Mit Mitte 40 erhält Matthias Jäger eine neue Lunge. Die Transplantation rettet ihm das Leben. Er wünscht sich, dass heute jeder einen Organspendeausweis dabei hat.

Der so lange ersehnte Anruf kam gegen 2 Uhr morgens. „Wir haben eine Lunge für Sie“, sagte die Stimme am anderen Ende der Leitung. Matthias Jäger packte seine Sachen und fuhr ins Klinikum der Universität München. Zwei Jahre hatte er auf diese Nachricht gewartet, Tag und Nacht, immer auf Abruf. Heute lebt der 47-Jährige mit einer transplantierten Lunge ein weitgehend normales Leben und wünscht sich, dass jeder und jede einen Organspende-Ausweis bei sich trägt, ganz gleich, ob darin ein Ja oder ein Nein angekreuzt ist.

 

Matthias Jäger macht Werbung

Samstagnachmittag im Café Seyffer‘s im Stuttgarter Westen. Auf den Tischen liegen Infomaterial und Organspende-Ausweise. Es ist der Tag der Organspende und Matthias Jäger nutzt ihn, um aufzuklären, seine persönliche Geschichte zu erzählen und Vorurteile aus der Welt zu schaffen. Mit seiner offenen und lockeren Art ist es für den Marketingprofi leicht, mit anderen zu sprechen.

Für ihn war der Tag seiner Lungentransplantation „ein Gamechanger“, erzählt er. Doch der Eingriff hatte sein Leben nicht einfach verändert, sondern ihm ein neues geschenkt. „Ich bin eigentlich erst zwei Jahre alt“, scherzt er. Die ersten Anzeichen auf die Krankheit gab es 2015. „Ich bekam plötzlich Probleme mit der Belastung und der Atmung“, sagt er. Ärzte stellten Veränderungen in seiner Lunge fest, eine Lungenfibrose. In deren Verlauf wird funktionierendes Lungengewebe schrittweise durch funktionsloses Bindegewebe ersetzt, es verhärtet und vernarbt. Die Ärzte schätzten seine Lebenserwartung auf drei bis fünf Jahre.

Rund um die Uhr mit der Sauerstoffflasche

2018 war klar, dass er langfristig eine neue Lunge braucht. Das passende Organ wurde im Frühjahr 2020 gefunden. Damals benötigte Matthias Jäger bereits rund um die Uhr eine Sauerstoffflasche. „Unser Schlafzimmer ist im ersten Stock. Manchmal hat er es schon nicht mehr die Treppen hochgeschafft und musste auf dem Sofa übernachten“, sagt seine Ehefrau Melani Vucosav. Mental habe er die Zeit dank seiner Familie und Freunde durchgestanden. „Man weiß, man ist körperlich kaputt, man wartet auf ein neues Organ und gleichzeitig kann es heute oder morgen aber auch zu Ende sein“, sagt er. In diesem Bewusstsein habe er gelebt. Und so lag die ganze Hoffnung auf dem Anruf.

Die meisten Spender sind 50 Jahre oder älter

Jäger sagt, er habe großes Glück gehabt, daher engagiert er sich. Das gehe am besten, wenn man dem Thema ein Gesicht gebe. „Die Menschen sehen dann, dass ich nur da bin, weil jemand mit seinem Ableben, mir mein Leben ermöglicht hat.“ Das Café Seyffer’s hat er aber nicht nur ausgewählt, weil die Betreiber Steffi und André Müller gute Freunde sind, sondern auch, weil mehr als die Hälfte der Spender älter als 50 seien. „Die Leute, die hier ins Café kommen, sind deutlich jünger und haben seltener Kontakt mit solchen Situationen“, sagt er. Doch es gäbe viele Gründe, sich früh damit zu befassen. Sein größtes Anliegen: „Dass jeder einen Organspendeausweis hat, ganz gleich ob da ein Ja oder ein Nein angekreuzt ist.“ Denn was viele nicht bedenken würden, sei, dass im Falle des Falles die Angehörigen gefragt werden. In Deutschland gilt nämlich die Zustimmungsregelung. Das bedeutet, man muss zu Lebzeiten zugestimmt oder abgelehnt haben. Liegt kein Ausweis vor, werden die Angehörigen gefragt. Das belaste laut Jäger zusätzlich und überfordere in der ohnehin schon extremen Situation. Klar müsse jedem auch sein: „Die Chance, ein Organ zu benötigen, ist viel größer, als jemals Spender zu werden.“

Viele Besucher wollten sich einfach austauschen

Im Nachgang ist Jäger mehr als zufrieden. „Wir saßen bis acht Uhr abends im Café und hatten tolle Gespräche. Es kam sogar eine Seniorin vorbei, die davon in der Zeitung gelesen hatte und eine Lungenerkrankung hat“, sagt er. Sie wollte sich einfach austauschen. Besonders freue ihn, dass wie erhofft viele jüngere Menschen zwischen 20 und 40 Jahren einen Ausweis ausgefüllt haben. Vielleicht nur ein Tropfen auf den heißen Stein, doch „ich finde, es war ein toller Erfolg“.