Das Transplantationszentrum Stuttgart feiert gerade sein 25-jähriges Bestehen. Patienten warten länger denn je auf ein Spenderorgan.

Stuttgart - Jürgen Geiger wartet seit sechs Jahren auf eine Spenderniere. Jeden zweiten Tag fährt der 65-Jährige nach Backnang zur Dialyse, die Blutwäsche dauert vier, manchmal fünf Stunden. "Wenn ich abends heimkomme, bin ich geschafft." Meist kocht er sich noch eine Kleinigkeit, danach legt er sich ins Bett und hofft, schnell in den Schlaf zu finden. Zwei Nieren hat Geiger in dieser Zeit angeboten bekommen, die letzte am vergangenen Freitag. "Ich war schon im Katharinenhospital, aber dann haben die Ärzte festgestellt, dass die Niere vorgeschädigt war und nicht eingesetzt werden konnte." Die Enttäuschung war groß, als der Rentner am Samstagmorgen mit dem Taxi nach Hause fuhr. Jürgen Geiger ist einer von 270 Patienten, die auf der Warteliste des Transplantationszentrums Stuttgart stehen, das in dieser Woche sein 25-jähriges Bestehen feiert.

 

Sieben bis neun Jahre warten die Patienten im Schnitt auf eine neue Niere. "Als ich vor 20 Jahren als Transplantationsbeauftragter im Klinikum angefangen habe, waren es noch drei bis vier Jahre", erinnert sich Martin Kalus. Der Transplantationskoordinator hat das Gefühl, gegen Windmühlen zu kämpfen: "Bei der Bereitschaft zur Organspende ist Deutschland innerhalb Europas eines der Schlusslichter, und in Deutschland trägt Baden-Württemberg die rote Laterne." Von einer Million Einwohner sind in Baden-Württemberg 15 bereit, ein Organ zu spenden, im Bundesschnitt sind es 16. In den ostdeutschen Bundesländern sieht es besser aus: Dort kommen auf eine Million Einwohner 20 bis 25 Spender - genauso viele wie in Belgien und Österreich, den Ländern also, die ein Widerspruchsverfahren eingeführt haben. Wer dort seine Organe nicht spenden will, muss sich in ein Gesundheitsregister eintragen lassen. Ein solches Verfahren fordert Kalus für Deutschland zwar nicht mehr, dafür aber bessere Aufklärung. "Zumindest einmal im Leben sollten sich die Menschen Gedanken darüber machen müssen, ob sie bereit sind, Organe zu spenden. Stattdessen wird der Tod ausgeblendet."

Transplantationsbeauftrage für mehr Bereitschaft

Was sich Kalus für ganz Deutschland wünscht, sind hauptamtliche Transplantationsbeauftragte in allen Kliniken mit Intensivstation. In Baden-Württemberg muss zwar seit 2006 jede Klinik einen Beauftragten benennen, der diese Aufgabe in der Regel allerdings neben seinem Alltagsgeschäft erledigt. Die Beauftragten sind gehalten, die Deutsche Stiftung Organtransplantation zu informieren, falls bei einem Patienten erste Anzeichen eines Hirntodes auftreten. "Die Regelung ist ein Fortschritt, aber man muss noch immer davon ausgehen, dass nicht alle Fälle gemeldet werden", sagt Kalus. Aufgabe der Transplantationsbeauftragten ist es auch, mit den Angehörigen von Hirntoten zu reden und herauszufinden, ob eine Bereitschaft zur Organspende vorhanden ist. Kalus ist davon überzeugt, dass hauptamtliche Transplantationsbeauftragte, wie es sie in Spanien gibt, die Spenderzahlen in Deutschland deutlich erhöhen würden.

60 bis 80 Patienten bekommen im Stuttgarter Katharinenhospital jedes Jahr eine neue Niere, darunter sind immer mehr Menschen, die eine Niere von einem Angehörigen eingesetzt bekommen. Die Transplantation einer sogenannten Lebendniere ist im Klinikum seit fünf Jahren auch dann möglich, wenn die Blutgruppen nicht übereinstimmen. Nach einer bundesweiten Studie arbeitet bei 75 Prozent der Patienten die transplantierte Niere auch nach fünf Jahren noch, bei Lebendspenden liegt die Quote bei 85 Prozent.

Gerda Schaible hat ihre neue Niere seit drei Jahren. Die Stuttgarterin ist mit ihren 81 Jahren die älteste Patientin, die im Katharinenhospital ein neues Organ bekommen hat. Gerda Schaible ist bis heute dankbar dafür: "Es ist ein ganz anderes Lebensgefühl, nicht mehr jeden dritten Tag zur Blutwäsche zu müssen und sich wieder frei bewegen zu können." 

Organvergabe ist zentral geregelt.

Zahlen

Das städtische Klinikum ist eine von sechs Kliniken im Land, die vom Sozialministerium die Genehmigung haben, Organe zu transplantieren. Die erste Niere wurde in Stuttgart am 8. März 1986 eingesetzt, bis Dezember folgten zehn weitere Transplantationen. Inzwischen setzen sieben Oberärzte im Jahr zwischen 60 und 80 neue Nieren ein.

Kosten

Für die Transplantation einer Niere von einem Angehörigen bezahlen die Kassen etwa 28.000 Euro. Passen die Blutgruppe zwischen Patient und Angehörigem nicht zusammen, so ist eine aufwendige Vorbehandlung nötig, die Fallpauschale beläuft sich dann auf 60.000 Euro. Demgegenüber kostet eine Dialysebehandlung im Jahr 30.000 Euro.

Organisation

Die Vergabe eines Spenderorgans läuft über die Organisation Eurotransplant mit Sitz in Leiden in den Niederlanden. Bei der Zuteilung der Organe spielen drei Faktoren eine Rolle: die Wartezeit des Patienten, die Übereinstimmung von Gewebemerkmalen und schließlich die Organspendebereitschaft im jeweiligen Land.