Gut zwei Drittel aller Bürger aus Gambia in Deutschland leben in Baden-Württemberg. Eine Folge: ihr Anteil an den Verdächtigen bei Drogendelikten ist innerhalb weniger Jahre um das 36-fache gestiegen. Diese Auskunft von CDU-Innenminister Strobl alarmiert die FDP.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Baden-Württemberg ist zu einem Brennpunkt für Drogendelikte durch Einwanderer aus dem westafrikanischen Staat Gambia geworden. Innerhalb weniger Jahre hat sich ihr Anteil an den Tatverdächtigen massiv auf mehr als acht Prozent erhöht. Bei einem Anteil an der Bevölkerung von lediglich 0,06 Prozent seien die fast ausschließlich männlichen Gambier bei Rauschgiftdelikten mithin „stark überrepräsentiert“. Das ergibt sich aus einer Antwort des Innenministeriums von Thomas Strobl (CDU) auf eine Anfrage der Landtags-FDP. Deren Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke nannte den „enormen Anstieg der Straftaten … erschreckend“. Für die Bürger sei es unbegreiflich, dass trotz einer sehr geringen Anerkennungsquote von derzeit 3,3 Prozent kaum einer der gambischen Staatsbürger das Land verlassen müsse.

 

Nach der Auskunft des Innenressorts gab es Ende August ausweislich des Ausländerzentralregisters 14 500 Gambier in Deutschland. Davon lebten 10 300 - also mehr als zwei Drittel – in Baden-Württemberg. Der Grund dieser Konzentration: Asylanträge von gambischen Staatsbürgern würden zentral bei der Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) in Karlsruhe bearbeitet. Lediglich 597 der Menschen hätten ein Aufenthaltsrecht im Südwesten, bei 6135 laufe das Asylverfahren, 3583 lebten ohne Aufenthaltsrecht im Land. Nur ein Bruchteil von ihnen werde als Asylbewerber anerkannt: die Quote stieg von 1,2 Prozent im Jahr 2015 auf 3,3 Prozent im ersten Halbjahr 2016.

Aktiv rund um Asylbewerberheime

Die Probleme mit Gambiern im Drogenhandel haben sich in den vergangenen Jahren in Baden-Württemberg massiv verschärft. Von 2011 bis 2015 sei ihr Anteil an den Tatverdächtigen um das 36-fache auf 8,33 Prozent gestiegen, berichtet Strobl; dies entspreche 431 von insgesamt 5174 Verdächtigen. Im laufenden Jahr setze sich der Anstieg fort. „Besonders auffällig“ sei eine starke Zunahme bei Rauschgiftdelikten mit Marihuana, die vielfach im Bereich von Sammelunterkünften von Asylbewerbern sowie in Parkanlagen begangen würden.

Die Region Westafrika, in der auch Gambia liegt, gilt laut Innenressort als „Drehkreuz“ für den internationalen Drogenhandel; besonders Kokain und Cannabis-Produkte seien dort als Schmuggelware verfügbar. Bisher gebe es aber keine Erkenntnisse, dass gambische Staatsangehörige in organisierter Form zum Drogenhandel nach Deutschland eingeschleust würden. Vereinzelt hätten spätere Verdächtige bei der Registrierung als Asylbewerber versucht, ihre tatsächliche Identität zu verschleiern. Die Rauschgiftgeschäfte entwickelten sich aufgrund von Angebot und Nachfrage, der Qualität der Ware und persönlichen oder verwandtschaftlichen Beziehungen; teilweise unterstützten die Dealer ihre Familien in der Heimat.

Hängepartie um sichere Herkunftsländer

Aber auch bei anderen Delikten gebe es nach der Kriminalstatistik einen erheblichen Zuwachs, heißt es in der Antwort. So stieg die Zahl der männlichen Tatverdächtigen aus Gambia zwischen 2014 und 2015 beim Diebstahl um mehr als das Dreifache auf 347 und bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung von neun auf 27. Bis Ende September zeichne sich bei allen Delikten ein weiterer Anstieg gegenüber dem Vorjahr ab. Beim Großteil der erwachsenen Verdächtigen 2015 handelt es sich um Männer (1732 Personen), Frauen (31) spielen kaum eine Rolle.

Auf die Frage der FDP, was Baden-Württemberg zur Einstufung von Gambia als sicheres Herkunftsland unternommen habe, verweist Strobl auf den Bund. Es obliege zunächst der Regierung in Berlin, die Verhältnisse in dem afrikanischen Staat zu untersuchen. Ein Antrag Bayerns, neben etlichen anderen Staaten auch die Aufnahme Gambias in die Liste der sicheren Herkunftsländer zu prüfen, sei im Februar im Bundesrat vertagt und seither nicht wieder behandelt worden. Eine Hängepartie gibt es auch um die vom Land unterstütze Ausweisung von Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsländer: die für Juni vorgesehene Abstimmung sei von der Tagesordnung des Bundesrats abgesetzt und noch nicht wieder aufgerufen worden. Durch die Aufnahme in die Liste verkürze sich die Bearbeitungsdauer von Asylanträgen um zehn Minuten je Entscheidung, zitierte der Innenminister eine frühere Auskunft des Bundes.

Rülke befürchtet Auftrieb für Rechtspopulisten

Für den FDP-Fraktionschef Rülke zeigt die Problematik der Gambier, „dass die praktische Anwendung des deutschen Ausländerrechts zu absurden Ergebnissen führt“. Es sei für die Bürger nicht nachvollziehbar, warum es unmöglich sein solle, nicht schutzbedürftige Personen abzuschieben. „Der fehlende Wille von CDU, SPD und Grünen, die derzeitige Situation nachhaltig zu ändern, treibt die Bürger in die Hände rechter Populisten“, warnt der Oberliberale.