Eigentlich haben Fische dieselbe Temperatur wie ihre Umgebung. Doch wenn man einen großen Gotteslachs aus dem Meer zieht, ist dessen Körper fünf Grad wärmer als das Wasser. Wie macht er das – und wozu dient es?

Stuttgart - So recht passen die Gotteslachse nicht zum Bild des wechselwarmen Tieres, das Biologen von Fischen zeichnen: Wie die meisten Tiere von Insekten und Spinnen bis zu Reptilien und Amphibien schwankt die Temperatur von Fischen mit der Umgebung. Sie sind innen so kühl wie das Wasser um sie herum. Nur Säugetiere und Vögel halten ihre Körper weitgehend bei konstanter Temperatur, selbst wenn sie in der kalten Arktis oder in den heißen Tropen leben. Doch wann immer Nick Wegner und seine Kollegen vom Südwest-Fischerei-Wissenschaftszentrum der US-Behörde NOAA im kalifornischen La Jolla Gotteslachse aus dem Pazifik holten, waren die Tiere ungefähr fünf Grad wärmer als das Wasser, in dem sie geschwommen waren.

 

Der Grund für diese Besonderheit: ein Wärmetauscher in den Kiemen heizt den Körper der Gotteslachse auf, berichten die Forscher nun im Wissenschaftsmagazin „Science“. Ähnlich wie Vögel und Säugetiere mit ihren Lungen holen Fische mit ihren Kiemen Sauerstoff aus dem Wasser ins Blut. Bei diesem engen Kontakt gleichen sich die Temperaturen beider Flüssigkeiten an. Fließt das Blut anschließend durch den Körper, bringt es den gesamten Organismus auf Außentemperatur.

Die Temperaturschwankungen bringen Nachteile mit sich. „Die Enzyme in den Körperzellen funktionieren in einem bevorzugten, engen Temperaturbereich am besten. Bei wechselwarmen Tieren fällt die Leistung außerhalb dieses Bereichs deutlich ab“, erklärt Rainer Froese, der am Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung (Geomar) in Kiel die Ökologie und Evolution von Meeresfischen untersucht. Bei Säugetieren und Vögeln produziert der Stoffwechsel die nötige Wärme, wenn die Umgebung kalt ist, um die Leistungsfähigkeit zu erhalten. Doch das hat natürlich einen Preis: Die Tiere müssen dafür viel Energie aufwenden und daher auch viel fressen. Und die Wärmeproduktion ist weniger effektiv, wenn der Körper klein ist und so verhältnismäßig viel Energie an seiner relativ großen Oberfläche verliert.

Kräftige Muskeln liefern die nötige Wärme

Das gleiche Prinzip gilt für Fische: Die großen Exemplare verlieren weniger Wärme ans Wasser. „Der Gotteslachs ist mit einem Gewicht bis zu 270 Kilogramm und einer Länge bis zu zwei Metern eine der größten Knochenfische in unserer Datenbank www.fishbase.org“, sagt Froese. Dieser Art fällt es daher leichter als kleineren Fischen, ihren Körper auf einer höheren Temperatur zu halten, wenn das Wasser kalt ist. Die Wärme kommt vom dauernden Schlagen der Brustflossen, das die Gotteslachse durch die Tiefsee treibt. Die Abwärme der kräftigen Muskeln heizt das Blut, das durch die Venen in die Kiemen fließt.

Dort winden sich die Gefäße eng um die Adern, die das mit Sauerstoff angereicherte, aber vom Wasser abgekühlte Blut in die umgekehrte Richtung ins Körperinnere transportieren. Genauso konstruieren Ingenieure einen Wärmetauscher, bei dem sich Rohre eng umeinander winden, in denen eine kühlere Flüssigkeit von der wärmeren geheizt wird, die in die umgekehrte Richtung fließt. Genau wie ein Heizungsbauer seine Rohre gut mit Kunststoff umkleidet, um Wärmeverluste zu verringern, hüllt Fettgewebe auch die Blutgefäße in den Kiemenbögen, die Muskeln und das Herz des Gotteslachses ein und isoliert sie.

Als Nick Wegner und seine Kollegen Gotteslachse mit Messgeräten ausgerüstet vor US-Pazifikküste freiließen, schwammen die Tiere in Tiefen zwischen 50 und 400 Metern. Dort bewegen sich Fische bei Wassertemperaturen zwischen acht und elf Grad Celsius eher gemächlich. In den Gotteslachsen aber sollten die Muskeln, das Gehirn und die Augen bei höheren Temperaturen besser arbeiten. „Diese coole Innovation aber verschafft den Tieren einen echten Wettbewerbsvorteil“, vermutet Wegner. Die Gotteslachse können so besser Tintenfische und andere Organismen jagen, aber auch weiter als Tiere ohne Wärmetauscher durch die Tiefsee wandern.