In meinem Fach, der Nephrologie, habe ich erleben können, dass sich die Medizin sehr weit vorgewagt hat. Wir haben im Bereich der Dialyse und der Transplantation Möglichkeiten geschaffen, die in schwierigen medizinischen Situationen, auch für ältere Menschen, lebenserhaltend sind. Wir haben aber gleichzeitig erleben müssen, dass wir mit dem Alterungsprozess und mit der Zunahme von Begleiterkrankungen an Grenzen stoßen, die wir nur mit einem immens hohen Aufwand für alle Beteiligten im Medizinsystem bewältigen können. Vor dem Hintergrund einer zunehmenden Okönomisierung wird in der Medizin an menschlichem Einsatz gespart, so dass wir an Grenzen kommen. Den wachsenden Personalbedarf in der Hochleistungsmedizin hat man unterschätzt.

 

Das ist wie bei einer Bergbesteigung: Wir sind an der Spitze angekommen und wissen nicht mehr so recht, wie wir herunterkommen. Wir haben uns nicht optimal bei der Planung auf die Rückkehr vorbereitet. Wir müssen es einerseits bis zum Basislager schaffen und andererseits im Basislager die Ausrüstung auf den neuesten Stand bringen, damit wir das nächste Mal wieder die Spitze erreichen. Wir müssen uns jetzt die Zeit für Grundsatzfragen nehmen: Was können wir leisten, was sollen wir leisten und wo sind die Grenzen? Zu Abstürzen kann es dann kommen, wenn wir einfach nur den eingefahrenen Wegen folgen und nicht fragen, ob das Therapieziel noch richtig ist. Sind wir auf dem richtigen Weg, oder sollten wir umkehren?

Zur Person: Manfred Fromme, Nierenspezialist, Oberarzt für Nephrologie am Stuttgarter Katharinenhospital 1981 bis 1992, danach niedergelassener Arzt in einer nephrologischen Gemeinschaftspraxis in Stuttgart bis 2012.