Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Bereits vor zwei Jahren hat die rot-grüne Landesregierung Maßnahmen ergriffen, um medizinische Versorgungslücken außerhalb der Ballungsräume zu schließen. Im Sommer 2012 wurde das Landärzteprogramm ins Leben gerufen, das mit finanziellen Anreizen Medizinern den Entschluss, sich auf dem Land niederzulassen, erleichtern will. Denn im Gegensatz zum Klischee aus Fernsehserien wie „Der Landarzt“ ist der Job eines Hausarztes auf dem Land kein Zuckerschlecken in idyllischer Umgebung, sondern ein Knochenjob mit Arbeitszeiten bis spät in die Nacht hinein. „Reich werden kann man damit nicht“, sagen erfahrene Landärzte, denn neben der Zeit, die zur Behandlung der Patienten notwendig sei, komme immer mehr bürokratischer Aufwand hinzu, den die Krankenkassen, aber auch die Kassenärztliche Vereinigung (KV) forderten.

 

„Es ist zunächst einmal gesetzlich festgeschrieben die Aufgabe der KV, die ärztliche Versorgung der Versicherten sicherzustellen“, sagt Anna Zaoralek, eine Sprecherin des Landessozialministeriums. Das allein reiche aber aus Sicht der Sozialministerin Katrin Altpeter (SPD) nicht aus. Um Versorgungsprobleme zu lindern, sei das Ministerium mit dem Landärzteprogramm in Aktion getreten. „Akute Fördergebiete“ machte das Ministerium vor zwei Jahren im Ostalbkreis, im Alb-Donau-Kreis, in den Kreisen Tuttlingen und Biberach, im Schwarzwald-Baar- und im Ortenaukreis aus. Ein Mediziner, der sich in einer arztfreien ländlichen Gemeinde niederlässt, wird mit bis zu 30 000 Euro gefördert.

Mittlerweile ist die Liste der akuten Fördergebiete um einiges länger geworden. Der Rems-Murr-Kreis zählt mit fünf Gemeinden ebenfalls dazu: Althütte, Auenwald, Berglen, Großerlach und Spiegelberg stehen aktuell in dem Verzeichnis, das man auf der Homepage des Sozialministeriums findet. „Die Fördergebiete werden regelmäßig aktualisiert“, so die Ministeriumssprecherin.

Seit Juli 2012 wurden landesweit 32 Förderanträge durch das Sozialministerium bewilligt. Vom Ministerium wird die Aktion ob dieser Zahl als „überaus erfolgreich“ bewertet. „Das Landärzteprogramm ist mit fast zwei Millionen Euro ausgestattet und richtet sich insbesondere an Fachärzte für Allgemeinmedizin, Kinder- und Jugendärzte sowie hausärztlich tätige Internisten“, sagt Anna Zaoralek. Erfreulich sei zudem, dass mehr als 45 Prozent der Förderungen auf Ärztinnen entfielen.

Die Höhe der Förderung hänge von verschiedenen Faktoren ab. Zum Beispiel, ob ein voller oder ein partieller Versorgungsauftrag vorliege. Außerdem sei der Betrag davon abhängig, wie ausgeprägt der Ärztemangel in dem betreffenden Gebiet ist, ob dieser bereits akut oder erst in absehbarer Zukunft zu erwarten sei. Es müsse zudem sichergestellt sein, dass dort Neuzulassungen zulässig seien.

Leider habe der Vermieter, dem das in der Anzeige erwähnte Geschäft mitten im Ort gehört, jetzt Mieter gefunden. Dieses Gebäude hätte sich gut als Praxis geeignet. „Wenn es dumm läuft, dann haben wir bald einen Interessenten, aber keine Räume.“ Es gebe im Flecken aber Alternativen, so Jäger, „wir brauchen einen Arzt, der den Mumm hat, zu kommen.“ Viele junge Mediziner schrecke die Bürokratie ab. Eine realistische Möglichkeit sei ein Kooperationsmodell mit dem Ärztehaus. Die Mediziner hätten signalisiert, dass sie sich vorstellen könnten, „eine Satellitenpraxis“ zu eröffnen und einen Mediziner für Großerlach anzustellen.

In Spiegelberg gibt es jetzt sogar einen Hautarzt

Im Nachbarort Spiegelberg mit rund 2100 Einwohnern indes ist es der Kommune gelungen, einen Nachfolger für den Allgemeinmediziner zu finden, der sich zurückgezogen hat. Zwei Ärzte aus Wüstenrot und aus Löwenstein haben in der Praxis in der Finkenstraße im Hauptort Spiegelberg eine sogenannte Nebenbetriebsstätte eröffnet. Diese sei, sagt der Bürgermeister Uwe Bossert, montags, mittwochs, donnerstags und freitags an zusammen 20 Stunden geöffnet.

