Hauptschifffahrtswege im Meer sind so laut wie eine Autobahn, der Bau von Windparks dröhnt durch die Gewässer. Das schadet vor allem Säugetieren, die sich mittels Tönen verständigen. Neue Dämpfungsmöglichkeiten werden erforscht – aber noch ist nicht sicher, ob sie gut genug sind, um die Tiere zu schützen.

Stuttgart - Strandurlauber glauben es kaum, aber seit Jahren wird es in den Weltmeeren immer lauter. Hauptschifffahrtswege wie der Fehmarnbelt und der Ärmelkanal sind längst so laut wie eine stark befahrene Autobahn. Regelmäßig werden in den Gewässern Minen gesprengt oder militärische Experimente durchgeführt, die kurzzeitig immensen Krach verursachen. Besonders laut ist auch der Lärm beim Bau von Windparks. Für einige Meeresbewohner ist der Tumult eine ernste Bedrohung.

 

Insbesondere Säugetiere leiden darunter. Sie nutzen Töne, um sich zu orientieren, Feinde zu orten und ihre Beute aufzuspüren. Blauwale unterhalten sich so über Strecken von 3500 Kilometern miteinander. Nach Sprengexperimenten der US-Marine beobachteten Umweltschützer jedoch mehrfach Massenstrandungen, bei denen die Tiere oft qualvoll verendeten, denn die Detonationen stören massiv deren Kommunikation. Noch vier Kilometer entfernt sind diese so laut, dass das Gehör geschädigt wird und die Tiere sterben können, erklärt der Meereszoologe Sven Koschinski aus dem schleswig-holsteinischen Nehmten.

Lange Zeit hatten Wissenschaftler solche Zusammenhänge angezweifelt. Doch Meeresbiologen verstehen immer genauer, wie der Unterwasserlärm das feine Gehör der Wale in Mitleidenschaft zieht. Ursula Siebert vom Institut für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover sammelt beispielsweise derzeit gestrandete tote Schweinswale aus Nord- und Ostsee und untersucht deren Ohren. Man habe viel mehr Veränderungen gefunden als erwartet: Infektionen, Parasitenbefall, Blutungen und traumatisch bedingte Schädigungen.

Deutsche Behörden regeln Schallpegel

Deshalb erlauben die deutschen Behörden beim Bau von Windparks nur einen Schallpegel von maximal 160 Dezibel in mehr als 750 Meter Entfernung zur Baustelle. Zum Vergleich: in einer Discothek dröhnt die Musik mit rund 100 Dezibel in den Ohren. Aufgrund der deutschen Vorreiterrolle hätten verschiedene Unternehmen in den vergangenen Jahren Techniken gegen den Lärm entwickelt, weiß Koschinski.

Fritz Pfeiffer vom Büro für Umweltgeologie und Sicherheitsforschung in Marburg hält die bisherige Technik des Blasenschleiers (siehe Infokasten) für eine Notlösung. Zumal: je tiefer die See, desto schwieriger wird es, einen wirksamen Luftblasenkegel aufzubauen. Ab 30 Meter Tiefe schrumpft die Lärmminderung deshalb auf ein paar Dezibel. Gewaltige Kompressoren müssen Luft mit einem Druck von mindestens 10 bar ins Wasser pumpen. Von der Küste bis zur Baustelle verlegen die Betreiber eine kilometerlange Versorgungsleitung. Der Betrieb eines Blasenschleiers koste aufgrund dieses Aufwandes einige Hunderttausend Euro pro Tag, meint Pfeiffer.

Die Experten sind sich jedoch einig, dass mit den bisherigen Techniken noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht ist. Pfeiffer arbeitet gemeinsam mit Forschern der Bundeswehr an einer neuen preiswerteren Methode, damit es im Meer leiser wird. Ein Stab aus unedlem Metall auf Basis von Magnesium wird dazu gemeinsam mit einem baugleichen System aus Edelstahl ins Wasser gehängt und unter Strom gesetzt. Dabei entsteht infolge einer chemischen Reaktion aus dem Meerwasser Wasserstoff am Magnesiumstab. Dieses Gas perlt in Tausenden Blasen an die Wasseroberfläche. Mit der Technik sei es möglich, gesunkene Schiffe leichter aus dem Wasser zu heben, aber auch bei der Entschärfung von Seeminen den Lärm der Explosion zu dämpfen, um Wale zu schützen, berichtet Pfeiffer. Der besondere Charme liege darin, dass das Verfahren ohne großen Aufwand und auch fernab der Küste angewandt werden kann. Das einzige Problem: der Wall aus Bläschen wird leicht von der Strömung verdriftet und wirkt dann nicht mehr wie geplant. Zurzeit entwickelt Pfeiffer die Technik an Land in Teichen weiter. Seine Vision: eines Tages könnte der Pfahl eines Windparks selbst oder die zugehörige Ramme unter Strom gesetzt werden und so den Schutzschild aus Wasserstoffblasen gegen Lärm erzeugen.

Schall bringt Poren im Kunststoff zum Schwingen

Das Prinzip der lärmschluckenden Blasen greift auch ein neu gegründetes Unternehmen bei Hannover auf. Statt diese im Wasser zu erzeugen, bringt die Offnoise Solutions GmbH aber ein Netz mit lose verteilten Schaumstoffkörpern oder Ballons rings um das Windrad an. Der Schall bringt die Poren im Kunststoff zum Schwingen und wird so teilweise geschluckt. Je genauer die Frequenz des Lärms mit der Resonanzfrequenz der Poren übereinstimmt, desto größer der Dämpfungseffekt. Da die Hohlräume in den Füllkörpern maßgeschneidert werden können, lässt sich für jeden Windpark der optimale Lärmschlucker designen. Das und die geringen Kosten der Methode machten sie für die Betreiber attraktiv, urteilt Koschinski, obwohl der Lärmpegel in bisherigen Tests mit dem Ballon- oder Schaumkörperbad nur um sechs bis acht Dezibel nachließ.

Eine andere Technik erzielte die bisher größte Lärmreduktion. Beim Errichten eines Testpfahls in der Bucht von Aarhus sank der Pegel um ganze 23 Dezibel. Dazu wurde ein Rohr über den zu rammenden Pfahl gestülpt und der Spalt zwischen beiden leergepumpt. Dazu ist allerdings eine extrem starke Dichtung, ein sogenannter Kofferdamm, nötig, der quasi eine Luftsäule mitten im Ozean ermöglicht. Die Luftschicht schirmt den Baulärm gegen die See ab. Als man die Methode im dänischen Windpark Anholt in der Praxis erproben wollte, gelang es aber nicht, die entsprechende wasserfreie Säule zu erzeugen. Seither hafte der Methode der Nimbus an, sie habe bei der Feuertaufe versagt, bedauert Koschinski. Er hofft auf ein Revival, da sie die bisher größte Lärmminderung bewirkt hat.

Doch auch die neuen Techniken reichen nicht aus, um das Gehör der Meerestiere ausreichend zu schützen. Schon zeichnet sich ab, dass weitere EU-Länder dem deutschen Beispiel folgen und Auflagen gegen den Krach im Meer machen werden. Langfristig würde sich nur eine Kombination aus Schallschutz und neuen Bautechniken bewähren, glaubt Koschinski. Einige Windmühlen der dänischen Firma Dong Energy saugen sich beispielsweise über je drei Becher von rund fünf Meter Durchmesser am Meeresgrund der Nordsee fest. Diese Saugnapftechnik umgeht das Lärmproblem ganz.