Gemäß neuer Kalkulationen werden die Krankenhäuser im Landkreis dauerhaft ein Minus erwirtschaften. Erhofft war die Schwarze Null. Damit scheint eine weitere Konzentration in der künftigen Flugfeldklinik unvermeidbar.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

Böblingen - Protokolle von Aufsichtsrats-Sitzungen bleiben üblicherweise unter Verschluss. In diesem Fall allerdings schien dem Landrat Roland Bernhard ratsam, die Öffentlichkeit zu informieren. Die Geschäftsführer des Klinkverbunds Südwest hatten den Aufsichtsräten erklärt, dass die Kliniken im Landkreis über Jahre hinweg Verluste erwirtschaften werden. Ursprünglich hatten sie das Gegenteil erhofft. Auf zehn Millionen Euro jährlich schätzt der kaufmännische Geschäftsführer Martin Loydl das Minus, das die Krankenhäuser in Leonberg, Herrenberg und die zukünftige Großklinik auf dem Flugfeld erwirtschaften werden.

 

Damit werden neue Einsparungen unvermeidbar, und ein alter Streit droht neu aufzuflammen. 2014 hatte der Kreistag das künftige Medizinkonzept der Kliniken beschlossen. Verbunden war die Entscheidung mit der Hoffnung, dass unter den Jahresabschlüssen der Zukunft eine Null steht.

Bis zu 23 Millionen Euro Defizit waren auszugleichen

In der Vergangenheit hatte der Landkreis kräftige Defizite ausgleichen müssen. In der Spitze erreichte der Verlust im Jahr 2014 die Summe von mehr als 23 Millionen Euro. Schon der damalige Beschluss hatte beinhaltet, dass der Betrieb in der neuen Flugfeldklinik konzentriert werden sollte. Die verbleibenden Krankenhäuser in Leonberg und Herrenberg sollen zwar die Grundversorgung von Patienten übernehmen, Spezialbehandlungen sollen aber dem neuen Krankenhaus vorbehalten sein. Die Konzentration war im Kreistag auf empörten Widerstand aus Leonberg und der näheren Umgebung gestoßen.

Wegen der dauerhaften Verluste werden in den kleineren Kliniken mehr Abteilungen geschlossen werden müssen als ursprünglich gedacht. „Wir dürfen gar nicht anders“, sagt Ingo Matheus, der Pressesprecher des Klinikverbunds. Der Gesetzgeber schreibt Mindestmengen für Behandlungen vor, um deren Qualität zu sichern. Beispielsweise sollen vergleichsweise ungeübte Ärzte keine künstlichen Kniegelenke einsetzen dürfen. 50 Operationen halten die Gesundheitspolitiker für das Minimum. Kliniken, die weniger Kniegeschädigte behandeln, erstattet die Krankenkassen die Kosten nicht mehr. Im Jahr darauf darf die Behandlung nicht mehr angeboten werden. Gleiches gilt für andere Spezialbehandlungen wie Leber- oder Nierentransplantationen, Stammzellentransplantationen oder die Versorgung von Frühchen.

Der Landrat warnt Kritiker vor Versuchen, den Grundsatzbeschluss zu kippen

Wie die Schwarze Null erreicht werden kann, ist laut Matheus völlig offen. Die offizielle Sprachregelung lautet, dass das Medizinkonzept fortgeschrieben werden müsse. Der Landrat warnt Kritiker vor Versuchen, den Grundsatzbeschluss zu kippen. „Wer anfängt, die Medizinkonzeption in Frage zu stellen, gefährdet unser Ziel, die Kliniken in kommunaler Trägerschaft zu behalten“, sagt Bernhard.

Tatsächlich muss der Landkreis sein Konzept gegen Kritik von höherer Stelle verteidigen. Die kleineren Standorte sollen nicht nur erhalten bleiben. In Leonberg werden 59 Millionen Euro in die Modernisierung und Spezialisierung investiert, in Herrenberg 28 Millionen Euro. In anderen Landkreisen sind hingegen Schließungen beschlossen oder gelten als unvermeidbar.

Dies entspricht dem Willen der Krankenkassen und Gesundheitspolitiker. Der AOK-Chef Martin Litsch hatte zum Jahresende von „einer dramatischen Überversorgung“ gesprochen und mehr Willen zur Konzentration gefordert. „Wenn Gelegenheitschirurgen am Werk sind, ist der Erfolg einer Operation Glückssache“, sagte er. Der Landes-Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) hält gar eine Schließungswelle für unvermeidbar. Lucha sagt unter dem Beifall der Landes-AOK voraus, dass von den 250 Krankenhäusern in Baden-Württemberg 200 erhalten bleiben werden.

Laut Matheus sind Debatten um den Erhalt möglichst vieler Abteilungen ohnehin nutzlos. Solcher Zwist sei „nicht aus der Sicht der Patienten heraus gedacht“, sagt der Pressesprecher des Klinikverbunds. „Die suchen sich ohnehin eine spezialisierte Klinik und nehmen weite Wege in Kauf.“