Dennoch stehen die Räume nur selten leer. Denn es ist „auch mit ein bisschen Glück“ (Bossert) gelungen, zusätzlich eine Hautarztpraxis aus Heilbronn für Spiegelberg zu begeistern. Seit Mitte April werden ebenfalls im Gebäude Finkenstraße 24 Patienten auch hautärztlich versorgt. Die Dependance der Heilbronner Praxis biete sogar ambulante Operationen und Lasertherapie an. Die beiden Ärzteteams teilen sich die Praxis.

Ein Headhunter aus Löwenstein

Anfang vergangenen Jahres hatte Bossert ähnliche Probleme wie sein Kollege in Großerlach. Der Landarzt Wolfgang Helfmann, der seit Mitte der 1980er-Jahre ungezählten Patienten in Spiegelberg geholfen hatte, kündigte dem Bürgermeister damals an, dass er in knapp einem halben Jahr seine Praxis aufgeben werde. Daraufhin habe die Gemeinde eine Anzeige geschaltet und sogar einen Headhunter aus Löwenstein beauftragt, erzählt der Schultes. Schließlich hätten sich drei ernsthafte Interessenten gemeldet. Doch am Ende stand Bossert wieder mit leeren Händen da, denn alle Mediziner seien abgesprungen. Erst die Genehmigung der Nebenbetriebsstätte durch die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Baden-Württemberg habe zum Erfolg geführt. Nach nur einem Monat ohne Arzt im Flecken wurde die Dependance der beiden Mediziner Matthias Mehl aus Wüstenrot und Vladimir Karsula aus Löwenstein Anfang August vergangenen Jahres eröffnet.

Die Kommune habe für die Anwerbeaktion und für die Subventionierung der Anmietung des Gebäudes, in dem die Praxis untergebracht ist, im vergangenen Jahr rund 5000 Euro ausgegeben. Seit die Praxisräume nun auch noch von der Hautarztpraxis Salzer, Arnold, Bühler und Kollegen aus dem benachbarten Heilbronn genutzt werden, komme die Kommune „null auf null raus“, sagt Bossert. Die Gemeinde Spiegelberg bleibe der Hauptmieter der Praxisräume, die Untervermietung an die Mediziner bringe nun aber die vollen Kosten wieder in die Kasse.

Das Landärzteprogramm soll Versorgungsprobleme lindern

Bereits vor zwei Jahren hat die rot-grüne Landesregierung Maßnahmen ergriffen, um medizinische Versorgungslücken außerhalb der Ballungsräume zu schließen. Im Sommer 2012 wurde das Landärzteprogramm ins Leben gerufen, das mit finanziellen Anreizen Medizinern den Entschluss, sich auf dem Land niederzulassen, erleichtern will. Denn im Gegensatz zum Klischee aus Fernsehserien wie „Der Landarzt“ ist der Job eines Hausarztes auf dem Land kein Zuckerschlecken in idyllischer Umgebung, sondern ein Knochenjob mit Arbeitszeiten bis spät in die Nacht hinein. „Reich werden kann man damit nicht“, sagen erfahrene Landärzte, denn neben der Zeit, die zur Behandlung der Patienten notwendig sei, komme immer mehr bürokratischer Aufwand hinzu, den die Krankenkassen, aber auch die Kassenärztliche Vereinigung (KV) forderten.

„Es ist zunächst einmal gesetzlich festgeschrieben die Aufgabe der KV, die ärztliche Versorgung der Versicherten sicherzustellen“, sagt Anna Zaoralek, eine Sprecherin des Landessozialministeriums. Das allein reiche aber aus Sicht der Sozialministerin Katrin Altpeter (SPD) nicht aus. Um Versorgungsprobleme zu lindern, sei das Ministerium mit dem Landärzteprogramm in Aktion getreten. „Akute Fördergebiete“ machte das Ministerium vor zwei Jahren im Ostalbkreis, im Alb-Donau-Kreis, in den Kreisen Tuttlingen und Biberach, im Schwarzwald-Baar- und im Ortenaukreis aus. Ein Mediziner, der sich in einer arztfreien ländlichen Gemeinde niederlässt, wird mit bis zu 30 000 Euro gefördert.

Mittlerweile ist die Liste der akuten Fördergebiete um einiges länger geworden. Der Rems-Murr-Kreis zählt mit fünf Gemeinden ebenfalls dazu: Althütte, Auenwald, Berglen, Großerlach und Spiegelberg stehen aktuell in dem Verzeichnis, das man auf der Homepage des Sozialministeriums findet. „Die Fördergebiete werden regelmäßig aktualisiert“, so die Ministeriumssprecherin.

