Maurizio de Giovanni: „Die Gauner von Pizzofalcone“ Gespür für Zwischentöne

Im gleichnamigen Roman hat er „Das Krokodil“ zur Strecke gebracht. Eigentlich sollte der Karriere von Inspektor Lojacono also nichts mehr im Wege stehen. Doch statt dessen wird der querköpfige Ermittler in Neapels schlimmstes Revier versetzt – zu den „Gaunern von Pizzofalcone“.
Stuttgart - Eine Stadt, sturmbewegt und regenschwer, eine Stadt der Kleinkriminellen und der Megareichen, der Getriebenen und der Treibenden, eine Stadt, in der es offenbar nur eine Gewissheit gibt: nichts ist,wie es scheint. Und mittendrin: Inspektor Lojacono. „Die Gauner von Pizzofalcone“ heißt der neue Krimi, den Maurizio De Giovanni rund um seinen eigensinnigen süditalienischen Helden konstruierte. Und wie schon im „Krokodil“ gelingt dem Autor ein tiefer Blick in die Mechanismen der Gesellschaft von Neapel.
Die schwerreiche Gattin eines Notars wird in ihrer Wohnung ermordet. Der Täter hat so gut wie keine Spur hinterlassen, was den Job von Lojacono und seinen Kollegen nicht leichter macht. Ohnehin haben die Beamten auch noch an einer ganz anderen Front zu kämpfen: sie sind mehr oder weniger strafversetzt an das Kommissariat Pizzofalcone, das wegen einer Korruptionsskandals in der ganzen Stadt berüchtigt ist. Dass die früheren Beamten von Pizzofalcone nicht nur aus niederen Beweggründen gehandelt haben, steht freilich auf einem ganz anderen Blatt – ebenso wie die großen und kleinen privaten Probleme des Ersatzteams um Lojacono.
Und genau das ist es, was auch de Giovannis zweiten Roman ausmacht: er hat ein Gespür für Zwischentöne und Grauschattierungen, er kann, manchmal nur mit zwei, drei Sätzen, die Tragik eines Menschenlebens umreißen, er beherrscht Milieuschilderungen von ganz unten bis ganz oben. Nicht, dass er alle seine Figuren liebte – liebenswert sind ohnehin die wenigsten –, aber er begegnet ihnen mit Respekt.
Und ganz nebenbei: ein origineller Krimi ist das Buch auch noch. Mit einem echten Tötungsdelikt, mit einem vermeintlichen Fall von Sklaverei und mit einer Reihe von Suiziden, die die Polizei längst als belanglos zu den Akten gelegt hat – mit Ausnahme eines älteren Beamten, der die fixe Idee hat, da stimme doch was nicht . . .
Maurizio de Giovanni: „Die Gauner von Pizzofalcone.“ Roman. Aus dem Italienischen von Susanne Van Volxem. Kindler, Reinbek 2015. 396 Seiten, 16,99 Euro. Auch als E-Book, 14,99 Euro.
Unsere Empfehlung für Sie

Andrew Cartmel: Murder swing Auf der Suche nach der letzten Platte
Manche Schallplatten sind ein kleines Vermögen wert – die LP, in der es in Andrew Cartmels „Murder swing“ geht, sogar ein sehr großes. Hans Jörg Wangner hat die mörderische Geschichte rund um eine schwarze Scheibe mit einigem Vergnügen gelesen.

Walter Hansen: Der Detektiv von Paris Vom Kriminellen zum Kriminaler
Wie wird aus einem Ausbrecherkönig ein Polizist? Walter Hansen hat die unglaubliche Geschichte des Sûreté-Gründers François Vidocq aufgeschrieben. Das Jugendbuch „Der Detektiv von Paris“ liest sich auch für Erwachsene sehr spannend, findet unser Killer-&-Co.-Kritiker Hans Jörg Wangner.

Elisabeth Florin: Commissario Pavarotti kam nie nach Rom Auf den Spuren der Nazi-Ratten
Florins neuester Südtirolkrimi heißt „Commissario Pavarotti kam nie nach Rom“ und handelt von einem dunklen Kapitel der Geschichte dieses so schönen Landstrichs: Der Flucht der Nazis nach dem verlorenen Krieg. Gelungen, findet der Killer&Co-Rezensent Lukas Jenkner.

Stephen King: Der Outsider Monsterhatz in Zeiten von Fake News
Stephen Kings neuer Roman „Der Outsider“ handelt von einem unaussprechlichen Verbrechen, für das so schnell ein Schuldiger gefunden werden muss, dass es einen Unschuldigen trifft. Der Altmeister des Horrors beginnt stark, lässt dann aber nach.

Petros Markaris: Drei Grazien Mysteriöse Mordserie im Professorenmilieu
In der griechischen Hauptstadt haben Professoren plötzlich eine deutlich verkürzte Lebenserwartung: Petros Markaris’ neuer Krimi „Drei Grazien“ nimmt den Leser mit in die heiligen Hallen der Athener Universität. Lesenswert, befindet Killer-&-Co-Rezensent Lukas Jenkner.

Jean-Christophe Grangé: „Der Ursprung des Bösen“ Ein cooler Typ ohne Gedächtnis
Ist der Psychiater Mathias Freire wirklich Arzt? Oder nicht vielmehr selbst ein Patient? Am Ende ein Serienmörder? Jean-Christophe Grangé lässt uns an allem zweifeln.