Frauen sollen sich auf ihre Karriere konzentrieren und den Kinderwunsch auf später verschieben können: zwei Stuttgarter Mediziner, die Eizellen junger Frauen für viel Geld einfrieren, berichten über einen wachsenden Zulauf an Patientinnen.

Stuttgart - Facebook und Apple haben den Stuttgarter Reproduktionsmedizinern Friedrich Gagsteiger und Dieter Mayer-Eichberger einen neuen Kundenstamm beschert. Apple zahlt Mitarbeiterinnen, die ihre Eizellen eingefrieren lassen und damit ihre Familienplanung auf spätere Zeiten verschieben, bis zu 20 000 Euro. Facebook unterstützt das so genannte Social Freezing schon länger. „Die Diskussion, die die US-Konzerne angestoßen haben, wirkt sich aus. Es kommen immer mehr Frauen in die Praxis, die sich Eizellen einfrieren lassen wollen“, erzählt Friedrich Gagsteiger, der im Stuttgarter Königsbau eine Kinderwunschpraxis betreibt.

 

Etwa 50 Frauen lassen jährlich Eizellen einfrieren

Die Diskussion habe vielen Frauen vor Augen geführt, welche Möglichkeiten es gebe, die eigene Fruchtbarkeit zu verlängern. Vor dem Medienhype kamen nur vereinzelt Frauen in die Praxen der Reproduktionsmediziner, um sich über Egg Freezing zu informieren, inzwischen sind es zehn bis 20 Frauen jeden Monat, die nachfragen. Und in jeder Praxis um die 50 im Jahr, die Eizellen einfrieren lassen.

Gagsteiger führt in das Labor, in dem die unbefruchteten Eizellen in einem hüfthohen roten Tank lagern. Der flüssige Stickstoff hat eine Temperatur von minus 197 Grad Celsius, eingefroren sind um die 400 unbefruchtete Eizellen, von denen er einige in einer Wolke aus flüssigem Stickstoff herausholt. Die Möglichkeit, Eizellen einzufrieren, besteht seit mehr als 30 Jahren, angewandt wurde sie lange nur bei kranken Frauen. Auf diese Weise wurde jungen Krebspatientinnen die Chance gegeben, nach einer Chemotherapie schwanger zu werden. „Erst in den vergangenen drei bis vier Jahren ist das Verfahren so perfektioniert worden, dass beim Einfrieren und Auftauen keine Eizellen mehr verloren gehen“, erklärt Gagsteiger. Vitrifikation ist das Zauberwort, das für das Einfrieren notwendige Vitrifikationsset bezieht der Arzt für 200 Euro aus Japan.

Es fehlt an Beratungs- und Therapiestandards

Der 56-Jährige bewirbt das Social Freezing zurückhaltend, es fehle seiner Ansicht nach an Beratungs- und Therapiestandards für Frauen, bei denen keine medizinische Indikation besteht. Die Kriterien sollen im Frühjahr im Rahmen des Netzwerks Fertiprotekt formuliert werden, zu dem sich deutschlandweit mehr als hundert Reproduktionsmediziner zusammenschlossen. „Wir müssen zum Beispiel klären, ab welchem Alter wir gesunden Frauen das Einfrieren von Eizellen empfehlen“, sagt Gagsteiger. Bisher hat der Gynäkologe keinen unter 30-Jährigen gesunden Frauen Eizellen entnommen, um sie einzufrieren. „In der Beratung konnte ich alle überzeugen, dass sie fruchtbar genug sind, um auf natürlichem Wege schwanger zu werden.“

Der Reproduktionsmediziner Dieter Mayer-Eichberger rät dagegen auch jungen Frauen, Eizellen einfrieren zu lassen. „Das ist schlicht Fruchtbarkeitsvorsorge. Es ist wie bei einer Hausratversicherung. Meistens braucht man sie nicht, aber falls doch, ist man froh, sie zu haben.“ 99 Prozent der Frauen brauchten die eingefroren Eizellen nie und könnten sie später spenden – falls die Eizellenspende in Deutschland zugelassen würde. Der Gynäkologe zieht einen weiteren Vergleich: „In Amerika bekommen viele Mädchen zum Abitur eine Brustvergrößerung geschenkt. Besser wäre es, ihnen eine Egg-Freezing-Behandlung zu schenken.“ Auch seiner Tochter, die die Praxis übernehmen wird, hat Mayer-Eichberger zum Social Freezing geraten, allerdings ohne Erfolg.

Eine Behandlung kostet 15.000 Euro

Die Kosten von 15 000 Euro, die für die Behandlung anfallen, sieht Mayer-Eichberger nicht als Problem an: „Das liegt in der Größenordnung eines Kleinwagens. Dafür müssen die Frauen später nicht ins Ausland, um mit einer Fremdeispende doch noch zu einem Kind zu kommen“. In seiner Ansicht bestärkt ihn die Praxis. „Zu mir kommen fast täglich Frauen, die kurz vor den Wechseljahren stehen, aber noch ein Kind wollen. Wir müssen diese Frauen wegschicken“, erklärt Mayer-Eichberger und greift zur Statistik. Vor gut 15 Jahren lag der Altersdurchschnitt der Frauen, die sich einer In-vitro- Fertilisation unterzogen, noch bei 32 Jahren, inzwischen liege er bei 35 Jahren.

Amal Müller (Name geändert) hat sich vor wenigen Wochen zum zweiten Mal Eizellen entnehmen und einfrieren lassen. Die 34-Jährige hat bereits zwei Kinder. Ihr Wunsch aber war es schon immer, fünf Kinder zu haben. Im Moment aber ist die Stuttgarterin beruflich stark eingespannt und ihr Lebensgefährte arbeitet in Norddeutschland. Müller will sicher gehen, dass sie noch einmal schwanger werden kann. „Ich hoffe natürlich, dass mein Lebensgefährte bald nach Stuttgart zieht und es dann auf natürlichem Wege klappt. Aber falls nicht, sind die eingefrorenen Eizellen für mich wie eine Versicherung.“ 7000 Euro zahlt die 34-Jährige für die Behandlung, 20 Euro im Monat kommen für die Lagerung hinzu. „Ein Mann kann so lange wie er möchte Kinder bekommen. Das Social Freezing verlängert auch für die Frauen die Zeitspanne, in der sie schwanger werden kann“, sagt die Ingenieurin.

Pro Familia rät zu einer Beratung im Vorfeld

Für eine Behandlung angemeldet hat sich auch die 26-jährige Mina Mosic (Name geändert). Die gelernte Arzthelferin will Medizin studieren, hat im Moment noch keinen Partner, aber den festen Wunsch, viele Kinder zu bekommen. „Ich selbst habe acht Geschwister und finde es großartig, in einer Großfamilie zu leben.“ Für Mosic steht deshalb fest: zwei bis drei Kinder sollten es schon werden.

Bei Pro Familia Stuttgart rät Marion Janke Frauen wie Mosic und Müller vor der Behandlung zu einer unabhängigen Beratung, stellt aber fest: „Die Frauen kommen nicht zu uns, sondern wenden sich direkt an die Ärzte.“ Generell fordert Pro Familia angesichts der rasanten Entwicklungen in der Fortpflanzungsmedizin eine breite gesellschaftliche Debatte.