Seit Juli 2012 wurden landesweit 32 Förderanträge durch das Sozialministerium bewilligt. Vom Ministerium wird die Aktion ob dieser Zahl als „überaus erfolgreich“ bewertet. „Das Landärzteprogramm ist mit fast zwei Millionen Euro ausgestattet und richtet sich insbesondere an Fachärzte für Allgemeinmedizin, Kinder- und Jugendärzte sowie hausärztlich tätige Internisten“, sagt Anna Zaoralek. Erfreulich sei zudem, dass mehr als 45 Prozent der Förderungen auf Ärztinnen entfielen.

Die Höhe der Förderung hänge von verschiedenen Faktoren ab. Zum Beispiel, ob ein voller oder ein partieller Versorgungsauftrag vorliege. Außerdem sei der Betrag davon abhängig, wie ausgeprägt der Ärztemangel in dem betreffenden Gebiet ist, ob dieser bereits akut oder erst in absehbarer Zukunft zu erwarten sei. Es müsse zudem sichergestellt sein, dass dort Neuzulassungen zulässig seien.

Von Bedeutung für die Versorgung im ländlichen Raum seien aber auch Vereinbarungen, die auf Bundesebene zwischen SPD und CDU ausgehandelt wurden. Insbesondere die „Vorfahrt“ für Direktverträge zwischen Krankenkassen und Ärzteverbänden sei ein großer Fortschritt.

Interview mit dem Vorsitzenden der KV

Rund 500 Hausarztpraxen werden in den kommenden Jahren nicht besetzt werden können, schätzt der Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung (KV), Norbert Metke. Dem entgegen zu wirken sei die Aufgabe vieler Beteiligter.
Herr Metke, warum gibt es ein Problem bei der Besetzung von Hausarztpraxen generell und besonders im ländlichen Raum?
Es gibt einen Trend bei den jungen Medizinern, sich eher in eine Facharztrichtung zu orientieren, als in die Allgemeinmedizin. Grundsätzlich haben wir aber Probleme sowohl bei den Haus- wie auch den Fachärzten. Derzeit könnten sich in Baden-Württemberg 289 Haus- und 136 Fachärzte zusätzlich niederlassen. Die jungen Mediziner, wie Akademiker insgesamt, wollen heute tendenziell im städtischen Umfeld mit seinem kulturellen Angebot und den Einkaufsmöglichkeiten wohnen. Allerdings darf nicht vergessen werden, dass sich die Rahmenbedingungen für die Ärzte, die freiberuflich tätig sein wollen, in den letzten Jahren suboptimal entwickelt haben. Ich nenne hier nur Bürokratie und wirtschaftliches Risiko. Wenn sich hierbei nichts Grundlegendes ändert, wird sich die Versorgung mittelfristig anders darstellen.
Wie groß ist das Defizit, in welchen Regionen im Land wird besonders gesucht, wo sind die Engpässe in der medizinischen Versorgung des Rems-Murr-Kreises?
Wir gehen davon aus, dass wir in den nächsten Jahren etwa 500 Hausarztpraxen nicht werden nachbesetzen können. Wo die größte Lücke entstehen wird, wissen wir noch nicht genau, da die Ärzte keine gesetzliche Altersgrenze für die Berufsausübung haben. Im Rems-Murr-Kreis haben wir heute noch eine gute Versorgung, in Schorndorf und Umgebung dürften wir derzeit gar keinen zusätzlichen Hausarzt niederlassen. Der Altersdurchschnitt der Hausärzte ist auch etwas niedriger als im Durchschnitt des Landes.
Was tut die KV, um der Entwicklung entgegen zu wirken?
Die richtige Frage wäre zunächst einmal, wie wichtig Politik und Gesellschaft der freiberufliche Arzt ist, den wir dringend benötigen. Zudem gibt es viele Beteiligte, die hier tätig werden müssen, wir sind hier nur ein Teil davon. Was wir aber tun können, das machen wir auch. Um nur ein paar Beispiele zu nennen: Wir haben eine umfassende Reform des ärztlichen Bereitschaftsdienstes durchgeführt, mit der die Dienstbelastung vor allem im ländlichen Raum deutlich gesenkt wird. Damit beseitigen wir eine wichtige Hürde für die Niederlassung. Wir werben an den Hochschulen, fördern die Weiterbildung im Fach Allgemeinmedizin und haben das Projekt „Regiopraxisbw“ aufgesetzt, das hausärztlich orientierte Ärztezentren im ländlichen Raum unterstützt.
Was kann eine Kommune tun, um eine Hausarztansiedlung attraktiv zu machen?
Wir halten es für essenziell, dass die Gemeinden den Arzt vor Ort ebenso als Standortfaktor begreifen wie den Handwerksbetrieb und daher auch in gleichem Maße Standortförderung betreiben. Gleichermaßen muss sie attraktiv für junge Familien sein: Schulangebot, Kinderbetreuung, Arbeitsplätze in der Umgebung.