Mehr Prävention und Polizeikontrollen sollen die baden-württembergische Bevölkerung vor Pöbeleien, Anmache und Lärm durch Betrunkene schützen. Doch der Endlosstreit über ein Gesetz gegen Saufgelage geht weiter.

Stuttgart - Die Arbeitsgruppe „Lebenswerter öffentlicher Raum“ hat am Montag ihre Arbeit beendet und wird nun ihre Empfehlungen zur Eindämmung von kommunalen Trinkerszenen an das Staatsministerium weiterleiten. Pikant daran ist, dass sich in dem 27-seitigen Bericht erneut der Vorschlag findet, die Kommunen zu ermächtigen, örtlich und zeitlich begrenzte Alkoholkonsumverbote zu verhängen. In der grün-roten Landesregierung hatten sich Ministerpräsiden Kretschmann wie auch Innenminister Reinhold Gall (SPD) dafür ausgesprochen, den Kommunen per Gesetz entsprechende Vollmachten zu übertragen, doch konnten sie sich in ihren Parteien bisher nicht durchsetzen.

 

Das Thema bleibt auch weiterhin umstritten. Hans-Ulrich Sckerl, der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen und Mitglied der Arbeitsgruppe, bewertete die jetzt vorgelegten Vorschläge als „beachtlich in ihrer Qualität“, nahm davon aber die Alkoholverbote aus. Diese kämen allenfalls als „ultima ratio“ in Betracht – für den Fall, dass Prävention und stärkere Polizeipräsenz nichts fruchteten. Wegen der strengen Voraussetzungen für solche Verbote seien sie ohnehin nur in 10 bis 15 Städten im Land denkbar, sagte Sckerl.

Der jahrelange Streit nimmt keine Ende

Die Arbeitsgruppe „Lebenswerter öffentlicher Raum“ war das Ergebnis eines Runden Tisches, den Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) im Januar einberufen hatte. Vorangegangen war ein jahrelanger Streit über die Alkoholkonsumverbote, die dort Abhilfe schaffen sollen, wo Anwohner durch Trinkerszenen in ihrer Nachtruhe erheblich gestört und Passanten von Betrunkenen belästigt werden. Die Stadt Freiburg hatte in der Vergangenheit ein solches Alkoholverbot für das so genannte Bermudadreieck in der Altstadt erlassen; dies auf der Grundlage einer Polizeiverordnung. Dagegen klagte ein Jurastudent – mit Erfolg. Der baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof befand, ein derart weitreichender Freiheitseingriff sei nur auf einer gesetzlichen Grundlage erlaubt, die der Landesgesetzgeber zu schaffen habe. Zu Zeiten der schwarz-gelben Koalition scheiterte dies am Widerstand der FDP.

Im Verlauf dieses Jahres stellte dann die Arbeitsgruppe unter Federführung des Innenministeriums ein Paket zusammen, das Abhilfe schaffen soll. Die Arbeitsgruppe, der Vertreter von Polizei, Ministerien, Landtagsfraktionen und Kommunalverbänden angehören, erkennt in Alkohol einen Aggressionstreiber, der sich nachweislich in Gewalt manifestiere. Neben den Alkoholverboten zählt zum Maßnahmenpaket der Vorschlag, die im Jahr 2010 verkürzten Sperrzeiten in der Gaststättenverordnung wieder zu verlängern. Skeptisch urteilt die Arbeitsgruppe über den Vorschlag des Tübinger Oberbürgermeisters Boris Palmer (Grüne), einschlägig in Erscheinung getretenen Personen das Betreten von Trinkerszenen oder Partymeilen zu untersagen. Einer entsprechenden Änderung des Polizeigesetzes stünden „nicht unerhebliche rechtliche und fachliche Bedenken“ entgegen. Derartige präventive Platzverweise seien allenfalls zur Vermeidung von Straftaten möglich, nicht aber zur Abwehr von Ordnungswidrigkeiten. Schließlich plädiert die Arbeitsgruppe auch dafür, Alkoholika zu verteuern, etwa über die „in der Verantwortung des Bundesgesetzgebers liegende Besteuerung alkoholischer Getränke“. Im Januar soll nun der Runde Tisch Entscheidungen treffen.