Eine US-Firma schickt erstmals Roboter über den Pazifik. Sie brauchen weder Motor noch Segel. Während der Monate dauernden Fahrt nehmen sie Messungen vor.

Stuttgart - Es liegt nicht nur an der schieren Ausdehnung und Tiefe, dass die Weltmeere noch immer als in großen Teilen unerforscht gelten. Es mangelt auch an passender Technik, um mitten im Ozean gezielt und über längere Zeit hinweg Messdaten zu erheben. Aber es gibt neue Ideen: Die kalifornische Firma Liquid Robotics entwickelt einen schwimmenden Roboter, der monatelang als automatisierte Forschungsplattform auf hoher See navigieren kann. Sein Antrieb beruht allein auf Wellenkraft. Derzeit sind gleich vier dieser Wave-Glider (Wellengleiter) dabei, erstmals den Pazifik zu überqueren. Für einen Meeresroboter wäre diese Strecke ein neuer Rekord. „Es ist die längste Reise über einen Ozean, die ein robotisches Fahrzeug jemals in Angriff genommen hat“, sagt Graham Hine, der bei Liquid Robotics das Pazifikprojekt leitet.

 

Die große Überfahrt des Roboterquartetts begann am 17. Dezember des vergangenen Jahres vor der Küste Kaliforniens. Die geplante Route führt erst einmal nach Hawaii. Von dort geht es weiter – in zwei Paare aufgeteilt – nach Japan und Australien. Kürzlich erreichten alle vier Wave-Glider die Zwischenstation Hawaii, zwei davon allerdings leicht angeschlagen. Einer war offenbar kurz vor Erreichen der Inseln von einem Hai angegriffen worden, der mit seinen scharfen Zähnen ein Steuerungskabel verletzte. Der Gleiter konnte seinen Kurs nicht mehr halten. Der zweite hatte Empfangsprobleme mit einem Funkmodem, über das er Routenvorgaben von einer zentralen Leitstelle erhält. Auch er wurde von der Strömung abgetrieben. Die Mannschaft von Liquid Robotics, die auf Hawaii ein Testlabor unterhält, sammelte die Gleiter ein, um sie zu warten. Bald schon sollen sie an gleicher Stelle wieder im Wasser ausgesetzt werden, um den zweiten Teil der Überfahrt in Angriff zu nehmen.

Der Roboter soll monatelang auf Kurs bleiben

Die Roboter bewegen sich nur langsam vorwärts. „Die Wave-Glider schwimmen mit ein bis zwei Knoten, also rund 0,5 bis einem Meter pro Sekunde. Das entspricht einem angenehmen Spaziergang, allerdings ohne Pause Tag und Nacht“, sagt Hine. Dafür benötigen die Gleiter weder Sprit noch Strom. Für den Vortrieb nutzen sie allein die Kraft der Wellen.

Damit das gelingt, haben die Wave-Glider ein ungewöhnliches Design: Auf dem Wasser schwimmt ein Floß, geformt wie ein Surfbrett, rund zwei Meter lang und 60 Zentimeter breit. Ein Großteil der Oberfläche ist mit Solarzellen bestückt. Sie liefern nur den Strom, um Messinstrumente, Satellitenfunk und ein GPS-Navigationsgerät zu betreiben. Die eigentliche Antriebseinheit, der sogenannte Gleiter, hängt an einem stabilen Band sieben Meter unter dem Floß im Wasser.

Der Gleiter ist ein 90 Kilogramm schwerer Metallrahmen mit sechs beweglichen Flügeln. Hebt eine Welle das Floß, zieht es den Gleiter mit nach oben. Dabei stellen sich dessen Flügel leicht schräg, und zwar so, dass der Gleiter beim Aufsteigen ein bisschen nach vorne geschoben wird. Beim Absinken ins Wellental kippen die Flügel in die andere Richtung und setzen das Abtauchen ebenso in eine Vorwärtsbewegung um. Mit jedem Auf und Ab zieht der Gleiter das Floß ein bisschen weiter über das Meer.

Die Länge der Verbindungsleine zwischen Floß und Antrieb ist mit sieben Metern so gewählt, dass bei einer typischen Hochseedünung mit zwei bis drei Meter Wellenhöhe die Energieausbeute am größten ist. Dank des Wellenantriebs kann ein Wave-Glider monatelang auf See bleiben und einem vorgegebenen Kurs folgen.

