Der schwedische Pianist Martin Tingvall gehört zu den erfolgreichsten Jazz-Musiker der Gegenwart, auch viele Pophörer hören die Stücke seines Trios. Nun steht sein aktuelles Soloalbum „The Rocket“ auf Platz eins der Jazz-Charts.

Stuttgart - So könnte die Hoffnung klingen: Wie das ausladend einladende Schwelgen eines beseelten Pianisten im wohlklingenden Fluss behutsam gesetzter Noten. „Hope“ heißt das Eröffnugsstück des aktuellen Solo-Piano-Albums des Schweden Martin Tingvall, und es transportiert eine Atmosphäre gespannter Erwartung, die sich in der Folge einlöst.

 

„First Steps“ klingt, als ertaste sich da jemand die Welt, „The Rocket III“ wie eine feierliche Ankündigung, „Dark Matter“ wie das lichte Schillern unbegreiflicher Schönheit. „In Motion“ erzählt konzentriert von einer Herausforderung, in „Echoes from the Past“ spielt Tingvall virtuos und in strengem Moll mit der Strenge der europäische Klassik, „Lost in Space“ ist ein bluesiges Abenteuer und „No Gravity“ keineswegs ein Freibrief in die Schwerelosigkeit – diese will nämlich erst einmal erarbeitet sein.

Der ausgebildete Jazz-Pianist Martin Tingvall war noch nie ein Purist, sein Gespür für große Melodien und harmonischer Überfluss haben ihm längst eine Tür in den anspruchsvollen Mainstream geöffnet. Alben seines Trios gelangen regelmäßig in die Pop-Charts, die letzten beiden konnten sich gar im oberen Bereich platzieren. Nicht viele Jazzer erreichen breite Hörerschichten, unter den Pianisten gelang dies etwa Keith Jarrett mit seinem „Köln Concert“ in den 70er Jahren, Esbjörn Svensson, der zu früh verstorbene schwedische Erneuerer, ab Ende der 90er mit mehreren Alben hintereinander.

Tingvalls Wahlheimat ist seit der Jahrtausendwende Hamburg, wo er sich längst auch als Pop-Komponist einen Namen gemacht hat, zum Beispiel für Udo Lindenberg. Für dessen Comeback-Album schrieb Tingvall die Stücke „Stark wie Zwei“, „Woddy, woddy Wodka“ und „Der Astronaut muss weiter“. Die Single „Wenn du durchhängst“ stammt aus seiner Feder sowie „Das Leben“, der einzige neu komponierte Song auf Lindenbergs aktuellem Album „MTV unplugged – Live aus dem Hotel Atlantic“.

„Rocket“ ist nun auf dem ersten Platz der offiziellen deutschen Jazz-Charts gelandet, und das ist kein Wunder: Nicht viele Alben sind so aufgeladen mit Stimmungen, Bildern, Ahnungen und fühlen sich dabei so leicht an, ohne je leichtgewichtig zu wirken.

Wie eine Filmmusik, die alle Motive schon in sich trägt, wenn man die Augen schließt und sich ihnen ausliefert, klingt die dunkle Fabel „Tales“ mit ihrem ausnehmend einnehmenden Thema – als habe Tingvall die ganze Sehnsucht der Menschen in Klang gießen wollen.

Konzerte 26.10. Karlsruhe, Tempel; 16.11. Schwäbisch-Hall, Hospitalkirche; 14.02.2020 Mannheim - Ella & Louis