Max Raabe und das Palast Orchester haben im Beethovensaal gastiert

Stuttgart - Haltung ist alles. Wenn sich Max Raabe verbeugt, dann tut er das mit jener diskreten Eleganz, die an Oberkellner in Grand Hotels erinnert: Hals und Oberkörper leicht geneigt, in exakter Linie mit dem Kopf – distinguiert, könnte man sagen, wie alles an Raabes Habitus, der komplett aus der Zeit gefallen wirkt. Kaum verzieht er mal die Miene, allenfalls ein Zucken der Mundwinkel oder ein leichtes Heben einer Braue lässt sich als Hinweis auf Ironie deuten.

 

Wie immer singt Max Raabe auch an diesem Abend im gut gefüllten Beethovensaal eine Mischung aus Liedern der zwanziger und dreißiger Jahre – Schlager möchte man sie nicht nennen – und aktuellen Stücken, diesmal aus seiner neuen CD „Der perfekte Moment“, der ersten nach fünf Jahren. Daraus ist auch Raabes Einstiegssong „Guten Tag, liebes Glück“. Der Text ist banal, er handelt vom Glück, das da angeblich vor der Tür steht und davon, es reinzulassen und ihm „Kaffee oder Tee“ anzubieten. Doch das schlichte Lied, vom Ex-Rosenstolz-Sänger Peter Plate mitkomponiert, kommt eben auch musikalisch nicht in Fahrt, und hier zeigt sich Raabes Problem, wenn es darum geht, neues Repertoire abseits der ausgetretenen Pfade zu gewinnen: Heutige Komponisten der sogenannten leichten Muse sind im Vergleich zu denen der Vorkriegszeit meist musikalische Dünnbrettbohrer.

Man muss sich ans Bewährte halten

Robert Stolz etwa, von dem Raabe danach „Du bist meine Greta Garbo“ und im Verlauf des Abends zwei weitere Lieder singt, war ein umfassend ausgebildeter Komponist und Kapellmeister, der über sechzig Operetten geschrieben hat. Eine musikalische Autorität, wie auch Friedrich Hollaender oder Peter Kreuder, deren Beherrschung des Handwerks eben auch in ihren populären Liedern deutlich wird. Da nützt es dann auch nicht viel, wenn Annette Humpe in ihrem für Raabe komponierten „Ich bin dein Mann“ die Reimlust der Vorkriegshits zitiert und „Möwe“ auf „Löwe“ und „Orang-Utan“ auf „Truthahn“ reimt. Schlechte Musik bleibt schlechte Musik.

So muss man sich an das Bewährte halten – was aber leicht fällt, da das fabelhafte, diesmal durch die Geigerin Cecilia Crisafulli charmant erweiterte Palast-Orchester mit der gewohnten lässigen Souveränität agiert. Auch Klassiker wie „Ich küsse Ihre Hand, Madame“ oder „Singing in the rain“ geraten da zum ungetrübten Hör- und Sehvergnügen, zumal Raabes Stimme auch in den Falsettlagen nichts an Schmelz eingebüßt hat. Angesichts der überhitzten Sexismusdebatte kann man sich freilich fragen, ob demnächst auch verhalten frivole Texte wie „Wenn die Elisabeth nicht so schöne Beine hätt“ als potenziell frauenfeindlich ins Visier genommen werden. Dann, Max Raabe, heißt es: Haltung bewahren.