Was haben Sie getan?

Ich wollte Hennes Weisweiler als Trainer engagieren. Der war gerade in Barcelona entlassen worden. Dem war der VfB aber eine Nummer zu klein. Immerhin hat er mir einen Tipp gegeben und in seinem rheinischen Dialekt gesagt: "Ich hätte 'nen juten Mann für euch. Der is Trainer in Jenf."

 

Gemeint war Jürgen Sundermann von Servette Genf.

Ich habe ihn nicht gekannt und bin mit unserem Geschäftsführer Ulrich Schäfer und dem gesamten Barvermögen des Vereins in die Schweiz geflogen. Sundermann hat einen prima Eindruck gemacht, wir wurden uns schnell einig. Hennes Weisweiler, der auch mit am Tisch saß, hat dann gesagt: "So, dat muss jetzt jefeiert werden." Er hat uns in eine piekfeine Bar geführt, und ich habe Ulrich Schäfer zugeflüstert: "Oh je, der Weisweiler trinkt gern Schampus. Zähl schon einmal unser Geld."

Hat es gereicht?

Eigentlich konnten wir uns nur eine Flasche leisten. Die hatte der Weisweiler aber schon leer getrunken, noch ehe wir richtig saßen. Ulrich Schäfer ist ganz blass geworden und hat vor der Tür noch einmal das Geld gezählt. Wir mussten ja auch noch das Hotel bezahlen. Wir hatten ein Doppelzimmer mit französischem Ehebett und einem Graben in der Mitte. Da ist der Schäfer nachts von der einen Seite reingerollt und ich von der anderen. Am nächsten Tag sind wir wieder nach Hause geflogen. Und Sundermann ist zum Wundermann geworden.

Welche?

Ich habe nie verstanden, warum der VfB die Förderung seines eigenen Nachwuchses so vernachlässigt hat. Das sind große Talente wie Andreas Beck oder Sebastian Rudy weggeschickt worden, und geholt hat man Leute wie Yildiray Bastürk oder Mauro Camoranesi - satte Altstars also, die dem Verein überhaupt nichts gebracht haben. Als Horst Heldt noch Manager beim VfB war, habe ich öfter mit ihm gesprochen und ihm gesagt: "Menschenskinder, lasst doch nicht die jungen Spieler gehen."

Und was hat Horst Heldt entgegnet?

Er hat immer auf den Trainer verwiesen, der die Spieler haben wollte oder eben nicht. Armin Veh hatte mit der Jugend überhaupt nichts am Hut. Heldt hätte sich gegen ihn durchsetzen und sagen müssen: wir setzen auf die jungen Leute, das ist unsere Philosophie. Ein Trainer muss sich immer nach dem Verein richten, nicht umgekehrt. Sonst muss man ihn entlassen.

Hätte der Präsident Erwin Staudt mehr Einfluss nehmen müssen?

Nun, es ist eben sein Führungsstil, die Dinge zu delegieren. Ich habe den Verein anders geführt. Bei mir ist kein Neuzugang verpflichtet worden, bei dem ich nicht mein Plazet gegeben hätte. Ich habe die Spieler zum Teil sogar selbst ausgesucht. Mir kam es immer darauf an, ein ganz enges Verhältnis zu den Profis zu haben. Sie sind der Kern des Vereins. Ich habe mich daher selbst um die sportlichen Belange gekümmert, und ich halte es auch für gut, wenn ein Präsident das tut. Erwin Staudt hat eine etwas andere Sicht in dieser Frage.

Erwin Staudt schuld am Niedergang?

Dann ist er schuld am Niedergang?

Nein, das habe ich nicht gesagt. Ich beurteile Erwin Staudt anders als viele, die ihn jetzt lautstark kritisieren. Der Verein hat ihm einiges zu verdanken. Er hat beispielsweise aus dem VfB einen Mitgliederverein gemacht. Ich war in diesem Bereich nicht so engagiert und habe mir gesagt: es ist immer gut, wenn ich die Leute, die zur Hauptversammlung kommen, persönlich kenne. Heute hat der VfB fast 50000 Mitglieder. Staudt hat es auch geschafft, das Stadion umzubauen - auch das ist eine große Leistung. Mit diesem Vorschlag bin ich damals beim OB Manfred Rommel abgeblitzt, da war die Zeit noch nicht reif. Und Deutscher Meister ist Erwin Staudt auch geworden. Seine Bilanz kann sich also sehen lassen. Ich halte es für falsch, auf ihm rumzuhacken.

Würden Sie sich wünschen, dass er eine weitere Amtszeit dranhängt?

Wenn er selbst das will, bin ich der Meinung, dass er weitermachen sollte. Und wenn er sich aufstellen lässt, dann wird er auch gewählt. Da bin ich ganz sicher.

Auch im Falle eines Abstiegs?

Das weiß ich nicht.

Es heißt, Erwin Staudt sei amtsmüde.

Das halte ich für ein Gerücht. Mir gegenüber hat er nie angedeutet, dass er keine Lust mehr hat. Ich habe auch nicht den Eindruck, dass er resigniert aufgeben will.

Oppositionsgruppen wollen einen neuen Präsidenten installieren. Was halten Sie von diesen Initiativen?

Die Leute, die sich da in Stellung bringen, sollten die Statuten genau lesen. Darin ist eindeutig geregelt, dass nur jemand gewählt werden kann, der vom Aufsichtsrat vorgeschlagen wurde. Da kann keiner aus der Mitte der Versammlung aufstehen und sagen: "Ich will Präsident werden."

Die entsprechende Satzungsänderung hatten einst Sie in die Wege geleitet.

