Trotz Lieferengpässen muss sich die Autoindustrie den Herausforderungen der Transformation stellen. Vor allem Software- und IT-Kompetenz sind künftig gefragt, heißt es beim Zulieferertag in Stuttgart.

Stuttgart - Die Materialengpässe werden deutliche Spuren in der weltweiten Autoproduktion hinterlassen. In diesem Jahr dürften weltweit zwar 76,7 Millionen Personenwagen gefertigt werden – knapp 3 Prozent mehr als im Jahr zuvor, schätzt Hans Remsing, Leiter Expertenteam Automotive bei der Deutschen Bank, beim Zulieferertag Automobilwirtschaft in Stuttgart. Allerdings: Nachdem die globale Produktion drei Jahre in Folge nicht zuletzt wegen der Pandemie gesunken war, hatte die Branche ursprünglich mit einem Plus zwischen 10 und 15 Prozent gerechnet.

 

Lesen Sie aus unserem Plus-Angebot: Autobauer und Zulieferer - Ein fairer Umgang ist jetzt wichtig

Dass dieses Ziel nicht erreicht wird, hat mit der Materialknappheit zu tun. Engpässe gibt es vor allem bei den Halbleitern. Zwar hat die Chipindustrie in diesem Jahr Investitionen in Höhe von 90 Milliarden Dollar (78 Milliarden Euro) angekündigt – 44 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Und im kommenden Jahr sollen sogar 100 Milliarden Dollar investiert werden. Mit einer Entspannung rechnet Remsing aber erst im dritten Quartal 2022.

Die Bedeutung der Halbleiter

Grund dafür ist die lange Bauphase bei Chipfabriken und auch der zunehmende Halbleiterbedarf der Autoindustrie: Moderne Fahrzeuge – E-Autos und automatisierte Fahrzeuge – benötigen zwischen 17 und 20 Prozent mehr von den elektronischen Winzlingen als klassische Pkw, schätzt Joachim Damasky, der in der Geschäftsführung des Autoverbandes VDA für die Bereiche Produkt und Wertschöpfung zuständig ist. Autos der Zukunft seien immer mehr mit Elektronik ausgestattet. Quasi alle Zulieferer sehen sich mit dem Thema konfrontiert. Es gehe dabei nicht nur um die Entwicklung neuer Technologien, sagt Franz Loogen, Geschäftsführer der Landesagentur E-Mobil BW GmbH. Wichtig sei auch, bestehende Produkte anzupassen. Als Beispiel nennt er die Hersteller von Autofensterheber – ein ausgesprochen klassisches Produkt. Künftig werden die Hersteller eine Applikation mit verkaufen, die auf dem zentralen Rechner läuft, so Loogen.

„Die Software- und Elektronikarchitektur im Fahrzeug und die Infrastruktur werden in Zukunft immer bedeutender und komplexer“, sagt auch die baden-württembergische Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut auf dem Zulieferertag. „Die wachsenden Anforderungen durch Vernetzung und Automatisierung von Fahrzeugen erfordert neue Softwarekonzepte und IT-Sicherheitskompetenz“, fügt sie hinzu. Baden-Württemberg habe in diesem Bereich viel Kompetenz zu bieten, so Hoffmeister-Kraut. Um erfolgreich zu sein, müssten sich die klassischen Zulieferer jedoch gegen neue Konkurrenten aus der Digitalwirtschaft behaupten. Dies gelinge nur denjenigen, die sich frühzeitig strategisch neu ausrichten und die Belegschaft entsprechend qualifizieren würden, so Hoffmeister-Kraut.

Unterstützung bei Innovationen

Franz Loogen rät den mittelständischen Zulieferern denn auch sich neuen Produktgruppen zu erschließen. Start-ups seien eine gute Quelle für innovative Lösungen, sagt auch Peter Guse von der Vector Informatik GmbH, die Elektronik fürs Auto entwickelt. Jungunternehmer seien schnell. Zudem koste es den Zulieferer, der sich um das bestehende Geschäft kümmern müsse, „nicht viel Geld“ und binde zudem kaum Kapazitäten. Ina Schaefer, die an der TU Braunschweig Softwaretechnik und Fahrzeuginformatik lehrt, ist begeistert. „Die Hochschulen freuen sich immer über die Zusammenarbeit mit kleinen Unternehmen“, sagt sie. Zum einen wegen des Technologietransfers. Und zum anderen könnten auch mittelständische Unternehmen auf diesem Wege Fachkräfte an sich binden.

Denn diese werden händeringend gesucht. Gefragt sei künftig neben mechanischem Wissen zunehmend IT- und Softwarekompetenz. Dabei denken die Teilnehmer der Gesprächsrunde auch an die Fachkräfte von morgen. „In den Schulen wird nicht genug für die Mint-Fächer getan“, so VDA-Geschäftsführer Joachim Damasky. Mint steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Schäfer fordert, dass bereits in der Grundschule mit dem Informatikunterricht begonnen werden sollte. Dabei gehe es zunächst nicht um Programmierung, so Schäfer. Ihr geht es vielmehr darum, dass schon die Kleinsten eine Digital- und Medienkompetenz entwickeln.