Gegen Transitzentren an der der deutschen Grenze gibt es vehemente juristische Vorbehalte. Ein Vorwurf aus dem Deutschen Anwaltverein lautet: Innenminister Horst Seehofer versuche, EU-Recht zu umgehen.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Stuttgart - Die umstrittene Asylpolitik des Bundesinnenministers Horst Seehofer (CSU) sei „rechtlich völlig undurchdacht“. Diesen Vorwurf erhob der Deutsche Anwaltverein (DAV) gegenüber Seehofers Plänen für sogenannte Transitzentren an den deutschen Grenzen. Dort sollen Flüchtlinge ohne Bleiberecht in Expressverfahren überprüft und zurückgewiesen werden, so das Vorhaben des Ministers. Für den Ulmer Juristen Thomas Oberhäuser, Vorsitzender des Arbeitskreises Migrationsrecht in dem Dachverband, sind viele Aspekte des Konzepts illegal. Oberhäuser wertete Seehofers Vorhaben als „Versuch, europäisches Recht zu umgehen und Dublin auszuhebeln“, so sagte er am Donnerstag gegenüber unserer Zeitung.

 

Das an Flughäfen erprobte Verfahren, an dem sich Transitzentren orientieren, sei an EU-Binnengrenzen nicht erlaubt, betonte der Asylrechtsexperte. Der Plan des Innenministers sei deshalb schon vom Grundsatz her „offensichtlich rechtswidrig“. Zudem hielt Oberhäuser es für fragwürdig, dass einreisende Flüchtlinge in den Transitzentren „wie mutmaßliche Straftäter behandelt“ würden. Eine Dublin-Prüfung binnen 48 Stunden abzuwickeln, wie es Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) angekündigt hat, sei „nach momentanem Stand unrealistisch“.

SPD-Justizministerin: Rechtsstaatliche Grundsätze sind „keine lästige Pflicht“

Für problematisch erachtete er auch eine rechtsstaatlich korrekte Beratung der Asylbewerber. Rechtsberatung sei schon in Ankerzentren erschwert. Außerdem mangele es an einer ausreichenden Zahl von Anwälten. „Wir Migrationsrechtler sind jetzt schon übervoll“, sagte Oberhäuser der StZ. Der Staat sei gefordert, die Rechtsberatung auch angemessen zu vergüten. Vorbilder seien die Schweiz und die Niederlande, wo ein Anwalt in beschleunigten Asylverfahren verbindlich vorgeschrieben sei.

Kritik kam vor einem Treffen führender Politiker der großen Koalition auch aus der SPD. Die sozialdemokratische Bundesjustizministerin Katharina Barley warnte die Union davor, Rechte der Flüchtlinge zu beschneiden. Rechtsstaatliche Grundsätze seien auch in Transitzentren „keine lästige Pflicht“, sagte die SPD-Frau.

Seehofers Staatssekretär im Innenministerium, Stephan Mayer (CSU), versicherte derweil: „Transitzentren sind keine Gefängnisse.“ In solchen Anstalten könne sich „jeder frei bewegen, raus darf aber niemand“, so erklärte Mayer. Es stehe den Asylbewerbern allerdings frei, in das Land zurückzukehren, aus dem sie nach Deutschland einreisen wollten. Auch Seehofer betonte in der Haushaltsdebatte des Bundestags am Donnerstag: „Es sind keine geschlossenen Anstalten.“ Bei einem Besuch in Wien kündigte Seehofer an, Österreich und Deutschland wollten sich dafür einsetzen, gemeinsam mit Italien die Mittelmeerroute für Flüchtlinge zu schließen. Die von ihm befürwortete Abschiebepolitik werde sich nicht zulasten Österreichs auswirken.

– Kommentar: Ankunft im Lager