Tropenmediziner der Universität Tübingen haben mit einem internationalen Team einen Lebendimpfstoff gegen Ebola getestet – mit Erfolg, wie sie nun berichten. Noch in diesem Jahr wollen sie die Zulassung beantragen.

Tübingen - Wir können nicht erst morgen, sondern schon heute beginnen“, war die Antwort von Peter Kremsner, Leiter des Instituts für Tropenmedizin der Uniklinik Tübingen, als er gefragt wurde, wie schnell er einen Impfstoff gegen Ebola testen könne. Gestellt hatten die Frage Experten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) im vergangenen Spätsommer, als die Epidemie in Westafrika täglich viele Menschen das Leben kostete. Mehr als 10 000 Patienten sind bisher gestorben. Mittlerweile gehen die Infektionen in allen betroffenen Ländern zurück.

 

Nach der Anfrage ging alles sehr schnell und unbürokratisch, beschreibt Kremsner den Beginn der Impfstoffstudie. Normalerweise dauere es Jahre, bis alle internationalen und lokalen Genehmigungen für eine Studie erteilt würden und bis man die Finanzierung dafür beisammenhabe. Doch im Fall dieser Ebola-Impfstudie konnten die Wissenschaftler direkt loslegen. Am Tübinger Tropeninstitut verfügt man über jahrzehntelange Erfahrung bei der Entwicklung von Impfstoffen und Medikamenten gegen diverse Tropenkrankheiten.

Kremsner und seine Kollegen haben vor allem die Malaria im Blick, erforschen und entwickeln dagegen einen Impfstoff. Die Forschungsarbeiten werden zusammen mit dem Partnerinstitut Centre de Recherches Médicales Lambaréné Cermel in Gabun durchgeführt. Weil man dort viel Erfahrung mit klinischen Studien hat und auch gesunde Freiwillige für diese Tests bereitstehen, konnte man in Lambaréné sofort damit beginnen. Weitere Versuche wurden in Hamburg, Genf und Kenia gestartet.

Kanada hat den Impfstoff bereitgestellt

Nun liegen erste Ergebnisse vor, die heute im Fachmagazin „New England Journal of Medicine“ veröffentlicht werden. „Die Ergebnisse sind vielversprechend. Es gibt eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Impfstoff wirksam ist“, sagt Kremsner bei der Vorstellung der Studie. Hundertprozentig könne man dies aber erst sagen, wenn der Impfstoff unter realen Bedingungen eingesetzt werde – möglicherweise bei einem Ebola-Ausbruch in der Zukunft. Die Zulassung als Impfstoff werde noch in diesem Jahr beantragt.

Bei der Entwicklung eines Impfstoffes gegen die Infektionskrankheit gibt es mehrere Ansätze. Zwei davon sind vielversprechend: Im einen Fall handelt es sich um einen sogenannten Totimpfstoff mit inaktiven Ebola-Viren. Diese lösen im Körper eine Immunantwort aus. Auch dieser Impfstoff wird derzeit getestet. Beim zweiten aussichtsreichen Kandidaten handelt es sich um einen alten Impfstoff, der schon vor etwa zehn Jahren von den kanadischen Gesundheitsbehörden entwickelt und von dem kleinen amerikanischen Unternehmen NewLink Genetics produziert wurde. Im Sommer des vergangenen Jahres hat Kanada den Impfstoff der WHO zur Verfügung gestellt – worauf die WHO die Impfstudie ins Leben rief. Mittlerweile hat der Pharmariese Merck durch eine Fusion mit der amerikanischen Firma die Rechte an dem potenziellen Impfstoff erworben.

Bei dieser Substanz mit dem wissenschaftlichen Namen rVSV-ZEBOV-GP handelt es sich um einen sogenannten Lebendimpfstoff. Ein Virus dient als Taxi für Teile des Ebola-Virus. Man hat sich für das sogenannte Stomatitis-Virus (VSV) als Vehikel entschieden. Dieses einsträngige RNA-Virus kommt bei Nutztieren vor und plagt diese mit Bläschen an der Zunge, den Füßen und am Euter. Für den Menschen ist es ungefährlich. Das Virus hat den Vorteil, dass es sich in Säugetierzellen schnell vermehrt. Diese Viren werden auch bei der Entwicklung anderer Impfstoffe gerne gewählt, etwa auch bei Grippeimpfstoffen.

Im Falle des Ebola-Vakzins wird dem VSV-Virus ein Hüllprotein des Ebola-Virus eingebaut. Das Immunsystem erkennt dieses Oberflächenprotein als fremd und produziert Antikörper dagegen. Im Falle einer Infektion mit dem Ebola-Virus kann ein geimpfter Organismus somit schnell mit der Antikörperproduktion beginnen und das Virus zerstören.

Tests an 138 Freiwilligen mit leichten Nebenwirkungen

Im Tierversuch hat sich dieses Mittel als wirksam erwiesen. „Es hat die Tiere zu einhundert Prozent geschützt, wenn sie die Substanz vor einer Infektion bekommen haben, und sogar noch während der Inkubationszeit“, berichtet der Tübinger Tropenmediziner Kremsner. „Wirkungslos war es, wenn die Krankheit bereits ausgebrochen war.“ Allerdings lassen sich Tierversuche nicht eins zu eins auf den Menschen übertragen. Eine Erfahrung beim Menschen gibt es vielleicht: Vor Jahren hatte sich in Hamburg eine Frau beim Arbeiten in einem wissenschaftlichen Labor versehentlich mit einer möglicherweise kontaminierten Nadel gestochen. Sie wurde sofort mit dem Impfstoff aus Kanada behandelt und überlebte. Allerdings konnte nie endgültig geklärt werden, ob sie sich wirklich infiziert hatte.

In der aktuellen Untersuchung handelt es sich um eine Studie der klinischen Phase I. In dieser Phase wird der Impfstoff an gesunden und aufgeklärten Erwachsenen getestet. „In dieser Phase geht es darum zu  untersuchen, ob das Vakzin schwere Nebenwirkungen hat, und in welcher Menge es gegeben werden muss“, erklärt Kremsner. Man injiziere den Probanden die Substanz einmal intramuskulär in den Oberarm. Dabei würden unterschiedliche Dosierungen verwendet. Die Virenmenge schwankt von 300 000 bis 50 Millionen.

In Lambaréné hätten die Probanden das Mittel gut vertragen, mit nur leichten Nebenwirkungen wie etwa Unwohlsein und Fieber, sagt Kremsner. Bei den Testpersonen in Genf habe sich in einigen Fällen eine Arthritis entwickelt, die sich aber wieder zurückgebildet habe. Gewirkt hat das Vakzin wie gewünscht: Es haben sich Antikörper gebildet. Genug, um das Vakzin weiter zu testen. Daher wird noch in diesem Monat damit begonnen, Kinder und Jugendliche in Lambaréné zu impfen.