Der Energieversorger baut einen XXL-Windpark in der Nordsee. Um die Klimaziele zu erreichen, müssten alle drei Monate solche gigantische Bauten ans Netz gehen, mahnt EnBW-Chef Georg Stamatelopoulos.
Eines der europaweit größten Projekte der Energiewende geht in die heiße Phase: Mitten in der Nordsee sollen auf der Großbaustelle bis zu 500 Menschen arbeiten. Darüber hinaus sind mehr als 60 Schiffe nötig, um Deutschlands bislang größten Offshore-Windpark aus dem Meer wachsen zu lassen. In einer Höhe von 142 Metern durchstreicht der Rotor eines der geplanten Windräder der neuesten Generation rechnerisch die Fläche von sechs Fußballfeldern. 64 dieser gigantischen Bauten sollen die Energiewende in der Nordsee voranbringen.
Der Karlsruher Energieversorger EnBW will den XXL-Windpark mit dem Namen „He Dreiht“ (Niederdeutsch für „Er dreht“) Ende 2025 in Betrieb nehmen. Am Samstag würden die ersten Fundamente gesetzt, kündigte der Vorstand für Nachhaltige Erzeugungsinfrastruktur, Peter Heydecker, an. Die Windräder sollen etwa 85 Kilometer nordwestlich der Insel Borkum und rund 110 Kilometer westlich von Helgoland ans Netz gehen. Einer der größten Schwimmkräne der Welt werde in den nächsten Tagen beginnen, die 70 Meter langen, tonnenschweren Stahlfundamente mit einem Durchmesser von neun Metern im Grund der Nordsee zu verankern.
XXL-Windpark der EnBW: Ein Kraftwerk in der Nordsee
2,4 Milliarden Euro nimmt die EnBW dafür in die Hand. Seit dem vereinbarten Ausstieg Deutschlands aus der Kernkraft krempelt das Management den einstigen Atomstromer auf erneuerbare Energien um. Dank eines Ausbaus bei Windkraft und Photovoltaik machen Erneuerbare inzwischen einen Anteil von 47 Prozent an der installierten Gesamterzeugungsleistung aus. Bis zum Jahr 2030 soll der Anteil grünen Stroms auf bis zu 80 Prozent steigen.
Verdoppelung des Offshore-Portfolios Foto: EnBW/Krause
Mit insgesamt 960 Megawatt soll „He Dreiht“ eine vergleichbare Leistung liefern wie ein konventionelles Kraftwerk. „Das ist eine ganz andere Größenordnung, als wir das aus der Vergangenheit kennen“, sagt EnBW-Vorstand Heydecker. Die EnBW verdoppelt damit ihr Offshore-Portfolio nahezu. Der neue Mega-Windpark soll zumindest rechnerisch Strom für 1,1 Millionen Haushalte liefern. Zum Vergleich: Zwei weitere EnBW-Windparks in der Nordsee („Albatros“ und „Hohe See“) erzeugen zusammengenommen gerade mal Strom für 700 000 Haushalte.
„He Dreiht“ wird ohne staatliche Förderung gebaut
„Wenn sich das Rotorblatt einer Turbine einmal dreht, kann man vier Haushalte einen Tag lang mit Strom versorgen“, berichtet Heydecker. „Und wir haben 64 dieser Anlagen.“ Der Manager kommt noch aus einem anderen Grund ins Schwärmen: „He Dreiht“ komme als einer der ersten Offshore-Windparks ohne staatliche Förderung aus. Möglich machen das vorab geschlossene langjährige Stromlieferverträge mit Firmen wie Bosch, Fraport, Evonik, Salzgitter oder auch der Deutschen Bahn, die einen Großteil der Strommenge abdecken. Dieser Trend – Stromverkauf über den Markt statt über staatliche Förderungen – werde zu einem „wichtigen Element in der Energiewende“.
Die Bundesregierung hat sich viel vorgenommen: Bis 2030 sollen insgesamt Offshore-Windparks mit der Leistung von 30 Gigawatt in Ost- und Nordsee in Betrieb sein. Zurzeit stehen laut EnBW in 29 Windparks 1566 Windräder mit einer Gesamtleistung von 8,5 Gigawatt vor den Küsten von Nord- und Ostsee. Bis 2045 soll laut Regierung die installierte Leistung der Offshore-Windenergie weiter auf 70 Gigawatt steigen.
Stamatelopoulos: „Das sind extrem ambitionierte Ziele“
Das entspricht der Installation von weiteren 62 Gigawatt innerhalb der kommenden 22 Jahre und würde nach Branchenangaben bis zu 7000 neue Offshore-Windanlagen benötigen. Gemessen an der durchschnittlichen Leistung der gegenwärtigen Windräder müssten dann mehr als 13 000 Anlagen vor den deutschen Küsten stehen, also gut achtmal so viele wie jetzt.
„Das sind extrem ambitionierte Ziele“, macht der EnBW-Vorstandsvorsitzende Georg Stamatelopoulos mit Blick auf die Ausbaupläne des Bundes deutlich. Das Ziel sei nicht aus der Welt. Um es zu erreichen, müsste alle drei Monate ein Windpark dieser Dimension errichtet werden. Der Ausbau der Erneuerbaren brauche noch einiges an Beschleunigung und Unterstützung. Mit einer Auslastung von rund 4000 Stunden pro Jahr könnten Offshore-Windparks zu den „Arbeitspferden“ der Energiewende werden. Mit Lieferengpässen rechnet die EnBW beim Bau nicht.
EnBW rechnet nicht mit Lieferengpässen
Für „He Dreiht“ werden Windkraftanlagen der neuesten Generation des Herstellers Vestas genutzt. Der deutsch-niederländische Netzbetreiber Tennet wird die Anbindung ans Stromnetz mit einer Offshore-Konverterstation und zwei Hochspannung-Gleichstom-Exportkabeln sicherstellen. Die Kabel werden auf einer Länge von 120 Kilometern unter Wasser und 110 Kilometern an Land verlegt. 49,9 Prozent der Anteile an „He Dreiht“ besitzt ein Konsortium aus Allianz Capital Partners, AIP und Norges Bank Investment Management.