Hurrikan „Milton“ nähert sich Florida. Meteorologen warnen vor einem historischen Sturm. US-Präsident Biden verschiebt seine Deutschlandreise. Und: Forscher haben berechnet: Die Klimakrise macht Tropenstürme heftiger und gefährlicher.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Der auf den US-Bundesstaat Florida zurasende Sturm „Milton“ hat an Stärke zugenommen und ist erneut zu einem Hurrikan der höchsten Stufe fünf geworden. Das Nationale Hurrikanzentrum (NHC) der USA hat mitgeteilt, „Milton“ habe Windgeschwindigkeiten von bis zu 270 Stundenkilometern.

 

Wieder auf Kategorie 5 hochgestuft

Während der Hurrikan über den östlichen Golf von Mexiko ziehe, seien Schwankungen in der Intensität wahrscheinlich. „Milton“ werde aber voraussichtlich ein gefährlicher Hurrikan sein, wenn er am Mittwochabend (9. Oktober) oder in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag Ortszeit die Westküste von Florida erreiche.

Das NHC hatte „Milton“ bereits am Montag (7. Oktober) mit der Kategorie fünf eingestuft, zuvor am Dienstag (8. Oktober) jedoch auf die Stärke vier herabgestuft. Dennoch bleibe der Wirbelsturm ein „extrem gefährlicher Hurrikan“.

Bradenton Beach: Zerstörte Möbel und persönliche Gegenstände, die von den Überschwemmungen des Hurrikans „Helene“ stammen, stapeln sich vor den Mobilheimen der Sandpiper Resort Co-op vor der Ankunft des Hurrikans „Milton“ auf Anna Maria Island. Foto: AP/Rebecca Blackwell/dpa

Biden sagt Deutschlandbesuch ab

US-Präsident Joe Biden sagte, es könnte „der schlimmste Sturm seit mehr als einem Jahrhundert sein, der Florida trifft“. Er rief die Menschen auf, sich sofort in Sicherheit zu bringen, es gehe „um Leben und Tod“.

Biden verschob angesichts des Hurrikans einen für diese Woche geplanten Besuch in Deutschland.

Nach „Helene“ ist vor „Milton“

Florida und weitere Bundesstaaten im Südosten der USA waren erst Ende September von dem Sturm „Helene“ heimgesucht worden. Der Sturm, der ebenfalls mit Hurrikan-Stärke auf die Küste getroffen war, richtete massive Schäden an. Zahlreiche Gebäude wurden beschädigt oder komplett zerstört, vielerorts wurde die Stromversorgung lahmgelegt.

Nach bisherigen Angaben der US-Behörden kamen mindestens 230 Menschen durch „Helene“ ums Leben. Damit ist „Helene“ nach dem Hurrikan „Katrina“ im Jahr 2005 der folgenschwerste Sturm, der in den vergangenen 50 Jahren das Festland der USA heimgesucht hat.

Tampa: Zahlreiche Autos fahren auf der Interstate 4 in Richtung Osten, da die Anwohner weiterhin die Evakuierungsanweisungen vor dem Hurrikan „Milton“ befolgen Foto: AP/Julio Cortez/dpa
Ein Auto fährt durch eine überflutete Straße in Oakland Park, Florida. Foto: Imago/Zuma Press Wire

Florida rüstet sich

Im US-Bundesstaat Florida laufen unterdessen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Millionen Menschen wurden aufgefordert, sich in Sicherheit zu bringen. Viele verbarrikadieren ihre Häuser und stellen sich auf das Schlimmste ein.

Nach dem Durchzug von „Milton“ vor der Küste der Halbinsel Yucatán in Mexiko kam es in dem Gebiet zu Stromausfällen in rund 90.000 Haushalten und einigen Überschwemmungen. Bäume stürzten um. Es habe keine Todesopfer gegeben, teilte der Gouverneur des mexikanischen Bundesstaates Yucatán, Joaquín Díaz, mit.

Floridas Gouverneur Ron DeSantis appellierte mit Nachdruck an die Bevölkerung, die Evakuierungsanweisungen ernst zu nehmen. Viele, die das Gebiet verlassen wollten, stießen jedoch auf Schwierigkeiten: Der Sender CNN berichtete von Staus, Treibstoffengpässen und ausgebuchten Hotels. Zahlreiche Flughäfen stellten den Betrieb ein.

