Mit einem Start-up und neuen Produkten will sich das Unternehmen einen wachsenden Markt erobern. Dazu gehört auch ein Gerät für Asthma-Patienten.

Wirtschaft: Ulrich Schreyer (ey)

Waiblingen - Stühle und Tische sind ganz in Weiß gehalten, zudem von unterschiedlicher Höhe, die Wände vielfach aus Glas statt aus festem Mauerwerk. „Als wir in diesem Gebäude anfingen, mussten wir zuerst die alten Wände herausreißen“, berichtet Marc Meier. Meier ist Geschäftsführer von Bosch Healtcare Solutions in Waiblingen und schon das Interieur soll darauf hinweisen, dass es hier um Neues geht: Das Unternehmen ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Stuttgarter Robert Bosch GmbH, „ein Start-up“, wie Meier sagt. „Wir können hier etwas agiler sein als in anderen Bereichen, aber wir sind natürlich immer noch Bosch“, meint der Geschäftsführer. Dies soll ein Hinweis sein gleich auf Zweierlei: Man ist etwas freier als in Konzernstrukturen, sieht sich aber derselben Qualität verpflichtet wie die Muttergesellschaft. Seit drei Jahren schon wurde unter deren Dach getüftelt, 2015 dann Bosch Healthcare Solutions gegründet. Jetzt will Bosch in den wachsenden Markt mit Gesundheit und Medizintechnik einsteigen. Nicht länger soll es bei dem Stuttgarter Unternehmen lediglich um Einspritztechnik für Automotoren oder um elektrische Bohrmaschinen gehen. Doch gerade bei Autos hat Bosch gelernt, Digitalisierung und Vernetzung einzelner Komponenten voranzutreiben.

 

Vernetzung für Medizintechnik

„Das Internet der Dinge“, so vermutet Volkmar Denner, der Vorsitzende der Geschäftsführung, „beeinflusst nicht nur unseren Alltag, sondern wird auch den Gesundheitsbereich massiv verändern“. Und dabei wollen die Stuttgarter mit ihrem geballten technischen Wissen mitmischen. Rund 80 Mitarbeiter sind in der Waiblinger Tochtergesellschaft tätig, zusammengearbeitet wird mit dem Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart und dem Bereich Forschung und Vorausentwicklung, einer Denkfabrik von Bosch in Renningen. Bis 2020 will Bosch in der Medizintechnik einen Umsatz „im mittleren zweistelligen Millionenbereich“ erreichen, so das Ziel von Meier. Als Markt gilt zunächst Deutschland, dann Europa, Gespräche gibt es aber auch schon mit möglichen Partnern für einen weltweiten Vertrieb. Vor einem Kräftemessen mit bereits etablierten Wettbewerbern scheut sich das junge Unternehmen nicht. Die Kunden wollten „Bosch“, schon wegen der aus anderen Bereichen bekannten Qualität, sagt der Geschäftsführer.

Kampf gegen Asthma

Und zudem wird das Start-up auf der Medizintechnikmesse Medica, die in der kommenden Woche in Düsseldorf über die Bühne geht, ein Gerät zeigen, das als regelrechte Weltneuheit gepriesen wird. Es sieht aus wie ein Inhalator und ist, wie die für das Therapiemanagement zuständige Sonja Lauterbach sagt, „das weltweit erste Patientengerät für Asthmatiker“. Wird hineingepustet, misst der „Vivatmo“ den Stickstoffmonoxid-Gehalt beim Ausatmen – ein Hinweis auf den Entzündungsgrad einer Lunge. Ähnlich wie ein Diabetiker kann der Patient somit seine Krankheitsdaten erfassen und diese über eine spezielle App von das „Vivatmo pro“ des Arztes melden, der dann die Therapie entsprechend gestaltet.

Hilfsapp für den Notfall

Eine App führt auch Roland Hüppmeier vor, zuständig für den Bereich „Connected Life“, also vernetztes Leben. Hat jemand Angst bei Nacht im Park, fällt ein Mountainbiker vom Rad oder wird es einem Jogger schlecht, kann der Standort der Person über die App geortet werden. Doch nicht nur dies: Mit der App kann auch ein Lautsprecher aktiviert werden, so dass der entfernte „Begleiter“ über den „Vivatar“ erkennen kann, was los ist. Zudem kann die rund um die Uhr besetzte Notfallzentrale von Bosch informiert werden – auch darüber, welche Krankheiten etwa die in Not geratene Person hat und was zu tun ist. Die Notfallzentrale informiert dann, wenn nötig, auch den Rettungsdienst.

Doch bei all den Neuheiten gibt es auch eine Besinnung auf die Wurzeln: „Seit 100 Jahren beschäftigen wir uns mit Hochleistungskeramik, etwa in Autos“, sagt Inga Schellenberg vom Bosch-Werk in Blaichach im Allgäu. Für die Medizintechnik hat Bosch kleinste Komponenten aus Hochleistungskeramik parat, die beispielsweise als Isolatoren bei medizinischen Instrumenten dienen. Und diese können durchaus auch aus dem 3-D-Drucker kommen: „Das geht schneller als andere Herstellungsverfahren und macht mehr Varianten bei der Gestaltung möglich“, sagt Schellenberg. Wenn Bosch sich nun auf den Gesundheitsmarkt wagt, so sicher auch in der Hoffnung, durch eine breitere Produktpalette auch selbst gesund zu bleiben.