Statt Komplettlösungen am Herzen haben sich Unterstützungssysteme durchgesetzt. Vor 30 Jahren ist das erste Kunstherz eingesetzt worden. Heute bevorzugt man kleine Pumpen.

Stuttgart - Auch Umwege können zum Ziel führen – das gilt auch für die Medizin. Da es immer um das Leben von Patienten geht und nicht nur um technischen Fortschritt, können solche Umwege einen hohen Preis fordern, auch wenn spätere Generationen davon profitieren. Vor knapp dreißig Jahren wurde in Berlin die Premiere des Kunstherzens verkündet. Sie endete als Fehlschlag und kostete letzten Endes einen Patienten das Leben. Er starb nach einer Kunstherzübertragung und anschließender Transplantation.

 

Heute ist man schlauer, hat sich die Einsicht in die Grenzen des Machbaren in der Medizin in diesem Fall durchgesetzt. Heute setzen die Herzchirurgen nicht mehr auf ein voll implantierbares Kunstherz, wie es damals im Jahre 1987 der legendäre Transplantationschirurg Emil Bücherl tat und dabei das Leben eines aus Stuttgart nach Berlin geflogenen Herzpatienten verlor, sondern auf Unterstützungspumpen. Sie sind nicht so spektakulär wie komplette Kunstherzen, aber nützlich und vor allem lebenserhaltend: Das alte Herz bleibt am Platz, parallel dazu wird ein Pumpsystem implantiert, das von außen gesteuert und mit Batterien versorgt wird. Es wird inzwischen auch in der Region Stuttgart, vor allem an der Uniklinik Tübingen und an dem mit Tübingen eng verbundenen Stuttgarter Robert-Bosch-Krankenhaus eingesetzt.

Ein kritischer Weggefährte Bücherls machte sich schon damals wenig Illusionen über die Zukunft des Kunstherzens, dem er nur für absolute Notfälle eine Chance gab. Als echte Alternative zu einem Spenderherzen sei es „vielleicht in fünfzig Jahren vorstellbar“, meinte er. Aber er wies auch darauf hin, dass in Tierversuchen seit Jahren die maschinelle Unterstützung vor allem der linken Herzkammer untersucht werde. Doch der Weg zum klinischen Alltag war noch weit.

Das Kunstherz war schnell Medizingeschichte geworden

Der Chefkardiologe am Stuttgarter Klinikum Thomas Nordt berichtet, dass sich die Lehrmeinung in Sachen Herzersatz im Laufe der Jahre grundsätzlich geändert hat. Als Emil Bücherl mit seiner Pioniertat scheiterte und auch ähnlich gelagerte Versuche mit dem Jarvik-Herzen in Amerika misslangen, zog eine damals junge und tatendurstige Chirurgengeneration mit dem Charité-Chefarzt Roland Hetzer an der Spitze die Konsequenz, nicht mehr auf das voll implantierbare Kunstherz, sondern auf Unterstützungssysteme mit erheblich weniger Risiken zu setzen. Auf einem legendären Kongress von Herzchirurgen in Lyon im Jahr 1988 mit erbitterten Debatten pro und kontra Kunstherz wurden die Weichen gestellt. Das Kunstherz war damals im Prinzip schon zu einem Stück Medizingeschichte geworden. Es wird allerdings in bestimmten Notfällen heute noch verwendet.

Besuchern pflegte der zupackende Chirurg Roland Hetzer bald in Berlin persönlich Herzpatienten vorzuführen, die mit diesen Assistenzsystemen die Wartezeit bis zu einer Transplantation überbrücken konnten und so wichtige Lebensmonate gewannen. Auch heute ist diese Überbrückungsfunktion die wichtigste Aufgabe von Unterstützungssystemen vor allem für die linke Herzkammer. Aber auch schon damals konnten Hetzer und andere Fachkollegen berichten, dass sich mit dieser Hilfe in einigen wenigen Fällen schwer herzkranke Patienten sogar wieder überraschend erholten und nicht mehr auf eine Herzübertragung angewiesen waren. Inzwischen aber, so berichtet der Kardiologe Nordt, lassen sie auch schon einen Dauereinsatz bei Patienten zu, die nicht mehr für eine Transplantation in Frage kommen. Soweit die Statistik zuverlässig ist, werden heute in Europa schon Spitzenwerte von bis zu zehn Jahren Dauereinsatz gemeldet.

