Erbgut-Untersuchungen helfen, Tumoren optimal zu bekämpfen. Über die Kosten wird heftig gestritten.

Stuttgart - Eine Chemotherapie bei Brustkrebs kann lebensrettend sein, sie ist aber auch körperlich belastend und kann schwere Nebenwirkungen haben. Aber was ist mit den Frauen, bei denen eine Chemotherapie nicht anschlägt oder bei denen sie wegen einer genetischen Veranlagung gar nicht notwendig ist? Was ist, wenn der Tumor so wenig aggressiv ist, dass auf eine Chemo verzichtet werden kann? Nach Zahlen des Bundesverbandes der Deutschen Pathologen trifft dies bei jährlich 80 000 Neuerkrankungen auf mindestens 22 000 Frauen zu.

 

Diese Patientinnen, bei denen eine Chemotherapie mehr schadet als nützt, könnten durch den sogenannten Genexpressionstest herausgefunden werden. Seit zehn Jahren sind entsprechende Tests zugelassen und auf dem US-Markt, seit acht Jahren auch in Deutschland. Aber die zögerliche Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen für den rund 2000 bis 3000 Euro teuren Test wird bei Gesundheitspolitikern zunehmend als eine Zumutung für Frauen empfunden.

Fortschritte bei der Erstattung der Kosten

Jahrelang sind die Kosten nur Privatversicherten erstattet worden. Seit 10. August dieses Jahres können die Tests endlich auch als Kassenleistung abgerechnet werden – ein kleiner Fortschritt, allerdings mit einem Haken: Nur wenn die Tests im Krankenhaus oder in der Ambulanten Spezialfachärztlichen Versorgung (ASV) erfolgen, werden sie von den gesetzlichen Kassen bezahlt. Wer zu einem niedergelassenen Facharzt geht, muss die Kosten selbst tragen. Für die Stuttgarter CDU-Bundestagsabgeordnete Karin Maag, Mitglied im Gesundheitsausschuss des Bundestags, ist dieser Umstand „ein Ärgernis sondergleichen“. Der Hinweis auf die ASV-Einheiten streue Sand in die Augen, denn bisher sei nicht bekannt, dass es „in nächster Zeit so eine Behandlungseinheit“ geben werde. „Viele Frauen müssen sich weiterhin der hoch belastenden Chemotherapie unterziehen, ohne einen Nutzen davon zu haben“, sagt Maag. Im Krankenhaus werden die Tests im Rahmen von Fallpauschalen abgerechnet, aber nicht nur Maag, sondern auch Gisela Kempny, Geschäftsführerin des Pathologen-Verbandes, äußert die Vermutung, dass Krankenhäuser die Diagnostik mit dem Test eher ambulant vornehmen lassen würden.

Die Abrechnung über Fallpauschalen sei „recht theoretisch“, sagt Kempny, denn bei 2000 Euro Testkosten sei die Hälfte der Fallpauschale für eine Behandlung schon weg. „Das kann sich keine Klinik in größerem Umfang erlauben.“

Erstattung in besonderen Einzelfällen

Im Oktober 2013 hat der GKV-Spitzenverband beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), der bundesweit über Kassenleistungen entscheidet, einen Antrag auf Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen gestellt. Seitdem läuft das Verfahren. Anders als bei Leistungen im Krankenhaus darf der G-BA in der ambulanten Versorgung neue ärztliche Untersuchungs- und Behandlungsmethoden erst dann als Kassenleistung anerkennen, wenn ein sogenanntes Methodenbewertungsverfahren durchlaufen ist. Und das ist langwierig. Zurzeit wird der Test vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) geprüft. Auf Anfrage teilte der G-BA nun mit, dass er derzeit „noch keinen voraussichtlichen Zeitpunkt für die Beschlussfassung“ zum besagten Test nennen könne.

Die Techniker-Krankenkasse hat schon vor einem Jahr ihren Mitgliedern den „kostenfreien Test“ zugesagt, wenn sie das Brustzentrum des Klinikums Rechts der Isar in München aufsuchen. Solange andere dem guten Beispiel nicht folgen, hat Karin Maag für betroffene Frauen nur einen Rat: Sie sollten mit den behandelnden Ärzten reden und auf deren Empfehlung bei ihrer Kasse beantragen, dass der Test wegen „eines besonderen Einzelfalls“ auch kostenmäßig übernommen wird. Hierzu hatte 2005 das Bundesverfassungsgericht den Weg geebnet, als es entschied, dass ein GKV-Versicherter, der an einer lebensbedrohlichen Erkrankung leidet, „von der Leistung einer von ihm gewählten ärztlichen Behandlungsmethode“ nicht ausgeschlossen werden darf, wenn die Heilungschance nicht ganz fern liegt.