Doch Mediziner und Studenten bewegen sich mit ihrer Arbeit in einer rechtlichen Grauzone. Will sich ein Mensch ohne Krankenversicherung in Deutschland ärztlich behandeln lassen, muss er einen Krankenschein vorlegen. Den bekommt er beim Sozialamt - das ist als Behörde aber ebenso wie Krankenhäuser dazu verpflichtet, Illegale bei der Ausländerbehörde zu melden. Damit droht dem Betroffenen die Abschiebung. Seit vorigen September gilt die Meldepflicht zwar nicht mehr für Notfälle, Fachleute halten die deutsche Praxis dennoch für eine der restriktivsten europaweit. Weil in Deutschland Illegale somit keinen Zugang zu regulärer medizinischer Basisversorgung haben, nehmen sich die Medinetze und freie Träger der Wohlfahrtspflege des Problems an. Vom Staat werden sie geduldet, von den Kommunen oft sogar freudig begrüßt. Ohne allgemeine Abschaffung der Meldepflicht oder die Einführung eines anonymen Krankenscheins - wie von den Medinetzen gefordert - sehen sich die Studenten in der Pflicht, ein Menschenrecht zu gewährleisten.

Dass sich wegen der Anfrage an die Ulmer Ärzte die Bezirksärztekammer Südwürttemberg (BezÄK) mit geharnischten Worten an die Studenten wenden könnte, hatte keiner erwartet. "Im ersten Moment waren wir erschlagen von der E-Mail", erinnert sich Kehle, "dabei wollten wir doch eigentlich nur Gutes tun." Hans Kamps ist der Autor des Schreibens. Für den Geschäftsführer der BezÄK hat sich die Sache mittlerweile "insofern erledigt, als dass die Studenten mitgeteilt haben, dass sie keine medizinische Behandlung durchführen wollen." In ausgesucht freundlichem Ton konstatiert er: "Wir freuen uns, dass diese Hilfestellung geleistet wird!"

Doch auf einer Sache besteht der promovierte Jurist: Die kostenlose Behandlung von Patienten verstoße gegen das "Kollegialitätsgebot" und damit gegen geltendes Recht. Davon könne auch die medizinische Versorgung Illegaler nicht ausgenommen werden. "Nur Minderbemittelten darf ein Arzt den Beitrag erlassen", sagt er. Der Arzt habe im Zweifelsfall zu beweisen, dass der Patient wirklich mittellos sei: "Nur wenn er sich sicher ist, verstößt er nicht gegen die Berufspflicht." Vizepräsident Ulrich Clever ist der Menschenrechtsbeauftragte der Landesärztekammer. In seiner Freiburger Praxis behandelt der Gynäkologe auch Illegale. Zu Kamps' Vorstoß sagt er: "Ich kann nicht sagen: das ist falsch." Rechtlich sei genau da das Problem. Das gelte es politisch zu lösen, denn: "In der Praxis gibt es auch Situationen, die das Leben schreibt."