Mehr Kinder als bislang angenommen sind laut einer Studie wohl nicht oder unvollständig geimpft. Vor allem bei Masern sind die Impflücken laut den Studienautoren alarmierend.

Berlin - Mehr Kinder und Jugendliche als bislang gedacht sind nicht oder unvollständig geimpft, die Impflücken in Deutschland sind also größer als bislang angenommen. Das geht aus dem aktuellen Arzneimittel-Report der Krankenkasse Barmer hervor. So war demnach mehr als jedes fünfte im Jahr 2015 geborene und bei der Kasse versicherte Kind in den ersten beiden Lebensjahren nicht oder unvollständig gegen Masern geimpft. Doch die Impflücken scheinen nicht nur bei Masern zu bestehen – und nicht nur bei den Kleinsten.

 

Die Kasse hat unter anderem für rund 45 700 Schulanfänger, die 2017 bei ihr versichert waren, Abrechnungsdaten geprüft. Danach waren bei keiner wichtigen Infektionskrankheit wie Masern, Mumps oder Röteln ausreichend Kinder immunisiert, teilte die Barmer am Donnerstag bei der Vorstellung ihres Arzneimittelreports mit. Die Impfquoten lagen demnach durchweg unter 90 Prozent. Das sei alarmierend, sagte Barmer-Vorstandschef Christoph Straub. Denn für eine Schutzwirkung in der Gesellschaft seien Immunisierungsraten von mindestens 95 Prozent nötig.

„Die Impflücken bei Kleinkindern in Deutschland sind größer als bisher bekannt“, resümierte Daniel Grandt, Mitautor des Arzneimittelreports und Chefarzt am Klinikum Saarbrücken. So lag die Durchimpfungsrate – also der Anteil der zweijährigen Kinder, die die zwei vorgesehenen Masernimpfungen bekommen hatten – im Jahr 2017 lediglich bei 78,9 Prozent. Bei sechsjährigen Kindern, die 2011 zur Welt kamen, betrug die Masern-Impfquote bei Barmer-Versicherten 88,8 Prozent.

Auch bei Mumps und Röteln zeigten sich Impflücken

Nach den offiziellen Daten der Schuleingangsuntersuchungen beim Robert Koch-Institut (RKI) lag die Impfquote bei der ersten Masernimpfung 2017 bei rund 97 Prozent. Bei der zweiten Masernimpfung waren es fast 93 Prozent. Allerdings hatten rund neun Prozent der Schulanfänger keinen Impfausweis. Das RKI habe deshalb bereits darauf hingewiesen, dass die von ihm angegebenen Impfquoten möglicherweise etwas zu hoch seien, hieß es bei dem Institut. Die Auswertung der Barmer bewertet das RKI als gründlich. „Mit den Daten werden jedoch nur rund elf Prozent der gesetzlich Versicherten in Deutschland abgebildet, und es bleibt offen, wie repräsentativ diese Versichertenklientel für Deutschland ist“, teilt das RKI weiter mit.

Die Barmer-Analyse zeige das Bild der tatsächlichen Impfquoten, betonen dagegen die Autoren der Studie. Neben Masern gebe es weitere Impflücken. So waren unter den Barmer-Versicherten 2017 nur 88,7 Prozent der Sechsjährigen gegen Mumps und Röteln geimpft. Dies sei äußerst bedenklich, weil Kinder und Jugendliche ihre Impflücken auch im Erwachsenenalter behalten würden, sagte Straub. Die Krankenkassen AOK oder TK haben solche Erhebungen für ihre Versicherten nach eigenen Angaben noch nicht durchgeführt.

Bundesgesundheitsminister Spahn hatte anschließend erklärt, er sehe sich durch die Untersuchung in seiner Forderung nach einer Masern-Impfpflicht bestätigt. Das Bundeskabinett hat Mitte Juli ein Gesetz für eine Masern-Impfpflicht auf den Weg gebracht. Ab März 2020 müssen Eltern vor der Aufnahme ihrer Kinder in eine Kita oder Schule nachweisen, dass diese geimpft sind. Der Bundestag muss noch zustimmen.