Cornelia Ptassek ist eine glutvoll bis an die Grenzen ihrer Stimme (und in der Höhe gelegentlich über diese hinaus) singende Medea, Shigeo Ishino ein vom Spiel geradezu durchdrungener, sehr klar artikulierender Kreon, Josefin Feiler mit ihrer Beweglichkeit und mit dem ungefährdeten Glanz ihres Soprans die Idealbesetzung für die jungen Kreusa. Helene Schneiderman, immer noch technisch im Bestzustand, beweist in der Partie der Neris, dass eine grandiose Sängerdarstellerin wie sie selbst Nebenrollen groß machen kann. Und Sebastian Kohlhepp überzeugt als Iason mit enormem Detailreichtum in Stimmklang und Gestaltung: Dieser vielseitige Tenor, der zunehmend auch dramatische Bereiche für sich erobert, ist einer der ganz großen Glücksfälle im Ensemble.

 

Der Dirigent Alejo Pérez, dessen rasche Tempi in der Ouvertüre noch für Kollateralschäden bei Präzision und Koordination sorgen, hat dort seine überzeugendsten Momente, wo er den Sängern Raum lässt, wo er das Orchester dynamisch zurücknimmt und wo er sich der vielen subtil charakterisierenden Details in Cherubinis Partitur annimmt. Im Gegenzug fehlen manchmal der letzte Nachdruck, die letzte dramatische Wucht und der große Bogen. Im Gegeneinander von Singspielton und großer Operndramatik entscheidet sich Pérez meistens für Ersteres – was nicht unbedingt mit dem Ansatz der Regie konform geht. Muss es auch nicht, schließlich passt an diesem Abend vieles nicht zusammen; auch die Wahl der Farbe Schwarz für Medea und bunter Kostüme für den Chor widersprechen eigentlich sowohl der Partitur, deren Interesse vor allem der Titelfigur gilt, als auch dem Ansinnen des Regisseurs.

Von der Idylle in der Umweltkatastrophe

Über dem Orchester hat Johannes Leiacker eine Bühne gestaltet, die sich mit dem Heben des Hauptvorhangs – einer schönen Meereslandschaft – aus der Idylle heraus in ein schäbiges, in Schieflage geratenes Küchenkachelambiente und im Laufe des Stücks dann zunehmend in eine Umweltkatastrophe hinein begibt, deren Vermüllung so endzeitlich wirkt, dass eine Zukunft auf ihr eigentlich nicht vorstellbar ist. Auch deshalb erhalten Iasons zwei Kinder hier eine Kontur, welche die Partitur für sie eigentlich nicht vorsieht: Im ersten Akt übernehmen sie singend eine Brautjungfern-Partie, spielend (vor allem mit Pistolen und Leuchtschwertern) sind Johannes Rempp und Justus Laukemann vom Knabenchor Collegium Iuvenum ständig präsent, und wer wie Konwitschny zeigen will, dass es so nicht weitergehen kann in eine gute Zukunft, für den ist ihre Ermordung auf offener Bühne zwingend.

Zwingend ist auch das von der Regie gesetzte Massaker am Schluss, das sich bereits im wirkungsvoll von der Tontechnik mit Zusatzdonner bestückten Gewitter-Vorspiel zum dritten Akt ankündigte. Konwitschny, letzter Dinosaurier des politischen Regietheaters, lässt (auch das ist die Dialektik, die er liebt) Medea zum Tosen der Elemente in aller Gemütsruhe einen Apfel (!) verzehren – und greift im übrigen zu allen Mitteln, um aufzurütteln. Er zeigt sogar Oralsex zwischen Medea und Kreon, lässt Bilder von Neris’ Vergewaltigung durch den Pöbel aufblitzen, um die widerlichen Mechanismen einer patriarchalischen Gesellschaft bloßzulegen – und nimmt Buhrufe dafür in Kauf. Er legt den Finger in blutende Wunden unserer Zeit. Und glaubt fest an die Kraft der Kunst und daran, dass zumindest einige Zuschauer seine Bilder als Aufforderung verstehen. Man muss das nicht lieben. Aber man kann es tun. Und Cherubinis gut zwei Jahrhunderte alte Kunst so erleben, wie Rilke es tat: Du musst dein Leben ändern.

Die Solisten muss man allein schon deshalb bewundern, weil sie mit der schweren Hypothek des Abends zurechtkommen: In einer eigens erstellten, neuen deutschen Textfassung von Bettina Bartz und Werner Hintze, die nicht gänzlich frei ist von Verzwungenem, wird aus der „Médée“ eine „Medea“ mit (vom Regisseur in ziemlich heutige Sprache übersetzten) Sprechdialogen, in welcher das Singspiel stark dominiert – und dieses Singspiel verlangt den Sängern auch überzeugendes Sprechen ab. Man spürt nun zwar, dass dies nicht deren erste Qualität ist, man erlebt blasse Momente in – trotz Streichungen – anfangs oft länglich wirkenden Sprechszenen, findet die Akteure als Sänger gewiss stärker denn als rezitierende Schauspieler, muss aber aber auch die Professionalität bewundern, mit der sie sich zwischen den Extremen bewegen.

