Vorhofflimmern ist die häufigste Herzrhythmusstörung. Sie wird, besonders bei Hausärzten, nicht immer ausreichend behandelt.

Stuttgart - Rund eine Million Menschen leiden in Deutschland an Vorhofflimmern, und viele von ihnen werden daher mit blutgerinnungshemmenden Mitteln behandelt, um einem Schlaganfall als Folge der Herzrhythmusstörung vorzubeugen. "Die blutgerinnungshemmende Therapie ist bei Vorhofflimmern das A und O zur Schlaganfallprophylaxe, was die neuen Leitlinien aus dem Jahr 2010 auch betonen", sagt der Kardiologe Ivan Diaz von der Universitätsmedizin Charité in Berlin. "Zumindest für Patienten über 60 Jahre, die neben Vorhofflimmern noch sonstige Herzprobleme haben, ist sie nötig." Tatsächlich lassen sich mit der richtigen Therapie mehr als zwei Drittel aller durch Vorhofflimmern bedingten Schlaganfälle vermeiden.

 

Doch als die Wissenschaftler des Kompetenznetzes Vorhofflimmern (AFNET) kürzlich die im bundesweiten AFNET-Register gesammelten Daten von etwa 10.000 Patienten auswerteten, stellten sie fest, dass nicht alle Patienten entsprechend versorgt werden. In größeren spezialisierten Kliniken und Facharztpraxen werden rund 70 Prozent der Patienten nach den Leitlinien behandelt. In Hausarztpraxen und in kleineren nicht spezialisierten Krankenhäusern erhält dagegen nur jeder Zweite die relativ aufwendige Behandlung mit blutgerinnungshemmenden Medikamenten wie zum Beispiel Phenprocoumon. Neue, leichter zu handhabende Medikamente könnten künftig die Situation bei der Schlaganfallprophylaxe verbessern.

Bluthochdruck und Diabetes erhöhen das Risiko

Mediziner suchen jedoch auch nach Möglichkeiten, das teils sehr belastende Vorhofflimmern zu behandeln. Wer an Vorhofflimmern leidet, dessen Herz ist völlig aus dem Takt. Die Übertragung der elektrischen Impulse, die den Herzschlag auslösen, ist gestört. Die Vorhöfe schlagen dann mit sehr hoher Frequenz und die Herzkammern arbeiten entsprechend unregelmäßig. Die chaotischen Kontraktionen empfindet der Einzelne als starkes Herzklopfen oder Herzrasen.

"Wer fortgeschrittenen Alters ist, an Bluthochdruck, Diabetes oder Herzschwäche leidet, Übergewicht, geschädigte Herzklappen oder eine Schilddrüsenüberfunktion hat, hat ein erhöhtes Risiko für Vorhofflimmern", warnt Diaz. Starker Nikotin- und übermäßiger Alkoholgenuss sowie emotionaler Stress können sich ebenfalls negativ auswirken. Eine epidemiologische Studie der Universitätsklinik Aarhus zeigt, dass auch "konventionelle" nichtsteroidale entzündungshemmende Medikamente wie Diclofenac, Ibuprofen und sogenannte Cox-2-Hemmer das Risiko für Vorhofflimmern sehr wahrscheinlich erhöhen.

Das Herz in den richtigen Rhythmus bringen

Das Vorhofflimmern erhöht seinerseits das Risiko für eine Embolie oder einen Schlaganfall. Denn infolge der chaotischen Kontraktionen des Herzens fließt das Blut in kleinen Ausziehungen der Herzvorhöfe besonders langsam. Blutgerinnungshemmende Medikamente sollen verhindern, dass sich in den Herzvorhöfen Gerinnsel bilden, die sich später ablösen und Blutgefäße verstopfen. Eine Möglichkeit, das Vorhofflimmern direkt zu behandeln, besteht darin, das Herz mittels Elektroschock (Kardioversion) oder medikamentös vorübergehend wieder in den richtigen Takt zu bringen. Zur Langzeitstabilisierung des Rhythmusses sind sogenannte Antiarrhythmika nötig. "Da diese Medikamente aber häufig andere gefährliche Herzrhythmusstörungen verursachen, ist bei jedem Patienten ganz individuell zu entscheiden, ob es nicht reicht, den Puls mit Betablockern zu verlangsamen", erklärt Ivan Diaz.

Eine weitere Option ist die Katheterablation, die aber eher als zweite Wahl gesehen wird. Ein über die Leiste eingeführter Katheter verödet mittels Hitze oder hochfrequentem Strom die Herzmuskelzellen dort, wo die Lungenvene in den linken Vorhof mündet. Die so gezogenen Verödungslinien entkoppeln die beiden Regionen elektrisch, so dass das Vorhofflimmern nicht mehr durch die Lungenvenenimpulse ausgelöst werden kann. Doch die Therapien sind oft nur kurzfristig erfolgreich. Nach neun Monaten sind nur etwa 75 Prozent der Behandelten frei von Vorhofflimmern.

Neue Methode ist effektiver

Dieser Prozentsatz könnte sich dank eines neuen Verfahrens, das Herzchirurgen und Kardiologen des Universitätsklinikums Tübingen etabliert haben, deutlich verbessern. Die Muskelfasern im Vorhof werden bei geeigneten Patienten über die Herzaußenseite verödet - unter direkt anschließender Qualitätskontrolle durch einen Herzkatheter innerhalb des Herzens.

Diese aufwendigere Vorgehensweise erfordert eine Vollnarkose. Sie hat jedoch den Vorteil, dass die abgegebene Energie komplett zur Verödung elektrisch aktiver Stellen verwendet wird, ohne dass - wie es bei der Katheterablation der Fall ist - Energie durch den Blutfluss verloren geht. Ein kleines batteriebetriebenes Messgerät im Körper überwacht außerdem den Herzrhythmus. "Die bisher vorliegenden Ergebnisse zeigen, dass mehr als 90 Prozent der mit dieser Methode behandelten Patienten auch nach einem Jahr noch frei von Vorhofflimmern sind", so der Tübinger Herzchirurg Stephen Wildhirt.