergebnis, je öfter wir wieder antreten, verdoppelt. Juristen haben ausgerechnet, dass wir so in 64 Jahren die Macht übernehmen können“, fügt er hinzu.

Eine Wahl im Hörsaal hätte Sonneborn wohl gewonnen

Im Hörsaal herrscht eine heitere, ausgelassene Stimmung. Auch in der Pause steht Sonneborn mit Studenten zusammen, macht Fotos, plaudert mit ihnen oder nippt an seiner Bierflasche. Ein Politiker zum Anfassen, oder doch ein humorvoller Satiriker? „Was ich betreibe, ist Politainment“, sagt Sonneborn, der bei der jüngsten Europawahl sogar zum Mitglied des Europäischen Parlaments gewählt worden ist. Auch die Europäische Kommission ist vor seinen verbalen Attacken nicht sicher, allen voran Günther Oettinger, EU-Kommissar für digitale Wirtschaft und Gesellschaft. „Herr Oettinger ist jetzt für die Netze zuständig, deshalb empfehle ich den Leuten, die Zeitung zu lesen. Das Internet wird es nicht mehr lange geben.“ Sein nächstes Anliegen bei der EU: „Ich möchte mich dafür einsetzen, dass die Gurkenkrümmungsverordnung wieder eingeführt wird, und zwar für Exportwaffen.“

Dann ist noch Zeit für Fragen aus dem Publikum: Wie hält es die Partei mit Polygamie, was hält sie von Oettingers „mafiösen Machenschaften“, wie stark ist der Lobbyismus ausgeprägt bei der EU? Sonneborn geht auf alles ein, stimmt mit den Studenten ab, zeigt immer wieder Kurzfilme oder Werbeplakate. Sein Publikum ist begeistert. Hätte Sonneborn gestern Abend Wahlzettel verteilt, er hätte in den Hörsälen wohl eine Mehrheit gefunden.