Es hat sich allerdings nicht nur die Dauer des Einsatzes von Unterstützungssystemen, sondern auch die Zahl in den vergangenen fünf Jahren deutlich erhöht, berichtet der Tübinger Herzchirurg und Chefarzt Christian Schlensak. Während im vergangenen Jahr nur 300 Herzübertragungen in Deutschland vorgenommen wurden, konnten an den großen Herzzentren in Deutschland 900 Unterstützungssysteme eingesetzt werden, davon 35 in Tübingen. Schlensak, der aus Freiburg kommend seit 2011 in Tübingen ein großes Herzzentrum aufbauen half, hält es für gut möglich, dass durch eine inzwischen erprobte neue Generation von Unterstützungssystemen vom Typ Heartmate III mit verbesserten Pumpeigenschaften der eklatante Mangel an Spenderorganen gelindert werden kann.

Unterstützungssysteme werden immer besser

Doch auch Rückschläge gehören zur Medizin. Vor fünf Jahren wurde an der Universitätsklinik Tübingen einer 68-jährigen Frau ein Unterstützungssystem eingepflanzt, mit dem sie, so der Augenschein bei einem Pressetermin, gut zurechtzukommen schien. Sie ist inzwischen verstorben. Seitdem sind die Unterstützungssysteme ständig verbessert worden, besitzen bessere Kunststoffoberflächen, die der Gerinnselbildung entgegenwirken, haben dünnere Kabel, sind insgesamt kleiner geworden und für den Alltag besser zu handhaben. Was bleibt, ist der regelmäßige Wechsel der Batterien. Sie fungieren als Energiequelle in der Regel vier bis sechs Stunden, manche auch bis zu zehn Stunden und müssen dann wieder ausgetauscht beziehungsweise aufgeladen werden. Ein Schwachpunkt? Man müsse allerdings bedenken, so der Herzspezialist Nordt, dass, wenn ein Patient keine andere Lebensperspektive habe, diese Belastung als hinnehmbar erscheint.

Als vor nunmehr dreißig Jahren sich ein Weg, nämlich der zu dem voll austauschbaren Kunstherzen, als Sackgasse erwies, da kamen auch Zweifel an den Umständen dieses Ansatzes auf. Spielten zu großer Ehrgeiz und mangelnde materielle Unterstützung eine Rolle? Mögen die Umstände auch problematisch gewesen sein, so ist doch aus der Idee des Kunstherzens nach vielen Versuchen und Rückschlägen nun ein technisch ausgetüfteltes Unterstützungssystem geworden, das einem überschaubaren Kreis von schwer kranken Patienten hilft, wichtige Lebensjahre zu gewinnen. Möglich ist dieser Fortschritt geworden, weil man von der großen Lösung Abschied nahm und sich auf das technisch und medizinisch Machbare konzentrierte.

Die neue Generation von implantierbaren Herzpumpen

Herzkumpel
Auch in der Hochleistungsmedizin wird gerne mit werbewirksamen Namen gearbeitet. So ist die neue Generation von Herzunterstützungssystemen mit dem Namen „Heartmate III“ (Herzkumpel) bedacht worden. Sie kommt aus Amerika und ist inzwischen auch in Europa zuge-lassen. Das menschliche Herz wird nicht ersetzt, sondern die implantierbaren Systeme für die linke Herzkammer unterstützen die Pumpfunktion des Herzens bei Patienten, deren Herz zu schwach ist, um das Blut aus eigener Kraft durch den Körper zu pumpen. Die kleine Pumpe wird laut Beschreibung oberhalb des Zwerchfells unmittelbar neben dem Herzen eingesetzt und mit der Hauptschlagader verbunden. Dort übernimmt sie die Funktion der geschwächten linken Herzkammer.

Risiken
Als Hauptrisiken gelten mögliche Gerinnselbild-ungen an den Stellen, an denen Blut und Kunststoff zusammentreffen. Auch das Infektionsrisiko ist nicht zu unterschätzen. Allerdings wird weltweit an weiteren Verbesserungen gearbeitet. Nach Angaben aus Tübingen überleben heute 80 Prozent schwerstkranker Herzpatienten, denen ein Unterstützungssystem eingepflanzt wird und 55 Prozent der Patienten, die bereits in einem Schockstadium eingeliefert werden.