Die Axel Springer AG verkauft ihre traditionsreichsten Zeitungen und stürzt sich mit aller Macht ins digitale Geschäft. Der Konzern wird radikal umgebaut. Scheitern gehört zur Strategie – nicht nur das glaubt der „Bild“-Chef in Kalifornien gelernt zu haben.

Mit drei langen Schritten kommt Kai Diekmann hinter seinem Schreibtisch hervor, sagt Hallo und fläzt sich teenagerartig ins Ledersofa. Noch hat sich der „Bild“-Chef nicht zurückverwandelt in den Mann, der er früher war. Kein dunkler Anzug, keine Manschettenknöpfe, vorbei ist es mit der Gelfrisur. Da sitzt nun einer der mächtigsten Medienmänner ziemlich verwuschelt mit Riesenbart und Lachfältchen im kalifornisch braunen Gesicht. Er trägt Röhrenjeans und Chucks. Midlife-Crisis?

 

Krise ja, das Internet frisst die gedruckten Zeitungen. Es ist unersättlich, hungert nach Content, verleibt sich die Inhalte ein, deren Produktion Geld kostet, für die aber die Masse der Netzbenutzer bis jetzt keinen Cent bezahlt. „Ich muss zur Kenntnis nehmen“, sagt der Zeitungsmensch Diekmann, „dass die neuen digitalen Möglichkeiten unser Geschäftsmodell zerstören. Was mir möglicherweise im Vertrieb und in der Auflage nicht verloren geht, geht mir an der Werbefront verloren.“ Weil Werbung im Netz anders funktioniert: zielgerichteter, effektiver. Eher Revolution als Evolution ist das, was sich im medialen Ökosystem zurzeit abspielt. Wer überleben will, so glaubt man bei Springer, der darf nicht warten, ob ihm Flügel wachsen, der muss sich welche bauen. Das Dumme ist nur: keiner weiß, wie das mit dem Fliegen geht.

Ideen für die „Bild“ der Zukunft

„Ich komme mir vor wie in einem Airbus auf einem Transatlantikflug, bei dem wir anfangen an den Haupttriebwerken rumzubasteln“, sagt Diekmann. Transatlantik ist ein gutes Stichwort. Den Trip hat Diekmann bereits hinter sich – und geblieben sind der Bart, die Turnschuhe und Ideen für die „Bild“ der Zukunft. Ein knappes Jahr verbrachte der „Bild“-Chef nicht im Springer-Hochhaus, sondern im Silicon Valley, dieser kalifornischen Brutstätte für alles Neue in der digitalen Welt. Hier sitzen die großen Technologiekonzerne und die Großen im Netz – Apple, Intel, Google, Facebook, Netflix. Hier werden die Ideen geboren, die Mediennutzung revolutionieren – das Smartphone, das Tablet, wer weiß, was als Nächstes kommt? Hier versammeln sich die Glückssucher, die wissen, dass auch Apple-Gründer Steve Jobs mal in einer Garage angefangen hat. In ihren Softwareklitschen entwickeln sie immer schneller immer bessere Apps, von denen vorher keiner wusste, dass er sie eines Tages vermissen könnte. Eine App – die Abkürzung für Application, Anwendung – ist nichts anderes als ein Bezahlmodell für Informationen, Musik, Wettervorhersage, Sport, Kleinanzeigen: mediales Kerngeschäft. Hier kann, so die Hoffnung von Springer, ein Medienkonzern lernen, in die digitale Zukunft abzuheben.