Der Tenor Sebastian Kohlhepp glänzt als Iason

Cornelia Ptassek ist eine glutvoll bis an die Grenzen ihrer Stimme (und in der Höhe gelegentlich über diese hinaus) singende Medea, Shigeo Ishino ein vom Spiel geradezu durchdrungener, sehr klar artikulierender Kreon, Josefin Feiler mit ihrer Beweglichkeit und mit dem ungefährdeten Glanz ihres Soprans die Idealbesetzung für die jungen Kreusa. Helene Schneiderman, immer noch technisch im Bestzustand, beweist in der Partie der Neris, dass eine grandiose Sängerdarstellerin wie sie selbst Nebenrollen groß machen kann. Und Sebastian Kohlhepp überzeugt als Iason mit enormem Detailreichtum in Stimmklang und Gestaltung: Dieser vielseitige Tenor, der zunehmend auch dramatische Bereiche für sich erobert, ist einer der ganz großen Glücksfälle im Ensemble.

Der Dirigent Alejo Pérez, dessen rasche Tempi in der Ouvertüre noch für Kollateralschäden bei Präzision und Koordination sorgen, hat dort seine überzeugendsten Momente, wo er den Sängern Raum lässt, wo er das Orchester dynamisch zurücknimmt und wo er sich der vielen subtil charakterisierenden Details in Cherubinis Partitur annimmt. Im Gegenzug fehlen manchmal der letzte Nachdruck, die letzte dramatische Wucht und der große Bogen. Im Gegeneinander von Singspielton und großer Operndramatik entscheidet sich Pérez meistens für Ersteres – was nicht unbedingt mit dem Ansatz der Regie konform geht. Muss es auch nicht, schließlich passt an diesem Abend vieles nicht zusammen; auch die Wahl der Farbe Schwarz für Medea und bunter Kostüme für den Chor widersprechen eigentlich sowohl der Partitur, deren Interesse vor allem der Titelfigur gilt, als auch dem Ansinnen des Regisseurs.

Von der Idylle in der Umweltkatastrophe

Über dem Orchester hat Johannes Leiacker eine Bühne gestaltet, die sich mit dem Heben des Hauptvorhangs – einer schönen Meereslandschaft – aus der Idylle heraus in ein schäbiges, in Schieflage geratenes Küchenkachelambiente und im Laufe des Stücks dann zunehmend in eine Umweltkatastrophe hinein begibt, deren Vermüllung so endzeitlich wirkt, dass eine Zukunft auf ihr eigentlich nicht vorstellbar ist. Auch deshalb erhalten Iasons zwei Kinder hier eine Kontur, welche die Partitur für sie eigentlich nicht vorsieht: Im ersten Akt übernehmen sie singend eine Brautjungfern-Partie, spielend (vor allem mit Pistolen und Leuchtschwertern) sind Johannes Rempp und Justus Laukemann vom Knabenchor Collegium Iuvenum ständig präsent, und wer wie Konwitschny zeigen will, dass es so nicht weitergehen kann in eine gute Zukunft, für den ist ihre Ermordung auf offener Bühne zwingend.

Zwingend ist auch das von der Regie gesetzte Massaker am Schluss, das sich bereits im wirkungsvoll von der Tontechnik mit Zusatzdonner bestückten Gewitter-Vorspiel zum dritten Akt ankündigte. Konwitschny, letzter Dinosaurier des politischen Regietheaters, lässt (auch das ist die Dialektik, die er liebt) Medea zum Tosen der Elemente in aller Gemütsruhe einen Apfel (!) verzehren – und greift im übrigen zu allen Mitteln, um aufzurütteln. Er zeigt sogar Oralsex zwischen Medea und Kreon, lässt Bilder von Neris’ Vergewaltigung durch den Pöbel aufblitzen, um die widerlichen Mechanismen einer patriarchalischen Gesellschaft bloßzulegen – und nimmt Buhrufe dafür in Kauf. Er legt den Finger in blutende Wunden unserer Zeit. Und glaubt fest an die Kraft der Kunst und daran, dass zumindest einige Zuschauer seine Bilder als Aufforderung verstehen. Man muss das nicht lieben. Aber man kann es tun. Und Cherubinis gut zwei Jahrhunderte alte Kunst so erleben, wie Rilke es tat: Du musst dein Leben ändern.