North Miami Beach: Annarose Bellefleur, Mitarbeiterin des öffentlichen Dienstes in North Miami Beach, Florida, schaufelt Sand, während Arbeiter Sandsäcke laden, um sie an die Bewohner zu verteilen, um Überschwemmungen zu verhindern, während sich der Hurrikan „Milton“ auf Florida zubewegt. Foto: AP/Wilfredo Lee/dpa
Holmes Beach: Ted Carlson packt die Katze McKenzie seines besten Freundes Evan Purcell in einen Pick-up-Truck, während die beiden sie zusammen mit anderen wichtigen Gegenständen aus Purcells Haus holen, bevor der Hurrikan „Milton“ eintrifft. Foto: AP/Rebecca Blackwell/dpa

Vorbereitungen auf das Schlimmste

„Milton“ stellt die Einsatzkräfte in Florida vor große Herausforderungen. Prognosen zufolge dürfte er sich zwar abschwächen, bevor er auf Land trifft. Doch seine enorme Ausdehnung birgt weiterhin erhebliches Zerstörungspotenzial – besonders in der Region um die Küstenmetropole Tampa.

Das Pentagon teilte mit, dass Tausende Nationalgardisten mobilisiert worden seien. Hubschrauber und hochwasserfähige Fahrzeuge stünden für Rettungseinsätze bereit. Notfallzentren im ganzen Bundesstaat wurden mit Vorräten bestückt, um unmittelbar nach dem Sturm schnelle Hilfe leisten zu können.

Astronauten-Rückkehr von ISS verschoben

Wegen "Milton" müssen zudem vier Raumfahrer einige Tage länger als geplant im All bleiben. Die "Crew 8" hatte eigentlich schon am Montag von der Internationalen Raumstation ISS abdocken sollen. Weil ihre "Crew Dragon"-Kapsel aber vor der Küste Floridas im Meer landen soll, sei die Rückkehr nun erst einmal auf Sonntag (13. Oktober) verschoben worden, wie die US-Raumfahrtbehörde Nasa mitteilt. Die "Crew 8" ist seit März an Bord der ISS.

Zuvor hatte die Nasa bereits den eigentlich für Donnerstag (10. Oktober) geplanten Start der Raumsonde "Europa Clipper" zum Jupitermond Europa vom Weltraumbahnhof Cape Canaveral in Florida wegen des herannahenden Hurrikans vorerst abgesagt. 

Einer der zerstörerischsten Hurrikane in der Geschichte

„Milton“ habe das Potenzial, einer der zerstörerischsten Hurrikane zu werden, die jemals in dieser Region verzeichnet wurden, warnt das Nationale Hurrikanzentrum und wies eindringlich darauf hin, dass normalerweise trockene Küstengebiete durch den ansteigenden Meeresspiegel überflutet werden könnten. Lebensgefährliche Sturmfluten mit bis zu fünf Meter hohen Wellen, zerstörerische Winde und heftige Regenfälle seien zu erwarten. Zudem bestehe die Gefahr von Tornados.

Tropische Wirbelstürme entstehen über warmem Ozeanwasser. Durch die Erderwärmung wird laut Experten die Wahrscheinlichkeit für stärkere Stürme erhöht. Die Hurrikansaison im Atlantik dauert von Juni bis Ende November. Die Stürme werden in alphabetischer Reihenfolge benannt.

Analyse: Hurrikan „Helene“ schlimmer durch Klimawandel

Die Regenfälle und Winde des Sturms „Helene“, der Ende September über den Südosten der USA hinwegfegte, sind nach Erkenntnissen von Wissenschaftlern durch den Klimawandel um zehn Prozent heftiger ausgefallen. Dies geht aus einer am Mittwoch veröffentlichten Schnellanalyse der Forschungsinitiative World Weather Attribution (WWA) hervor.

Bradenton Beach: Ein Auto liegt nach Hurrikan „Helene“ halb vergraben im Sand am Bradenton Beach, während sich Hurrikan „Milton“ Anna Maria Island nähert. Foto: AP/Rebecca Blackwell/dpa
Progreso: Eine Person fährt mit dem Fahrrad über eine überflutete Straße im Regen, während Hurrikan „Milton“ vor der Küste von Progreso im mexikanischen Bundesstaat Yucatan vorbeizieht. Foto: AP/Martin Zetina/dpa

Deren Mitbegründerin, die deutsche Klimatologin Friederike Otto, erklärte, ein Wert von zehn Prozent könne „niedrig erscheinen“. Doch bedeute „eine kleine Veränderung in Bezug auf die Gefahr eine große Veränderung in Bezug auf die Auswirkungen und die Schäden“.

