Mathias Böhm hat nach 25 Jahren seinen Beruf an den Nagel gehängt, um Künstler zu werden. Bereut hat er es nicht.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Finanziell gesehen kann man klar sagen: Schön blöd, wer einen solchen Job aufgibt. 25 Jahre hat Mathias Böhm als Mediengestalter gearbeitet. Das Gehalt stimmte, die Kollegen waren nett - und es hätte immer so weitergehen können: Familie, Arbeit, Alltag. Vor sechs Jahren sagte Mathias Böhm aber von heute auf morgen Adieu und wurde das, was er immer schon sein wollte: Künstler.

 

Aber wie wird man Künstler, wenn man nicht den klassische Weg einschlägt? Wenn man nicht während des Akademiestudiums Kontakte geknüpft hat und sich nicht wie viele nach dem Abschluss von Stipendium zu Stipendium hangeln konnte? Mathias Böhm hat schon immer gemalt. Er ist in Filderstadt groß geworden, der Vater war Werkzeugschlosser und hat „viel gezeichnet und tolle Konstruktionen gemacht“, wie er erzählt. Er hat ihn ebenso geprägt wie sein Kunstlehrer in der Schule: Paul Maar, der Erfinder des Sams. Nach der zehnten Klasse war für Böhm klar, dass er etwas Gestalterisches machen möchte. Also lernte er Schriftsetzer.

Die Kunst hat ihn trotzdem nicht losgelassen, er zeichnete und malte nebenher, oft nachts. Das hat gezehrt. „Ich habe in jeder freien Minute Kunst gemacht“, sagt Böhm. Irgendwann war er völlig ausgelaugt. In einer Kur reifte die Idee, den Absprung zu wagen. Plötzlich hatte er den Eindruck, „das falsche Leben geführt zu haben“. Wenn Mathias Böhm heute in seinem Atelier in Filderstadt malt, dann weiß er, dass es die richtige Entscheidung war, auch wenn er offen ausspricht, was fast alle Künstler bestätigen können: „Es ist nicht immer leicht.“

Böhm hat 800 Galerien angeschrieben – vierzig Antworten kamen zurück

Als Böhm den Schritt in die Selbstständigkeit wagte, hat er 800 Galerien angeschrieben. Immerhin vierzig Antworten bekam er zurück, positive, aber auch weniger freundliche. Mit einem Kunstagenten kam er schließlich ins Geschäft, der Honorar verlangt, wenn er einen Künstler auf einer Messe ausstellt. „Der Preis war fair“, so Böhm. Er wusste, dass er nur über eine Galerie auf einer Messe angenommen wird. Schon bei der ersten Präsentation in Salzburg lernte Böhm andere Händler kennen, stellte in Straßburg und Konstanz, in Peking und in Miami bei einer kleineren Messe während der großen Art Basel Miami Beach aus.

Es läuft also nicht schlecht. Auch jenseits von Messen stellt Böhm hier und dort aus, aber es passiert auch, dass sich die Geschmäcker ändern. Im Kunstverein Filderstadt, erzählt er, wolle man derzeit lieber abstrakte Kunst zeigen, weshalb für ihn, den Surrealisten, plötzlich kein Platz mehr sei. Böhm hat inzwischen einige Sammler, aber keine feste Galerie, was den Vorteil hat, dass er Preise und Verkäufe selbst bestimmen kann. Seine wichtigste Plattform ist das Internet, wo er Verkaufsaktionen einstellt, ein Bild des Monats anpreist oder vor Weihnachten auch besondere Angebote macht. Auch Facebook ist extrem wichtig und hat ihm schon manchen Kontakt und Verkauf beschert.

Auch wenn Böhm bedauert, dass diese Werbemaßnahmen Zeit fressen, die er lieber in die Malerei investieren würden, muss es sein. Denn er hat längst feststellen müssen, dass sich nichts schwerer verkaufen lässt als Kunst. „Das Letzte, wofür Leute Geld ausgeben, ist Kunst“, sagt Mathias Böhm. So schleicht ein wohlhabender Uhrmacher seit Jahren um ein Bild von ihm herum, auf dem ein Uhrwerk zu sehen ist – und kann sich doch nicht durchringen, es endlich zu erwerben. Oder ein Profifußballer – er bat Böhm um ein Gemälde für seine neue Wohnung, ging aber selbstverständlich davon aus, dass er es ihm schenken würde.

Im Atelier, sagt Böhm, kann man schnell vereinsamen

Für den Künstler heißt es entsprechend: Maß halten, den Gürtel eng schnallen. „Man muss sich schon einschränken“, sagt Mathias Böhm, „dafür brauche ich heute nicht mehr so viel Urlaub wie früher.“ Er gibt Kurse und versucht, pro Jahr mehrmals auf Messen vertreten zu sein. Früher hätte er Anfragen abgelehnt, die „seiner Ethik widersprechen“, heute sagt er nicht Nein, wenn seine Bilder auf einer Messe zwischen Luxusartikeln präsentiert werden. Seit diesem Jahr arbeitet Böhm auch wieder einen Tag bei seinem alten Arbeitgeber. Als die Anfrage kam, freute er sich, allerdings weniger aus ökonomischen Gründen. „Ich habe den sozialen Aspekt unterschätzt“: Zurückgezogen im Atelier könne man auch schnell vereinsamen.

Hat er Nachteile, weil er nicht an einer Akademie studiert hat? Er hätte gern ein Auslandssemester gemacht, sagt Böhm, aber hat auch beobachtet, dass Akademieabsolventen oft festgefahren seien. „Ich kann dagegen Dinge machen, die man als Studierter nicht machen kann.“ Vielleicht hätten ihm die Kontakte der Professoren geholfen, aber freundlich und zugewandt, wie Mathias Böhm ist, kommt er auch selbst leicht in Kontakt. „Man muss kommunikativ sein“, sagt er. Sein großes Ziel ist es, eines Tages auf der Art Karlsruhe auszustellen. „Ich hoffe, ich schaffe es noch“, sagt er. Und falls je doch nicht, so hat er auch so genug zu tun. „Ich habe so viele Ideen im Kopf, dafür wird mein Leben wahrscheinlich gar nicht mehr reichen.“