Seit Jahren fällt an Gymnasien immer wieder wochenweise der Matheunterricht aus, und neuerdings gibt es auch zu wenig Grundschullehrer. Doch nicht alle, die Lehrer werden wollen, kommen zum Zug. Und viele Mathestudenten bleiben auf der Strecke.

Stuttgart - Immer wieder beklagen Eltern, dass wochenweise Mathematik ausfällt. Bereits zu Beginn dieses Schuljahrs waren Schulleiter damit beschäftigt, für dieses und andere Mangelfächer – etwa Naturwissenschaften – Pensionäre zu aktivieren und Leute ohne Lehramtsausbildung zu gewinnen, um die Lücken zu stopfen. Auch an den Grundschulen war erstmals schon im September die Personaldecke zu knapp. Dabei fehlt es nicht an jungen Menschen, die gern Lehrer werden wollen. Im Gegenteil. „Beim Grundschullehramt haben wir neun Bewerber auf einen Studienplatz“, berichtet Martin Fix, der Rektor der PH Ludwigsburg, „beim Sonderschullehramt sind es sechs bis sieben pro Platz“. Auch an der Uni Stuttgart seien „in den meisten Lehramtsstudiengängen auch in diesem Semester unsere Studienkapazitäten voll ausgeschöpft oder sogar überbucht“, sagt Cathleen Kantner, Prorektorin für Lehre und Weiterbildung. Dies betreffe auch Chemie, Informatik und Mathematik.

 

Kantner räumt allerdings ein, es sei schwer, junge Lehramtsstudierende für die Mint-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) zu gewinnen. Das betreffe nicht nur die Uni Stuttgart., die viel unternehme, um gegenzusteuern: Es gebe Schülerseminare, einen Korrespondenzzirkel, die Möglichkeit eines Frühstudiums zur Förderung besonders begabter Schülerinnen und Schüler, einen Girls Day, ein Roboterrennen, ein Schnupperstudium für Abiturienten. Die Nachwuchsgewinnung für die Mint-Fächer gehöre auch zu den Schwerpunktthemen in der „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“.

Allerdings seien die Lehramtsfächer unterschiedlich groß, was historisch bedingt sei. So sei etwa das Fach „Naturwissenschaften und Technik“ mit 18 Plätzen pro Semester ganz klein. „Ein junges Fach mit sehr guten Berufsaussichten – und ohne NC“, betont Kantner. Sie räumt aber ein, dass Studierende in ihrem zweiten Fach eine Naturwissenschaft zusammen mit den künftigen Naturwissenschaftlern belegen müssten, „was den Studiengang sehr anspruchsvoll macht“.

Das Mathestudium ist für viele zu anspruchsvoll – Grund sind falsche Erwartungen

Für viele Studierende zu anspruchsvoll scheint auch das Fach Mathe zu sein. Zwar haben auch in diesem Wintersemester wieder 102 Anfänger ihr Lehrerstudium begonnen. Doch viele bleiben schon in den ersten Semestern auf der Strecke. Wie eine eigene Auswertung der Universität zeigte, beträgt die Schwundquote in Mathe bis zu 70 Prozent und sei auch im Lehramt „hoch“. Gründe seien falsche Erwartungen und eine unrealistische Einschätzung des eigenen Leistungsniveaus.

Besonders hoch muss dieses bei PH-Studierenden sein. „Der NC beim Grundschullehramt ist viel schärfer als beim gymnasialen Lehramt“, sagt Rektor Fix. Derzeit liege er bei 1,9. „Man kann seine Chancen durch soziales Engagement aber deutlich verbessern“, ergänzt er. Dennoch stellt er fest: „Wir steuern bei den Grundschulen und der Sonderpädagogik überraschenderweise in eine Mangellage hinein – die Statistiker haben das anders prognostiziert.“ So hätten diese noch vor vier Jahren signalisiert, „dass es bis 2020 rund 20 Prozent weniger Kinder gibt“. Doch der erwartete Geburtenrückgang sei nicht eingetreten, zudem gebe es viele Zuwanderer. „Aber wir können nicht einfach die Studienkapazität verdoppeln“, sagt Fix.

Kooperation von fünf Hochschulen bei der Lehrerausbildung soll Abbrecherquote senken

Eine Chance, die Abbrecherquoten bei den Lehramtsstudierenden zu senken, sieht Fix durch gezieltere Beratung. Diese soll auch durch die Professional School of Education (PSE) intensiviert werden, die gerade im Aufbau ist. Dabei kooperiert die PH Ludwigsburg, die mit fast 4100 die meisten Lehramtsstudenten hat, mit der Uni Stuttgart (2016 Lehramtsstudenten) sowie der Uni Hohenheim (114 Lehramtsstudenten), der Kunstakademie (159) und der Musikhochschule (152). Intensiviert werden soll die Zusammenarbeit der unterschiedlich geprägten Lehrerausbildungsstätten jedoch vor allem im Rahmen der Masterausbildung. Diese erreichen die ersten Studierenden im Jahr 2018.

„Da betreten wir wirklich Neuland“, sagt Fix. Ziel sei, die hohe Expertise der beteiligten Partner zu vernetzen und somit nutzbarer zu machen. Dahinter, so Rektor Fix, stehe auch „der Wunsch, dass wir uns dadurch in der Metropolregion Stuttgart auch als starker Standort für die Lehrerbildung weiter etablieren“.

Darauf setzt man auch im Wissenschaftsministerium. Mit der PSE solle die Lehrerbildung aufgewertet und ihre Sichtbarkeit erhöht werden, sagt Sprecherin Denise Burgert. Doch die Möglichkeiten, Studierende genau in Mangelfächer zu lotsen, seien begrenzt. „Weder das Kultus- noch das Wissenschaftsministerium können bestimmen, wer was studiert“, sagt Eberhard Renz, Sprecher des Kultusministeriums.

Das Kultusministerium ermittele einmal im Jahr den Bedarf, das Wissenschaftsministerium lege die Zahl der Anfängerplätze fest und orientiere sich dabei auch an der vorhandenen Ausbildungskapazität. Kurzfristig könne man dem Lehrermangel nur begegnen, indem man Teilzeitkräfte zum Aufstocken ermuntere und Pensionäre einsetze, so Renz. „Am Schluss“, so der Sprecher, „ist es auch eine Geldfrage“.

Für überlaufene Lehramtsfächer wie Englisch oder Deutsch gibt es Beschränkungen

An den Pädagogischen Hochschulen haben die Studierenden nach der Zulassung ohnehin Wahlfreiheit bei den Fächern. Beim gymnasialen Lehramt gibt es zwar für überlaufene Fächer wie Englisch und Deutsch Zulassungsbeschränkungen. Doch Aspiranten auf diese Schulart müssen sich erst nach dem Bachelorabschluss entscheiden, ob sie Lehrer werden wollen. Derzeit, berichtet Burgert, berieten Ministerien und Hochschulen gemeinsam, wie künftig mehr junge Menschen für ein Mint-Lehramtsstudium und andere Mangelfächer gewonnen werden können.