Der Mensch sucht die Gesellschaft anderer Menschen. Das ist gut so, denn Freundschaften sind so gut für die Gesundheit wie regelmäßiger Sport.

Stuttgart - Einsamkeit ist schwer zu ertragen und verursacht seelische Schmerzen. Viele Experten sind überzeugt davon, dass dies erhebliche Folgen für die Gesundheit hat. So haben verschiedene Studien gezeigt, dass Einsamkeit mit Bluthochdruck, Herzerkrankungen, Lungenleiden, Depressionen, Schlafstörungen und einem beschleunigten kognitiven Abbau im Alter einhergehen kann. Gilt dann auch der Umkehrschluss? Machen Freunde glücklich und gesund? Laut einer im Fachmagazin „Proceedings“ der US-amerikanischen Akademie der Wissenschaften veröffentlichten Studie heißt die Antwort: Ja.

 

Die Soziologen um die Hauptautorin Yang Claire Yang von der University of North Carolina haben untersucht, wie sich Freundschaften und das Netz sozialer Beziehungen in verschiedenen Lebensstadien – vom Teenager bis zum Greis – auswirken. Hierfür haben die Forscher die Daten von vier Langzeitstudien analysiert, die zusammen alle Altersgruppen abdecken. Die Forscher untersuchten drei Aspekte sozialer Beziehungen: soziale Integration, soziale Unterstützung durch andere Menschen und sozialen Stress. Sie analysierten zugleich, wie die individuellen sozialen Beziehungen mit vier für das Sterblichkeitsrisiko wichtigen Größen assoziiert sind. Zu diesen Faktoren gehören Blutdruck, Bauchumfang, Body-Mass-Index und die Werte für das C-reaktive Protein, die Aussagen zum systemischen Entzündungsgrad erlauben.

Die Forscher stellten fest, dass auch das Alter der Probanden eine gewisse Rolle spielt: In Kindheit und Jugend ist es demnach besonders wichtig, möglichst viele Freunde zu haben. Das können wirklich gute Freunde sein, müssen sie aber nicht. Unterm Strich ist nur die Zahl der Freunde wichtig – was wiederum darauf hinweist, wie gut jemand sozial integriert ist. Je mehr Freunde ein Jugendlicher hat, desto geringer ist sein Risiko, krank zu werden. Es sei eine „dosisabhängige“ Beziehung, wie Yang und ihre Kollegen schreiben.

Gibt es bald Freunde auf Rezept?

Die gesundheitsförderlichen Effekte eines großen Freundeskreises sollen so groß sein wie die von Bewegung und gesunder Ernährung. Das Risiko für Übergewicht verringert sich zum Beispiel stark, wenn ein Teenager eine große Clique hat. (Allerdings gibt es sicher auch Fälle, in denen ein Jugendlicher von Kindesbeinen an dick ist und sich deshalb immer schwergetan hat, Freunde zu finden.) Umgekehrt fördert die soziale Isolation eines Jugendlichen sein Entzündungsrisiko – ganz so, als wäre er ein bewegungsfauler Couch-Potatoe. Optimal ist es natürlich, wenn Ernährung, Bewegung und die Zahl der Freunde top sind.

Gibt es also schon bald Freunde auf Rezept? „Basierend auf diesen Ergebnissen ist es wichtig, Jugendliche und junge Erwachsene dazu zu ermutigen, sich einen großen Freundeskreis aufzubauen und soziale Fähigkeiten für den Umgang mit anderen Menschen zu erwerben, weil das genauso wichtig ist wie eine gesunde Ernährung und körperliche Aktivität“, sagt die Studienleiterin Kathleen Mullan Harris von der University of North Carolina. Es ist sicherlich hilfreich, wenn Eltern ihren Kindern spätestens ab dem Kindergarten die Möglichkeit bieten, viel mit anderen Kindern zu spielen und in Vereinen beispielsweise aktiv am Kinderturnen teilzunehmen oder Fußball zu spielen.

Auch im Alter ist die Zahl der Freunde relevant – es gilt ebenfalls ein „dosisabhängiger“ Zusammenhang. Einsamkeit wirkt sich bei älteren Menschen negativer auf ihr Bluthochdruckrisiko und dessen Therapie aus als etwa eine Diabeteserkrankung. Im mittleren Alter ist dagegen nicht die Zahl, sondern die Güte der Freundschaften wichtig. Offenbar ist es in dieser Lebensphase relevant, gute Freunde zu haben, die einen unterstützen, Hilfe gewähren. Gute soziale Beziehungen sind laut Harris wichtig, um der Entstehung altersassoziierter chronischer Erkrankungen – auch Krebserkrankungen – entgegenzuwirken. „Unsere Analyse macht deutlich, dass Ärzte und alle anderen im medizinischen Bereich Tätigen ihre Anstrengungen verdoppeln sollten, der Öffentlichkeit bewusstzumachen, wie wichtig starke soziale Bindungen während unser aller Leben sind“, fordert Yang.

Gute Ernährung und Bewegung komplettieren das Bild

Wer bewegungsfaule Couch-potatoe-Freunde hat oder selbst ein Couch-Potatoe ist, sollte auch wissen: Schlechte körperliche Fitness in mittleren Jahren (also um den 40. Geburtstag herum) hängt statistisch mit einem kleineren Hirnvolumen 20 Jahre später zusammen. Das hat eine Anfang Februar im medizinischen Fachblatt „Neurology“ erschienene Beobachtungsstudie ergeben. Das deute laut der Studienautorin Nicole Spartano von der Boston University School eine beschleunigte Gehirnalterung an. Spartano vermutet, dass dies damit zusammenhängen könne, dass Blutdruck und Puls oft schon bei geringer körperlicher Anstrengung stark ansteigen, wenn man vergleichsweise wenig fit ist. Diese Blutdruckspitzen könnten sich negativ auswirken. Einen kausalen Einfluss der Fitness auf das Hirnvolumen lässt sich aus diesen Daten allein aber nicht ableiten. „Die Ergebnisse zeigen nur die Assoziation“, sagt Spartano.

Wer etwas für seine kognitive Gesundheit tun möchte, kann sich ebenfalls an Studienergebnissen orientieren: Ende 2015 hatte eine ebenfalls in „Neurology“ veröffentlichte Studie ergeben, dass ältere Menschen, die gerne Fisch, Gemüse und Nüsse essen und wenig rotes Fleisch, ein größeres Hirnvolumen und mehr graue Zellen als ungesünder essende Altersgenossen haben. Wer zusätzlich geistig fordernde Aktivitäten wie etwa digitale Fotografie oder das Herstellen von Quiltdecken mit komplizierten Mustern pflegt, hält sich geistig fit, ergab eine weitere Studie, die im Fachblatt „Restorative Neurology and Neuroscience“ erschienen ist. Die Gedächtnisleistung und das Sprachverständnis sind den Studienergebnissen zufolge besser. Das gilt übrigens auch für Menschen ab 60 Jahren, die regelmäßig Tanztraining zu diversen Musikstilen mitmachen und immer wieder komplizierte Schrittfolgen erlernen müssen. Hilfreich ist natürlich auch – und da schließt sich der Kreis zu den Freundschaften –, dass man dabei regelmäßig andere Menschen ähnlichen Alters trifft und soziale Beziehungen zu ihnen aufbaut.

Freundschaften wollen aber gepflegt sein. Man muss es ja nicht gleich so verbissen sehen wie der US-Schauspieler Kevin Kostner, der gesagt haben soll: „Natürlich ist mir meine Frau wichtig. Aber Freunde sind wichtiger. Eher würde ich auf meine Frau verzichten als auf meine Freunde.“