Ein Wettbewerb für Wissenschaftler

„Wir geben dem Wave-Glider über Satellitenfunk nur Zielkoordinaten als Längen- und Breitengrad vor“, sagt Hine. Der Roboter prüft anhand aktueller GPS-Daten regelmäßig, wo er sich befindet. Mit Blick auf einen bordeigenen Kompass verstellt er sein Steuerruder so, dass der Unterwasserantrieb in die gewünschte Richtung zeigt. So schwimmt er dann mitsamt dem tragenden Floß autonom zum Ziel.

Jeder Wave-Glider kann mit unterschiedlichen Messinstrumenten bestückt werden. Bei der Pazifiküberfahrt messen die Roboter regelmäßig Wellenhöhe, Wassertemperatur, Salzgehalt, Windgeschwindigkeit, Luftdruck sowie den Chlorophyllgehalt des Wassers; dieses auch als Blattgrün bezeichnete Farbstoff dient als Hinweis auf Algenblüten. Die Daten der Roboter sind im Internet frei zugänglich.

Liquid Robotics hat sogar einen Wettbewerb ausgerufen. Wissenschaftler können Vorschläge einreichen, welche Studien sie auf Basis dieser Daten durchführen würden. Der Sieger mit der interessantesten Idee bekommt 50 000 Dollar sowie sechs Monate lang einen Wave-Glider für ein eigenes Meeresforschungsprojekt kostenlos zur Verfügung gestellt. Normalerweise kostet der Einsatz eines schwimmenden Roboters rund 1200 Euro am Tag.

Beißen die Meeresforscher an?

Mit der Pazifiküberquerung will Liquid Robotics die Wave-Glider bei Meereswissenschaftlern bekannter machen. Bisher haben vor allem Erdölfirmen wie BP die Vorzüge dieser Technik für sich entdeckt. Seit der Explosion der Förderplattform Deepwater Horizon im April 2010 kreuzen ständig mehrere Wave-Glider die Gewässer des Golfs von Mexiko, um Daten über das Auftreten und den Abbau von Ölteppichen an der Meeresoberfläche zu liefern. Verglichen mit den Betriebskosten großer Forschungsschiffe ist der Einsatz der Roboter für solche Messkampagnen geradezu ein Schnäppchen. Liquid Robotics sieht hier ein lukratives Geschäftsfeld.

Die Wave-Glider sind nicht die ersten Meeresroboter, die sich ohne Motor fortbewegen. Bis jetzt liefern Driftbojen Messdaten aus den Weiten der Ozeane. Allerdings sind sie nicht steuerbar, sondern werden von den Meeresströmungen weitergetragen. „So etwas wie die Wave-Glider als autonome Messplattform hat es bisher nicht gegeben“, sagt Gereon Budeus, Ozeanograf am Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven. Für seine Forschung in den polaren Regionen hält Budeus die Wave-Glider aber für ungeeignet. „Weil sie ständig an der Meeresoberfläche sind, kommen sie bei der Eisbedeckung des Polarmeers nicht weiter“, sagt er.

Die Konkurrenz schläft nicht

Budeus setzt für seine Messungen unter dem Eis eine andere Form von steuerbaren Messsonden ein: die Sea-Glider. Sie haben die Form eines Torpedos mit Flügeln und können bis zu 1000 Meter tief tauchen. Weil sie beim Ab- und Auftauchen einem schrägen Gleitpfad folgen, kommen sie auch ohne Motor langsam voran. „Sea-Glider sind wie Segelflugzeuge, nur unter Wasser“, sagt Budeus. Diese Roboter eignen sich ebenfalls für lange Strecken. 2009 schaffte die beflügelte US-Sonde Scarlett Knight als erstes unbemanntes Unterwasserfahrzeug die Überquerung des Atlantiks. 221 Tage brauchte sie für die 7400 Kilometer von der Ostküste der USA bis nach Spanien. Heute ist sie im Naturkundemuseum in Washington ausgestellt.

Ob auch den Wave-Glidern nach erfolgreicher Pazifiküberquerung eine solche Ehre zuteilwerden wird? Ihre Tour ist mit insgesamt knapp 17 000 Kilometern immerhin mehr als doppelt so lang. Graham Hine rechnet damit, dass die Roboter noch bis Ende des Jahres oder sogar bis Anfang 2013 mit dem Auf und Ab der Wellen unterwegs sein werden.

// Die Homepage der Firma Liquid Roboticshttp://liquidr.com/pacx/