IdeenwerkBW-Schwerpunkt Medizintechnologie in Baden-Württemberg, Teil 1: Die Tübinger Beteiligungsfirma SHS spezialisiert sich ausschließlich auf Medizintechnologie – und ist mit dieser Fokussierung auf ein schwieriges, nachhaltiges Thema in Deutschland ein Sonderfall.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Tübingen - Das Stichwort Idylle ist nicht übertrieben. Hubertus Leonhardt, einer der fünf Partner der Beteiligungsgesellschaft SHS hat den ruhig dahinfließenden Neckar in Tübingen direkt vor der Tür. Linker Hand schweift der Blick sogar auf die Postkartenkulisse an der Neckarbrücke. Die Welt der Medizintechnologie ist eine andere als die der hippen Konsumenten-Startups oder der in die Entwicklungsprozesse der Industrie eingebundenen Digitalisierungsideen.

 

Vor zwanzig Jahren hätten die eigentlich anderswo in Deutschland beheimateten Initiatoren des Fonds den Standort Tübingen gezielt ausgewählt, sagt er. Zentral genug, um über den Flughafen Stuttgart auch die Welt erreichen zu können. Vor allem aber innerhalb eines Radius gelegen, in dem in Süddeutschland, aber auch in der nahen Schweiz viele Unternehmen und Startups aus dem Bereich Medizintechnologie gedeihen. „Sie wollen möglichst binnen zwei bis drei Stunden am Schreibtisch des Unternehmens sitzen“, sagt Leonhardt.

Baden-Württemberg ist ein Schwerpunkt für Medizintechnologie

Im Raum Tuttlingen und Balingen liegt in Baden-Württemberg traditionell ein Schwerpunkt, die Universität Tübingen hat mit ihren Fachleuten und medizinischen Einrichtungen ein großes Renommee, etwa für medizinische Studien. Zwar gibt es in Tübingen auch Unternehmen der Biotechnologie wie etwa Curevac, in das der Microsoft-Gründer Bill Gates investiert hat.

Doch hier und im Bereich Pharma kann es gleich einmal um dreistellige Millionenbeträge gehen. „Das ist für uns nicht geeignet,“ sagt Leonhardt. SHS investiert in einzelne Unternehmen maximal im zweistelligen Millionenbereich und konzentriert sich deshalb ganz auf den Bereich der Medizintechnik – und ist mit diesem Fokus einmalig in Deutschland. Für Implantate oder medizinische Geräte sind die Investitionssummen nicht ganz so hoch und die Genehmigungsverfahren nicht ganz so lang.

Wer bei SHS einsteigen will, braucht eine Million

Wer an einem der etwa alle vier bis fünf Jahre neu aufgelegten Fonds teilhaben will, sollte mindestens ein bis zehn Millionen Euro mitbringen. Das sind Beträge, die etwa für die Investmentzweige von Mittelständlern, die so genannten „familiy offices“, maßgeschneidert sind. Institutionelle Investoren steigen auch mit höheren Summen ein. Auch im Bereich der Medizintechnologie sind für Investoren die Herausforderungen und das notwendige Spezialwissen hoch. Das schnelle Geld ist hier nicht zu machen. Doch das wollen die Anleger, zu denen Pensionsfonds und Versorgungswerke gehören, auch nicht – sie wollen Nachhaltigkeit. Es geht um Rendite, nicht um Idealismus – aber ethische Standards gehören dazu.

Immerhin seien hier die Entwicklungen berechenbarer als im Pharmabereich, wo es es ein viel größeres Lotteriespiel sei, ob eine Entwicklung am Ende funktioniere, sagt SHS-Partner Leonhardt. „Der Markt wächst, Innovationen werden belohnt und mit neuen Produkten lassen sich Marktanteile gewinnen“, sagt Leonhardt. „Gleichzeitig gibt es im Gesundheitsmarkt einen Kostendruck und den Wunsch nach hoher Qualität.“ All dies sei ein Nährboden für neue Ideen. Am Besten sei es, wenn man die Krankenkassen davon überzeugen könne, dass sie bei mindestens gleichen Standards Kosten sparen könnten. Es geht deshalb nicht nur darum, ob ein Produkt funktioniert, sondern ob es sich rechnet. „Sie brauchen da auch ein gesundheitsökonomisches Gutachten,“ sagt Leonhardt.

Gründer brauchen starke und geduldige Partner

Doch insbesondere Gründer in diesem Bereich brauchen von vornherein starke und auch geduldige Partner. „Die regulatorischen Aufwendungen steigen auch für kleinere Unternehmen. Sie haben einen höheren Kapitalbedarf als vor 20 Jahren“, sagt Leonhardt. Man benötige für jedes Land, in dem man sein Produkt anbieten wolle, regulatorische Kompetenz und man müsse die Erstattungssysteme verstehen. Kleine Firmen und Startups stoßen hier schnell an ihre Grenzen.

„Bis ein Unternehmen mal die erste Rechnung schreiben kann, ist viel Wasser den Neckar hinuntergeflossen“, sagt Leonhardt: „Für eine Zulassung können auch einmal vier bis fünf Jahre ins Land gehen – erzählen Sie das einer Bank.“ Der Ausleseprozess ist knallhart. Von 300 bis 400 Projekten, die sich SHS jedes Jahr anschaut, schaffen es vielleicht 20 in die Endauswahl – investiert wird dann am Ende in drei oder vier.

Wo investiert SHS?

Das vor zwei Jahrzehnten gegründete Beteiligungsunternehmen SHS investiert etwa ein Drittel in Startups, ein Drittel in Unternehmen, die expandieren wollen und ein weiteres Drittel in das Thema Übernahmen. Mit 20 Unternehmen im Portfolio haben die Tübinger in den vergangenen zwei Jahrzehnten rund 300 Millionen Euro investiert. Zwei Börsengänge und Verkäufe an Konzerne gehören bisher zur Bilanz.

Ein Aushängeschild ist beispielsweise die Tuttlinger Firma EIT, die mithilfe von 3D-Druck Wirbelsäulenimplantate herstellt (siehe Text auf dieser Doppelseite). Ein weiteres Unternehmen aus Baden-Württemberg ist das im vergangenen Jahr von SHS übernommene Balinger Unternehmen Medigroba, ein Anbieter von Hilfs- und Pflegemitteln. Daneben laufen zurzeit auch noch eine ganze Reihe von Investments in Bayern, der Schweiz und Österreich.