Marvel bringt „Shang-Chi“ in die Kinos, seinen ersten Martial-Arts-Film mit asiatischem Fokus – und ein krudes Märchen, das seine Magie aus vielen Quellen schöpft.

Stuttgart - Eine gehörige Portion „Tiger and Dragon“, dazu etwas „Harry Potter“ und „Herr der Ringe“, eine Prise „Unendliche Geschichte – und fertig ist der erste Martial-Arts-Film aus dem Hause Marvel. Es ist auch der erste Film mit überwiegend asiatischstämmigen Akteuren, angefangen beim Regisseur Destin Daniel Cretton, der unter anderem japanische Wurzeln hat. „Shang-Chi and the Legend of the ten Rings“ ist also so etwas wie das asiatische Gegenstück zu „Black Panther“ (2018), der bei Afroamerikanern und in Afrika Euphorie auslöste.

 

Tony Leung, 2013 in „The Grandmaster“ die Kung-Fu-Legende Ip Man, spielt Wenwu, der durch magische Ringe unbesiegbar und machtgierig wurde. Dann findet ihn die Liebe, er gründet eine Familie, doch die Vergangenheit holt ihn ein. Er wird der alte Bösewicht, sein Sohn Shang-Chi und seine Tochter Xialing fliehen. Als Wenwu glaubt, seine Frau sei nicht tot, sondern eingekerkert in ihrem Heimatdorf, zwingt er seine Kinder zurück an seine Seite – doch die Stimme, die ihn ruft, gehört einem Monster.

Der Film macht wenig aus seinen philosophischen Ansätzen

Eine krude Story hat das Autorenteam um David Callham („Ant-Man“) gestrickt. Wenwu betrat 1964 als „The Mandarin“ die Marvel-Szenerie, diese Figur wird aber nur im Dialog gestreift. Aus seinen unterschiedlichen Fingerringen sind zehn gleichartige Armreifen geworden. Die erzeugen ein Kraftfeld, das Gegner nur so umherwirbeln lässt. Allein an Li, der Hüterin des magischen Dorfes Ta Lo, beißt Wenwu sich die Zähne aus: Sie pariert seine Angriffe mit tänzerischer Anmut – und öffnet ihm die Augen.

Die Chinesin Fala Chen macht großen Eindruck mit ihrem ausdrucksstarken Kampfkunst-Zauber, den später nicht minder beeindruckend Michelle Yeoh („Tiger and Dragon“) als Lis Schwester Nan vorführt. Bei beiden sitzt jede Regung der Arme und Beine – man könnte ihnen stundenlang zuschauen, wie sie die Prinzipien Yin und Yang zu starken Bildern gerinnen lassen. Es steckt also fernöstliche Weisheit in diesem Film; allerdings macht er wenig daraus.

Der Hauptdarsteller Simu Liu als verlorener Sohn Shang-Chi kann auch Kung-Fu, ist aber eher ein knuddeliger Typ, der in San Francisco in einem fahrenden Bus spektakulär eine Horde Gegner erledigt und dann in Macao auf einem Bambusgerüst. Als Weltenretter wirkt er einigermaßen überfordert. Meng’er Zhang als Schwester Xialing tritt zunächst viel souveräner auf, doch das Drehbuch schiebt sie nach hinten – noch so eine ausgelassene Chance.

Der Film findet keine Linie

Shang-Chis amerikanische Freundin Katy Chen (die Rapperin Awkwafina) plappert als personifizierte Unwissenheit vor sich hin, Florian Munteanu gibt einen Muskelprotz mit Schwert-Arm, Ben Kingsley nimmt die Rolle des Schauspielers Trevor Slattery aus „Iron Man 3“ wieder auf und gibt manchmal deplatzierte Witz zum Besten.

Magische Tiere und Dämonen begleiten das Effektspektakel am Schluss eines Werks, das keine Linie findet. Wo Marvels Magierfilm „Doctor Strange“ von buddhistischer Weisheit aufgeladen war, bleibt „Shang-Chi“ ein Märchendurcheinander mit magischen Ringen, Drachen und Seelenfressern, das ungefähr so lange nachhallt wie ein Feuerwerk.

Shang-Chi and the Legend of the ten Rings. USA 2021. Regie: Destin Daniel Cretton. Mit Simu Liu, Tony Leung. 132 Minuten. Ab 12 Jahren.