Lässig und sensibel fusionieren Max Herre und das Takeover! Ensemble im Stuttgarter Opernhaus Pop und Kammermusik.
Ganz leicht, fast überirdisch, hängt noch ein Stück von Erik Satie im Raum, klingt aus, während Max Herre auf die Bühne zurückkehrt. Von links schlendert er zu seinem Platz in der Mitte, beginnt schon, verträumt jenes Lied zu singen, vom Mädchen unterm Vordach eines Fachgeschäfts: „Immer wenn es regnet muss ich an dich denken.“ Im Zuschauerraum des Stuttgarter Opernhauses sitzen viele, am Abend des zweiten Weihnachtsfeiertags, die jedes Wort des Textes auswendig kennen. Und „A-N-N-A“, von Max Herre und Freundeskreis veröffentlicht im Februar vor fast 26 Jahren, sorgt beileibe nicht für den einzig magischen Moment an diesem Abend. Parallel zur Ausstellung „Leg dein Ohr auf die Schiene der Geschichte“, die noch bis zum 15. Januar im Stadtpalais einen einzelnen Song von Freundeskreis audio-visuell inszeniert, gibt Max Herre zwei Konzerte an der Staatsoper.
Eigens arrangierte Songs
Miki Kekenj arrangierte seine Songs für Kammerensemble. Zum Freundeskreis, in dem der Rapper nun Platz nimmt, lässig, in schwarzem Anzug, weißen Hemd, mit schwarzer Mütze, gehören Matthias Wehmer am Violoncello, Saskia Simion an der Viola, Max Dommers am Kontrabass, Marlies Klumpenaar an der Klarinette, Hanna Rabe an der Harfe. Miki Kekenj selbst, der Gründer des Ensembles, spielt die Violine. Links von Max Herre die Sängerin Ray Lozano, die mit starker, souliger Stimme einen perfekten Gegenpart zu seinem Sprechgesang bietet.
Das Takeover! Ensemble hat bereits in anderen Kooperationen Pop und Kammermusik zusammengeführt. Max Herres Lieder besitzen, ungewöhnlich genug für einen Interpreten, der zuhause ist in einem Genre, in dem sonst gerne Wortgefechte über schweren Beats ausgetragen werden, einen leichten, poetischen Ton, mal schwärmerisch, mal räsonierend. Hier ist ein Rapper, der in der Pose des ewig Reisenden von seinem Leben erzählt und vom Leben der Menschen, die seinen Weg kreuzten, der seinen Blick weitet auf geschichtliche Zusammenhänge und über Grenzen hinaus – in „Sans Papier“ zum Beispiel, einem Stück, das vom Leben eines Flüchtlings ohne Ausweispapiere erzählt, entstanden 2019, aktueller noch heute, sagt Max Herre, eindringlich, heimatlos, traurig nun in der Oper, begleitet nur von Violine, Kontrabass und Harfe.
Der Saal ist verzaubert
Das Ensemble fängt seinen Gesang auf, umhüllt ihn federleicht und trägt ihn davon. Miki Kekenj stellt Max Herre mit seinen Arrangements in eine romantische Tradition – er berichtet gar, dass er bei der Arbeit inspiriert wurde von Franz Schubert. Alle Musiker lassen sich auf dieses Abenteuer ein mit enormer Freude, spielen lange Intermezzi, fügen den Stücken neue emotionale Facetten hinzu; Marlies Klumpenaars Klarinette verzaubert früh schon den Saal.
Und Max Herre sinniert und vollbringt den Brückenschlag zwischen Pop und Klassik mit einem Fingerschnippen. Er erzählt davon, wie es war, mit 17 in Stuttgart, singt „Wolke 7“, „Tabula Rasa“, „Esperanto“, zuletzt „Wenn der Vorhang fällt.“ Das Takeover! Ensemble breitet eine leise schwebende Melodie unter seiner sonoren Stimme aus, das Publikum klatscht den Takt.