Das sogenannte Medmobil fährt in Stuttgart zu den Brennpunkten in der Stadt und kümmert sich um die ärzliche Versorgung von Menschen, die am Rande der Gesellschaft leben.

Stuttgart - Die Gründe, das Medmobil aufzusuchen, sind verschieden. Die einen haben keine Krankenversicherung, die anderen verkraften die Situation in Wartezimmern nicht. „Sie schämen sich häufig vor den anderen Patienten, sie haben Angst vor Diskriminierungen und fühlen sich unwohl“, sagt eine Ärztin, die die Patienten ehrenamtlich im Medmobil untersucht. Seit Juli 2009 fährt der umgebaute Rettungswagen mit ehrenamtlichen Ärzten und Krankenschwestern an Bord öffentliche Plätze in Stuttgart an, um wohnungslose, drogenabhängige und andere Menschen am Rande der Gesellschaft medizinisch zu versorgen und zu beraten. Betreut wird das Projekt von hauptamtlichen Sozialarbeitern.

 

Vor fünf Jahren gegründet

Am Donnerstagnachmittag ist das fünfjährige Bestehen mit einem kleinen Programm im Hof der ambulanten Hilfe in Bad Cannstatt gefeiert worden. Auch der umgebaute Rettungswagen war vor Ort und durfte von den Gästen besichtigt werden. Zwischendurch gab es Gesangsbeiträge des Chors der Vesperkirche.

Zu verdanken hat Stuttgart das Medmobil einem Ärzte-Ehepaar. Die beiden hatten nach ihrem Tod 670 000 Euro hinterlassen, um eine Tagesstätte für wohnungslose Menschen aufzubauen. „Wir haben in dieser Zeit aber keinen Bedarf für ein solches Zentrum gesehen, wohl aber einen großen für medizinische Versorgung“, sagte Walter Tattermusch, der Leiter des Sozialamts, bei der Jubiläumsfeier. In Zusammenarbeit mit der Organisation Ärzte der Welt, der Ambulanten Hilfe und den Freien Trägern der Wohnungslosenhilfe ist das Projekt schließlich umgesetzt worden.

Es geht auch ums Zuhören

Inzwischen fährt das Medmobil Orte wie den Platz unter der Paulinenbrücke an oder den Oberen Schloßgarten, aber auch Einrichtungen wie der Schlupfwinkel, eine Anlaufstelle für wohnungslose Jugendliche, wird von den Ehrenamtlichen betreut. Dort setzen sich die Mitarbeiter des Medmobils mit den Jugendlichen an den Frühstückstisch, wer Hilfe benötigt, kommt anschließend mit in das Behandlungszimmer. „Man muss wissen, dass wir dort nicht als die großen Heiler auftreten“, sagte ein Kinder- und Jugendarzt, der oft im Schlupfwinkel aushilft. „Meist geht es einfach darum zuzuhören.“

Die Patienten, auch die an anderen Orten, seien besonderen Bedingungen ausgesetzt, seien immer wieder auf der Suche nach Übernachtungsmöglichkeiten, haben keine oder nur wenige soziale Beziehungen. „Wir haben in Stuttgart eigentlich ein gutes Hilfesystem, doch leider fällt es manchen schwer, den Weg dorthin zu finden“, sagte Walter Tattermusch. Das Medmobil solle deshalb auch als Brücke dienen. Langfristig sei das Ziel, die Ängste der Patienten abzubauen und sie an niedergelassene Ärzte zu vermitteln. Im Moment arbeitet das Medmobil mit 16 Fachärzten zusammen.

Arbeit geht auch an die Nieren

Zuletzt dankte am Donnerstagnachmittag Krankenschwester Monika Weiß für das Vertrauen der Patienten. „Es kommen Menschen zu uns, die mich berühren, die in großen gesundheitlichen oder wirtschaftlichen Notlagen sind“, sagte sie. Zu helfen mache viel Freude, doch die Arbeit im Medmobil könne auch an die Nieren gehen: „Manche der Patienten kommen irgendwann nicht wieder. Da weiß man dann nicht, wo sie sind oder ob sie überhaupt noch leben. Das muss man aushalten können.“ Denn die Beziehung zu den Patienten sei eine besondere: „Es ist eine Ehre, dass sie uns das Vertrauen entgegenbringen, bei uns besteht eine gegenseitige Wertschätzung.“ Deshalb dankte sie am Ende vor allem den Patienten des Medmobils, den „Hauptpersonen unseres Jubiläums“, auch wenn sie das an diesem Nachmittag nicht hören konnten.