In Stuttgart gibt es deutlich mehr Mauereidechsen als gedacht. Das könnte das Bauen trotz Artenschutz erleichtern. Freibriefe sollte es allerdings nicht geben, meint unser Redakteur Josef Schunder.

Stuttgart - Bauherren wie den Bahnchefs und vielen anderen Beteiligten und Beobachtern war es schon lang ein Dorn im Auge: dass die Bagger erst loslegen können, wenn ein Ersatzlebensraum für Mauereidechsen gefunden ist und Tausende von Tieren mit horrenden Kosten umgesiedelt sind. Nun aber kündigt sich eine gewisse Änderung an, eine Deregulierung, wenn man so will. Das ist der Erkenntnis geschuldet, dass es in Stuttgart eine stabile Population von Mauereidechsen gibt.

 

Die Botschaft, die die Stadt als Auftraggeberin des Gutachtens heute aussenden will, ist klar: In Stuttgart soll das Bauen weiter möglich sein. Noch will es zwar niemand sagen, aber im trauten Gespräch will es auch niemand ausschließen, dass die Deutsche Bahn beim geplanten Bau des neuen Abstellbahnhofes in Untertürkheim ebenfalls auf Beseitigung eines Hindernisses hoffen darf – wenn es denn trotz ernsthafter Suche keine Ersatzhabitate für die dortigen Eidechsen gibt. Dahinter steht der Gedanke, dass es schließlich um Artenschutz geht, nicht um Tierschutz, der jede einzelne Eidechse einschließt. Das mag man bedauern, aber die Art als solche scheint nun wirklich nicht gefährdet zu sein, wenngleich die Zahl von „mindestens 140 000 Mauereidechsen“ in Stuttgart eine Art von Hochrechnung ist – freilich auf einer offenbar soliden Grundlage.

Das Regierungspräsidium mit der Oberen Naturschutzbehörde und die Stadt übernehmen allerdings auch eine große Verantwortung, falls sie nun wie erwartet den Weg freimachen sollten für Ausnahmegenehmigungen. Sie müssen dafür sorgen, dass um die besten Lösungen weiter gerungen wird. Dass es nicht zum Massaker an Mauereidechsen kommt. Dass diese Art in Stuttgart mit ihren Besonderheiten auch künftig nicht gefährdet wird.