Das Massaker erinnert an einen berühmt-berüchtigten Anschlag in Texas aus dem Jahr 1966, der als die „Uhrenturm-Schießerei“ ins kollektive Gedächtnis Amerikas eingegangen ist. Damals nahm der Student und Ex-Scharfschütze der Marineinfanterie Charles Whitman von der Aussichtsterrasse des Uhrenturms an der Universität Texas in Austin aus seine Mitstudenten und Passanten unter Beschuss. Whitman tötete 13 Menschen, bevor er selbst von der Polizei erschossen wurde.

 

In Las Vegas ist die Opferzahl weit höher, weil Paddock ein hochmodernes Schnellfeuergewehr benutzt, das er auf die große Menschenmenge vor sich richtet. Der Bundesstaat Nevada kennt nur wenige Beschränkungen für den Waffenbesitz. Möglicherweise hat Paddock an der Waffe trainiert: US-Fernsehsender zitieren Experten mit der Einschätzung, das Feuern und rasche Nachladen erfordere Übung. Eine Selbstbezichtigung des Islamischen Staates wird als Trittbrettfahrerei der Islamisten abgehakt; es gibt keine Hinweise auf irgendwelche Verbindungen des Täters zu den Extremisten in Syrien und dem Irak.

Trump spricht nicht von Terrorismus

Noch während die Toten gezählt und die Verletzten in den Krankenhäusern behandelt werden, beginnt dennoch eine heftige politische Diskussion. Die Polizei vermeidet es, Paddocks Massaker als Terrorismus zu bezeichnen, weil die Motive des Täters nicht bekannt seien. Auch Präsident Donald Trump, der sonst immer mit schnellen Verurteilungen zur Stelle ist, reagiert auffällig zurückhaltend und drückt den Opfern nur sein Mitgefühl aus. Er spricht von einer Tat des „reinen Bösen“ und ordnet halbmast an. Das Land sei vereint in „Traurigkeit, Schock und Trauer“. Das Wort „Terror“ nimmt er nicht in den Mund. Als ein radikaler Muslim im vergangenen Jahr in Florida ein Blutbad anrichtete und 49 Menschen tötete, forderte Trump einen Einreisestopp für alle Muslime. Nun steht der Verdacht im Raum, der Präsident messe mit zweierlei Maß: Nur wenn es sich um einen nicht christlichen oder dunkelhäutigen Täter handele, werde von Terrorismus gesprochen, lautet der Vorwurf.

Was zunächst nach dem Mandalay-Massaker bleibt, sind die Toten, die Wunden der Verletzten, die Trauer der Angehörigen und die Unfähigkeit einer Gesellschaft, in den Spiegel zu schauen. Sonst sähe sie das, was Countrygitarrist Caleb Keeter erkannte, der beim „Route 91 Harvest“-Festival selbst auf der Bühne stand. „Ich war mein ganzes Leben ein Anhänger des Rechts, Waffen zu tragen,“ erklärte er. Das habe sich letzte Nacht geändert. „Ich kann nicht ausdrücken, wie sehr ich danebenlag.“ Aber er hat eine unmissverständliche Botschaft für Amerika: „Genug ist genug.“