Das Ludwigsburger Krankenhaus erweitert nicht nur räumlich, sondern baut auch sein medizinisches Angebot aus. Im Fokus der meist hochtechnologischen Weiterentwicklungen steht die Versorgung von Schwerstkranken.

Ludwigsburg - Das Ludwigsburger Klinikum ist auf Erweiterungskurs – nicht nur räumlich, sondern auch in medizinischer Hinsicht. Während es auf der strukturellen Ebene in den vergangenen Monaten einige Schwierigkeiten gab, etwa den Streit mit der Gewerkschaft Verdi über angeblich überlastete Pflegekräfte oder die Belastungen durch den Umbau der Notaufnahme, ist die medizinische Weiterentwicklung offenbar richtig in Fahrt.

 

Insbesondere bei der Behandlung von schweren Erkrankungen wie Schlaganfall, Herzinfarkt oder Krebs wurden in den vergangenen beiden Jahren zahlreiche Neuerungen eingeführt. Damit vertieft das Klinikum seine Spezialisierung auf Schwerstkranke: „Wir haben unsere Rolle als überregionaler Maximalversorger seit 2014 verfestigt“, sagt Matthias Ziegler, der Regionaldirektor bei der Regionalen Klinikenholding (RKH), zu der auch das Ludwigsburger Krankenhaus gehört.

Erneut als überregionales Traumazentrum zertifiziert

Ein wesentlicher Punkt dabei sei die erneute Zertifizierung als überregionales Traumazentrum im vergangenen Jahr. Damit gilt Ludwigsburg weiterhin als Zentrum für lebensbedrohlich verletzte Patienten: Allein im Jahr 2014 wurden mehr als 200 sogenannte polytraumatisierte – also mehrfach lebensbedrohlich verletzte – Menschen behandelt. Und die Zahl schwer Erkrankter steigt: Während in den vergangenen fünf Jahren die allgemeine Fallzahl um fünf Prozent stieg, legte die durchschnittliche Schwere der Fälle laut Ziegler um 15 Prozent zu.

Angesichts dieser Entwicklung wurde in der Neuroradiologie ein neues Verfahren zur Behandlung bei einem Schlaganfall eingeführt. Dabei wird das Blutgerinnsel im Hirn, das für den Schlaganfall verantwortlich ist, mit Hilfe eines Katheters entfernt. Bislang wurden Patienten mit frischen Schlaganfällen ausschließlich mit gerinnselauflösenden Medikamenten behandelt – das habe beim Verschluss großer Hirnarterien jedoch wenig Erfolg.

„Das neue Verfahren ist spektakulär“, schwärmt Ziegler. Denn die Patienten könnten bei schnellem Handeln mit dieser Methode einen Schlaganfall nahezu symptomfrei überstehen – statt ohne diese Behandlung im Zweifelsfall lebenslang pflegebedürftig zu sein. Zudem sei die Neuroradiologie jüngst so umstrukturiert worden, dass dort nun rund um die Uhr an sieben Tagen die Woche Behandlungen stattfinden könnten.

Neue Methode zur Implantation von Herzklappen

Auch die Therapie von Herzkrankheiten wurde weiter modernisiert. So wird eine neue Methode zur Implantation von Herzklappen angewandt. Statt eines chirurgischen Eingriffs am offenen Herzen kann dabei die künstliche Klappe mit einem Katheter über die Leistenarterie eingeführt werden. Ebenso kann eine sogenannte Mistralklappeninsuffizienz, also die mangelhafte Funktion zweier Herzklappen, mit Hilfe eines Katheters behandelt werden – auch hier entfällt die weit aufwendigere Operation am offenen Herzen. Inzwischen kämen so viele Herzpatienten nach Ludwigsburg, dass die drei bestehenden Herzkatheterlabore nicht mehr ausreichten, berichtet Ziegler: ein viertes sei in Planung.

Ebenfalls neu organisiert wurde die Krebsbehandlung. So wurde ein ambulantes Tumorzentrum eingerichtet, das interdisziplinär betreut wird: Die Patienten werden nicht mehr hin- und hergeschickt, sondern sind immer auf der gleichen Station, werden aber von Medizinern unterschiedlicher Disziplinen behandelt. Ähnlich ist nun auch die Palliativstation für unheilbar Kranke organisiert, die jüngst um vier auf neun Betten aufgestockt wurde.