Die WWA-Analyse kommt zu dem Ergebnis, dass die fossilen Brennstoffe als Hauptverantwortliche für den globalen Klimawandel die Wahrscheinlichkeit von Stürmen wie „Helene“ in der Region um das Zweieinhalbfache erhöht haben. Rechnerisch bedeute dies, dass mit solchen Stürmen statt alle 130 Jahre nun alle 53 Jahre zu rechnen sei, heißt es weiter.

Blick von der Internationalen Raumstation ISS auf den Hurrikan „Milton“. Foto: Imago/Nasa/Zuma Press Wire

Die WWA-Forscher konzentrierten sich bei der Untersuchung von „Helene“ auf drei Aspekte: Niederschläge, Winde und Wassertemperatur im Golf von Mexiko, die ein Schlüsselfaktor bei der Entstehung des Hurrikans war. „Alle Aspekte dieses Ereignisses wurden durch den Klimawandel in unterschiedlichem Ausmaß verstärkt“, erklärt Ko-Autor Ben Clarke vom Imperial College in London. „Wir werden weitere Phänomene dieser Art erleben, wenn sich der Planet weiter erwärmt.“

Warum Wirbelstürme immer stärker werden

Die Stärke tropischer Wirbelstürme in den vergangenen Jahren sprengt nach Ansicht von anderen Forschern die derzeit übliche Hurrikan-Windskala. Bislang reicht diese bis zur Kategorie 5, die Wirbelstürme mit Windgeschwindigkeiten ab 70 Metern pro Sekunde umfasst.

In den vergangenen Jahren hätten jedoch mehrere tropische Wirbelstürme eine Windstärke von über 86 Metern pro Sekunde gehabt, schreibt ein Wissenschaftlerteam in den „Proceedings“ der US-nationalen Akademie der Wissenschaften („PNAS“). Das entspricht über 309,6 Kilometern pro Stunde.

Dieses von der National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) zur Verfügung gestellte Bild des GOES-16 GeoColor-Satelliten zeigt den Hurrikan „Helene“ im Golf von Mexiko, der sich auf Florida zubewegt. Foto: National Oceanic and Atmospheric/Uncredited/dpa

Forscher: Neue Sturm-Kategorie 6 nötig

Eine Analyse von Daten aus den Jahren 1980 bis 2021 ergab demnach, dass fünf Stürme in die neue hypothetische Kategorie 6 eingestuft worden wären. Alle diese Stürme seien in den letzten neun Jahren der Datenreihe aufgetreten, schreiben Michael Wehner vom Lawrence Berkeley National Laboratory in Berkeley und James Kossin von der University of Wisconsin–Madison.

Ein Grund für die Steigerung sei der Klimawandel und der damit einhergehende Anstieg der Meerestemperaturen. Dieser liefere zusätzliche Wärmeenergie für die Hurrikans, die somit stärker werden könnten.

Extreme Stürme kein Einzelfall mehr

Ältere Klimamodellierungen ergaben nach Auskunft der Forscher, dass das Risiko von Wirbelstürmen der hypothetischen Kategorie 6 in der Region der Philippinen um 50 Prozent steigt, wenn die globale Erwärmung 2 Grad über dem vorindustriellen Niveau liegt. Im Golf von Mexiko verdopple sich die Zahl dann sogar.

In der Vergangenheit sei bereits vorgeschlagen worden, dass der besonders zerstörerische Tropenwirbelsturm „Haiyan“ in eine Kategorie 6 aufgenommen werden sollte, erläutert das Team. „Aber ‚Haiyan‘ scheint kein Einzelfall zu sein.“

Die Forscher plädieren für eine Änderung der derzeit üblichen Saffir-Simpson-Hurrikan-Windskala, mit einer Kategorie 5 für Spitzenwindgeschwindigkeiten von 70 bis 86 Metern pro Sekunde und einer zusätzlichen Kategorie 6 darüber.