Aus gutem Grund. Ich hatte im Fernsehen Bilder von der Mitgliederversammlung von Eintracht Frankfurt gesehen. Da wollte sich jemand zum Präsidenten wählen lassen, ist auf das Podium gestiegen und hat eine Rede gehalten. Als seine Redezeit zu Ende war, wollte ihm ein Ordner das Wort entziehen - und wurde von dem Mann mit einer ansatzlosen rechten Geraden niedergestreckt. Das war für mich ein unvergessliches Erlebnis. So weit, habe ich mir gesagt, darf es beim VfB nie kommen. Da darf keiner aus einer Laune heraus oder mit falschen Versprechungen Präsident werden. Dafür ist die Sache zu ernst.

Mehr Einflussmöglichkeiten für Mitglieder?

Es gibt Bestrebungen, die Satzung wieder zu ändern und den Mitgliedern mehr Einflussmöglichkeiten zu geben. 

Für eine Satzungsänderung bedürfte es einer Dreiviertelmehrheit. Die wird es nicht geben. Daher sind solche Bestrebungen schon in der Entstehung gestorben. Im Übrigen müsste ein solcher Kandidat ja auch mit einer kompletten Mannschaft antreten, also auch einem neuen Aufsichtsrat. Er müsste also eine Gruppe qualifizierter Leute finden, die auch im Verein einen Namen haben. Da sehe ich hinten und vorne keinen Ansatz.

Wie beurteilen Sie die Arbeit des Managers Fredi Bobic?

Ich bin immer etwas skeptisch, wenn Leute, die gut Fußball gespielt haben, meinen, sie müssten gleich Manager werden. Aber Fredi Bobic ist zumindest einer, der Land und Leute kennt, der hier verwurzelt ist und den Drang hat, gute Arbeit zu leisten. Er hat sich aus kleinen Verhältnissen nach oben gekämpft. Das spricht für ihn.

Reicht das, um ein guter Manager zu sein?

Ich gehe davon aus, dass er sich die notwendigen Kenntnisse, vor allem die betriebswirtschaftlichen, im Wege des Selbststudiums aneignet. Und das Wichtigste ist: er scheint erkannt zu haben, dass er auf die Jugend setzen muss. Das ist für den VfB der richtige Weg. Es dürfen keine Camoranesis mehr kommen.

Was würde es für den Verein bedeuten, wenn der VfB absteigen würde?

Wenn du heute absteigst, ist es viel schwerer als früher, wieder aufzusteigen. Man muss nur schauen, was für Clubs in der zweiten Liga spielen oder sogar noch tiefer. Das sind viele Vereine, die früher in der Bundesliga waren, abgestiegen sind und es nie mehr zurückgeschafft haben. Man muss innerhalb von zwei Jahren aufsteigen, sonst kommt man nicht mehr zurück.

Mit Ihnen als neuem Präsidenten ist der VfB 1975 abgestiegen und zwei Jahre später in die Bundesliga zurückgekehrt. Welche Erinnerungen haben Sie an diese Zeit?

Nach dem Abstieg war ich felsenfest überzeugt davon, dass wir sofort wieder aufsteigen. Aber das erste Jahr ist vollkommen schiefgelaufen. Wir sind Elfter geworden, fast wären sogar die Stuttgarter Kickers vor uns gelandet.

Zurück in die 1. Liga, dank wem?

Was haben Sie getan?

Ich wollte Hennes Weisweiler als Trainer engagieren. Der war gerade in Barcelona entlassen worden. Dem war der VfB aber eine Nummer zu klein. Immerhin hat er mir einen Tipp gegeben und in seinem rheinischen Dialekt gesagt: "Ich hätte 'nen juten Mann für euch. Der is Trainer in Jenf."

Gemeint war Jürgen Sundermann von Servette Genf.

Ich habe ihn nicht gekannt und bin mit unserem Geschäftsführer Ulrich Schäfer und dem gesamten Barvermögen des Vereins in die Schweiz geflogen. Sundermann hat einen prima Eindruck gemacht, wir wurden uns schnell einig. Hennes Weisweiler, der auch mit am Tisch saß, hat dann gesagt: "So, dat muss jetzt jefeiert werden." Er hat uns in eine piekfeine Bar geführt, und ich habe Ulrich Schäfer zugeflüstert: "Oh je, der Weisweiler trinkt gern Schampus. Zähl schon einmal unser Geld."

Hat es gereicht?

Eigentlich konnten wir uns nur eine Flasche leisten. Die hatte der Weisweiler aber schon leer getrunken, noch ehe wir richtig saßen. Ulrich Schäfer ist ganz blass geworden und hat vor der Tür noch einmal das Geld gezählt. Wir mussten ja auch noch das Hotel bezahlen. Wir hatten ein Doppelzimmer mit französischem Ehebett und einem Graben in der Mitte. Da ist der Schäfer nachts von der einen Seite reingerollt und ich von der anderen. Am nächsten Tag sind wir wieder nach Hause geflogen. Und Sundermann ist zum Wundermann geworden.

Der Multifunktionär

Politik

Gerhard Mayer-Vorfelder, geboren am 3.März 1933 in Mannheim, begann seine politische Laufbahn als persönlicher Referent des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Hans Filbinger (CDU). Von 1980 bis 1991 war er Landesminister für Kultus und Sport, von 1991 bis 1998 Finanzminister.

Sport

Von 1975 bis 2000 war Mayer-Vorfelder Präsident des VfB. In dieser Zeit stieg der Club ab, kehrte in die Bundesliga zurück und wurde zweimal Deutscher Meister. Nach seinem Rücktritt war der Genussmensch aus Bad Cannstatt von 2001 bis 2006 Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). Heute ist Mayer-Vorfelder Ehrenpräsident beim VfB und beim DFB sowie Ehrenmitglied in der Fifa und der Uefa.