Forschungspreis für Oberarzt des Klinikums

Zudem wolle man sich in der Onkologie noch weiter spezialisieren, kündigt Ziegler an. Ein Fokus liege bereits auf der Therapie von Lungentumoren, seit Kurzem werde auch eine innovative Behandlungsmethode bei Tumoren am Bauchfell angewandt. Außerdem gibt es bereits Erfahrungen mit einer neuen Methode zur Entfernung von gutartigen Polypen im Darm, die eine Vorstufe von Darmkrebs sein können. Dafür erhielt der Oberarzt Arthur Schmidt 2015 den Endoskopie-Forschungspreis der Olympos Europa Stiftung und der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten.

Weitere medizinische Neuerungen sind geplant. So soll die neue Notaufnahme mit einem intraoperativen MRT (Magnetresonanztomographie) ausgestattet werden, mit dessen Hilfe bereits während Operationen die Arbeit der Chirurgen begutachtet werden kann. Zudem könnte Ludwigsburg landesweit zum ersten Standort einer Druckkammer für Sauerstofftherapien werden, die rund um die Uhr eine Notfallbehandlung ermöglicht. Seit gut einem Jahr ist die Anlage, in der Patienten mit speziellen Erkrankungen wie etwa nach Tauchunfällen oder Rauchgasopfer behandelt werden, tagsüber im Einsatz. Derzeit laufen Gespräche mit dem Land über einen künftigen 24-Stunden-Betrieb.

Neue Räume und neues Personal

Chefärzte
– Das Ludwigsburger Klinikum hat 2015 gleich zwei neue Chefärzte eingestellt: Oliver Sakowitz als Ärztlichen Direktor der Klinik für Neurochirurgie und Oliver Hautmann als Ärztlichen Direktor der Zentralen Notaufnahme und der gesamten Notfallversorgung.

Bauvorhaben
– Bis Ende des Jahres soll das Mutter-Kind-Zentrum fertig sein, das derzeit gebaut wird. Auch der Umbau der Notaufnahme zu einer interdisziplinären und hochmodernen Anlaufstelle für Notfälle soll Ende 2016 oder spätestens Anfang 2017 abgeschlossen sein. Das Vorhaben kostet rund 25 Millionen Euro, das Land hat nun einen Zuschuss von zwölf Millionen Euro bewilligt. Die Räume, die durch das neue Mutter-Kind-Zentrum frei werden, sollen zum Ausbau der Intensivstation genutzt werden. Langfristig will man zudem die Stationen sanieren, die in die Jahre gekommen sind.

Holding
– Das Ludwigsburger Krankenhaus ist nur eine von zehn Kliniken im Verbund der Regionalen Klinikenholding (RKH), die weiteren sind in Bietigheim, Vaihingen, Markgröningen, Marbach, Neuenbürg, Bruchsal, Bretten sowie in Mühlacker, wo die Holding neben einem Krankenhaus auch eine Rehaklinik betreibt. Getragen wird die RKH von mehreren Kreisen und Kommunen, sie ist nach eigenen Angaben mit ungefähr 111  000 Patienten pro Jahr der größte Anbieter von stationären Leistungen in Baden-Württemberg. Die Nettolohnsumme, die jährlich an die rund 7700 Mitarbeiter gezahlt wird, beträgt rund 325 Millionen Euro. Der Stromverbrauch in den Krankenhäusern der Holding ist insgesamt höher als jener in der gesamten Stadt Kornwestheim.

Finanzen
– Der Gesamtumsatz der RKH im Jahr 2014 betrug 750 Millionen Euro. Für die zur Holding gehörende Klinikgesellschaft Ludwigsburg-Bietigheim wird für 2016 mit einem Verlust in Höhe von rund 2,6 Millionen Euro gerechnet – was vor allem daran liegt, dass die kleineren Häuser in Marbach und Vaihingen defizitär sind, während die größeren in Ludwigsburg und Bietigheim solide dastehen. Allerdings geht die RKH davon aus, dass das tatsächliche Ergebnis am Ende des Jahres besser ausfallen wird als geplant: etwa, weil nach der Verkleinerung der Klinik in Vaihingen viele Flächen frei wurden, die noch vermietet werden sollen. Auch mehrere Zuschüsse, deren Höhe noch nicht feststeht, konnten im Unternehmensplan nicht eingerechnet werden. (tim/meb)