Die Medizinisch-Psychologische Untersuchung zur Fahreignung („Idiotentest“) sei erfolgreich, sagen Experten. Sie sehen aber gleichwohl Reformbedarf.

Familie, Bildung, Soziales : Michael Trauthig (rau)

Goslar - Es handele sich um eine kleine, radikale Minderheit, sagt der Präsident des Verwaltungsgerichts München. Die sorge für Verdruss auf den Straßen und mache den Behörden eine Menge Arbeit. Harald Geiger meint alle, die die Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) – volkstümlich „Idiotentest“ genannt – absolvieren müssen. Rund 94 000 Fahrer trifft es jedes Jahr. Das hört sich viel an, ist aber verschwindend wenig angesichts von 53 Millionen Führerscheinbesitzern im Land. Die MPU wühlt die Menschen dennoch auf. Viele fürchten, selbst einmal dran zu sein, hilflos eine unheimliche Prozedur mitmachen zu müssen und schließlich beim Durchfallen nicht mehr ans Steuer zu dürfen. „Aus Sicht der Bevölkerung ist die MPU ein nicht nachvollziehbares und mythenbehaftetes Verfahren“, beschreibt Christian Janeczek vom Deutschen Anwaltverein die Lage.

 

Dies soll sich grundlegend ändern – darüber sind sich die Experten auf dem Verkehrsgerichtstag in Goslar einig. Sie setzen auf mehr Aufklärung, durchschaubarere und rechtsstaatlichere Verfahren und mehr Qualität in den Untersuchungen. Die MPU sei keine Schikane, sondern eine Möglichkeit, sich rasch zu rehabilitieren, stellt etwa Martina Albrecht von der Bundesanstalt für Straßenwesen klar. Sie diene zudem der Verkehrssicherheit und der Prävention, erläutert ein Psychologe. Denn mittels des Tests ließen sich frühzeitig Drogen- und Suchtkarrieren bremsen oder gesundheitliche Schwierigkeiten erkennen.

Meistens kommen Alkoholsünder zum Test

Tatsächlich geht es bei mehr als der Hälfte der Untersuchungen um Alkoholprobleme. Jeder fünfte Test hängt mit Drogen- und Medikamentenkonsum zusammen. Wer wiederholt betrunken oder nur einmal mit mehr als 1,6 Promille am Steuer erwischt wird oder unter Drogen fährt, muss zur MPU. Anlässe für eine derartige Anordnung der Führerscheinstelle können aber auch zu viele Punkte in Flensburg oder aggressives Verhalten sein.

Dass die Behörden dabei manchmal überziehen, Betroffene viel zu spät informieren, beklagt Frank-Roland Hillmann. Der Fachanwalt für Verkehrsrecht erzählt von Mandaten, die Monate nach einem Verstoß aus heiterem Himmel von der Vorladung zur MPU kalt erwischt würden und nun viel Zeit verloren hätten. Die hätten sie aber nutzen können, um eine geforderte Abstinenz zu belegen und sich mit einer Schulung auf die Untersuchung vorzubereiten. „Ohne einen solchen Kurs schafft nämlich kaum jemand den Test“, sagt Hillmann. Er lenkt damit den Blick darauf, dass nur etwas mehr als die Hälfte der Probanden auf Anhieb den Test „besteht“.

Schwarze Schafe auf dem Markt der Berater

Ihm und weiteren Fachleuten stößt zudem sauer auf, dass der Markt dieser Berater kaum geregelt ist. So tummelten sich dort unseriöse Anbieter, die den Leuten das Geld aus der Tasche ziehen, ihnen aber bei der Vorbereitung kaum helfen. Hier sollen künftig, so das Plädoyer des Verkehrsgerichtstags, staatliche Kontrolle und ein System der Zertifizierung den schwarzen Schafen das Handwerk legen. Auch mehr Rechtsschutz muss es nach Ansicht der rund 1900 im Harz versammelten Fachleute geben. Denn bisher kann man die Anordnung zur MPU nicht anfechten. Wer sich verweigert, ist erstmal seinen Führerschein los, und kann dann dagegen klagen. Dies soll der Gesetzgeber nun korrigieren. Daneben soll geprüft werden, ob die Untersuchungsgespräche künftig immer auf Tonband aufzuzeichnen sind. Die Mitschnitte könnten Betroffenen helfen, ein schlechtes Urteil zu akzeptieren oder es ihnen erleichtern, dagegen vorzugehen.

Zu guter Letzt fordert der Verkehrsgerichtstag einen bundesweit einheitlichen Fragenkatalog für die MPUs, weil bisher an dieser Stelle ein ziemlicher Wildwuchs herrsche, was Willkür zumindest wahrscheinlicher mache. Mehr Geld für die Gutachter möchte man allerdings nicht verlangen. Dabei hatte ein Psychologie-Professor angesichts der geringen Honorare schon vor Nachwuchsmangel gewarnt. Und ein Gutachter erzählte, ein engagierter Psychologe, der sich für eine MPU vier Stunden Zeit nehme, komme nur auf 20 Euro in der Stunde: „Dafür klebt mancher Anwalt gerade mal eine Briefmarke aufs Papier.“ Doch so konkret will es die Mehrheit in Goslar nicht haben. Die Vergütung solle „angemessen“ sein, heißt es im Abschlussvotum vage.