Sony schickt einen runderneuerten Spider-Man ins Rennen um die Gunst der Videospielfreunde. Wir haben den neuen Actionkracher angespielt und verraten, ob sich der Kauf lohnt.

Nachrichtenzentrale : Lukas Jenkner (loj)

Stuttgart - In der Riege der klassischen Comic-Weltenretter ist Spider-Man der nette Superheld von nebenan. Der liebenswerte Laborassistent Peter Parker muss sich nicht nur um diverse Superschurken kümmern, sondern auch um die gelegentlich seltsam anmutenden Probleme seiner Tante May, und müht sich ansonsten manchmal mehr schlecht als recht, seine zwei Leben unter die Spinnenhaube zu bekommen. Seit Jahrzehnten funktioniert das Konzept, zunächst als Comic, aber seit vielen Jahren auch im Kino und auf den Videospielkonsolen.

 

Auf den Daddelgeräten hat allerdings in den vergangenen Jahren nicht jeder Ableger des blauroten Wandkrabblers die Spieler überzeugt. Die Erwartungen sind deshalb groß gewesen, als Sony Interactive gemeinsam mit Insomniac Games und Marvel Games einen Reboot des Arachniden angekündigt hatte. Wird „Marvel’s Spider-Man“ an alte Tugenden anknüpfen und einen heißen Herbst für die Welt der Spielkonsolen einläuten? Wir haben den neuen Actionkracher angespielt.

Spielinhalt

Eine gute Nachricht wartet auf den Spieler gleich zu Beginn: Anders als in den diversen Kino-Remakes der vergangenen Jahre wird in „Marvel’s Spiderman“ die Geschichte von Peter Parker nicht noch einmal von vorne erzählt. Spider-Man ist vielmehr seit acht Jahren im Superheldengeschäft, wickelt seine Einsätze bei Überfällen, Schlägereien und Verfolgungsjagden routiniert ab und wird auf der Straße gerne „Spidey“ gerufen. Es läuft für den Wandkrabbler.

Doch die Festnahme des Schurken Fisk, die krachend spektakulär als spielbares Intro mit begleitender Erklärung der Steuerung in Szene gesetzt wird, hat ungeahnte Folgen. Denn der fette Fisk hinterlässt ein Machtvakuum, das diverse andere Ganoven ausfüllen wollen. Schneller als gedacht fliegen Spider-Man die Spinnweben um die Ohren, und er hat alle Hände voll zu tun, um New York vor einer Katastrophe zu bewahren.

Stärken

Um eines vorwegzunehmen: „Marvel’s Spider-Man“ macht fast alles richtig. Selten hat es so viel Spaß gemacht, sich per Spinnenfäden durch die Häuserschluchten von New York zu schwingen und nach bösen Buben Ausschau zu halten. Die offene Welt ist schön gestaltet, auch wenn beim näheren Hinsehen manche Menschen auf den Straßen ziemlich ähnlich ausschauen und hinter den Fenstern der schicken Wolkenkratzerfassaden gähnende Leere herrscht. Aber die meiste Zeit schwingt sich der Spieler ohnehin durch luftige Höhen und das meist in einem Tempo, dass der Blick fürs Detail schnell verloren geht.

Richtig Laune machen die Kämpfe gegen die Bösewichte. Spider-Man beherrscht jede Menge coole Moves, die sich in einem Fähigkeiten-Baum noch ordentlich ausbauen lassen. Und wer einmal begriffen hat, dass Spider-Man keine Prügelmaschine ist, sondern auch seine Heimlich-und-Schleich-Fähigkeiten ausspielen muss, der gewinnt dem Spiel noch einmal ganz neue Seiten ab. An der Spitze eines Skyscrapers entlang zu krabbeln und einen Gangster nach dem anderen per Takedown von der Kante zu holen, ihn in Spinnenfäden einzuschnüren und die verbleibenden Schergen mit einigen gezielten Schlag- und Tritt-Combos auszuschalten, begeistert für Stunden.

Schwächen

Spider-Man ist in einer großen, offenen Spielwelt unterwegs, in der jede Menge geboten ist – manchmal vielleicht sogar ein bisschen zu viel. Jede Menge Nebenmissionen, zufallsgenerierte Verbrechen, die es zu bekämpfen gilt und die sich früher oder später wiederholen, Rucksäcke, die die Spinne einsammeln muss – da geht der Überblick schnell verloren. Und die Schaltkreismissionen haben die Qualität einer Beschäftigungstherapie.

Fähigkeiten und Kampfanzüge lassen sich hochzüchten und weiterentwickeln – aber warum dafür ein halbes Dutzend Ressourcen notwendig sind, die in unterschiedlichen Kombinationen eingesetzt werden müssen, versteht niemand. Die entsprechenden Menüs sind ein bisschen unübersichtlich und überdies in einer sehr kleinen Schrift umgesetzt. Das haben zum Beispiel die Macher von Far Cry deutlich schlanker gelöst.

Fazit

Aufwendig und flüssig inszeniert, schön anzusehen und ein hinreißendes Superhelden-Gefühl: Wer Spiele dieser Art mag, ist mit „Marvel’s Spider-Man“ bestens bedient. Weil die Macher die typische Selbstironie des Spider-Man-Universums eingefangen haben, hat die Neuauflage des Spinnenabenteuers ihren ganz eigenen, liebenswerten Charme – etwa wenn Peter Parker seine eigenen Heldentaten mit der dunklen Stimme von „Spider-Cop“ selbst kommentiert. Auch sonst bekommt der Spieler viele Momente mit dem sprichwörtlichen Augenzwinkern serviert. Prädikat: Geeignet für alle Superhelden-Fans mit Hang zum Sturzflug und zur Selbstironie.

Marvel’s Spider-Man ist freigegeben ab 12 Jahren und kostet um die 60 Euro.

Grafik: 4 von 5

Spielspaß: 4 von 5

Atmosphäre: 4 von 5