Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim (VGH) verhandelt darüber, ob die Stadt Stuttgart einer Familie die Mehrkosten für eine teurere Privatkrippe erstatten muss. Das Urteil könnte eine grundsätzliche Bedeutung haben.

Stuttgart - Krippenplätze sind in Stuttgart Mangelware. Mehr als 3000 Kinder stehen auf der Warteliste für einen Betreuungsplatz, davon haben 2595 einen Rechtsanspruch darauf. Doch nicht alle Eltern lassen sich vom Jugendamt vertrösten. Zwei Familien mit Kleinkindern haben bereits erfolgreich beim Verwaltungsgericht Stuttgart gegen die Stadt Stuttgart geklagt – auf Kostenerstattung.

 

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Die Stadt wurde verurteilt, die Mehrkosten für die teurere Privatkrippe zu bezahlen. Im einen Fall sind es 5620 Euro, im anderen Fall 12 402 Euro. In beiden Fällen legte die Stadt beim Verwaltungsgerichtshof (VGH) Mannheim gegen das Urteil Berufung ein. Am Donnerstag verhandelt – erstmals im Südwesten – der VGH darüber. Das Urteil könnte Signalwirkung haben – für die Kommunen, aber auch für Eltern und private Kitaträger.

Die beiden oben genannten Familien sind nicht die einzigen, die sich dagegen wehren, dass die Stadt ihnen für ihre Kleinkinder keinen Krippenplatz vermitteln konnte. Laut Jugendamt haben mittlerweile insgesamt 412 Familien ihren Rechtsanspruch geltend gemacht, 38 Klagen laufen noch. 17 Eltern klagen auf einen Betreuungsplatz. 85 Eltern haben beantragt, dass die Stadt ihnen den Differenzbetrag zwischen der städtischen Gebühr und der höheren Gebühr für die Privatkrippe erstattet. 15 Familien haben dieser Forderung in Form von Klagen beim Verwaltungsgericht Nachdruck verliehen, die jedoch derzeit ruhen. Sechs Eltern haben wegen des Verdienstausfalls Anträge auf Schadenersatz gestellt, zwei Klagen sind vor Gericht anhängig, eine davon ruht.

Bisher ist es noch keiner Familie gelungen, tatsächlich Kitaplatz oder Geld zu erstreiten

Bisher ist es allerdings noch keiner einzigen Familie gelungen, durch ihre rechtlichen Schritte einen Kitaplatz zu erstreiten oder Geld von der Stadt zu bekommen – sei es für die Mehrkosten in der Privatkrippe, sei es für Verdienstausfall, weil die Eltern mangels Krippenplatz ihr Kind selber betreuen mussten.

Wie schwierig es ist, einen Kitaplatz in der Landeshauptstadt zu ergattern, haben zwei Familien bereits vor dem Stuttgarter Verwaltungsgericht deutlich gemacht – im November 2014 für einen zweidreiviertel Jahre alten Jungen und im März dieses Jahres für die damals dreijährige Ella –, und sie bekamen beide recht. In der ersten Verhandlung vor zwei Jahren hatte die Kammervorsitzende Sylvia Thoren-Proske Zweifel daran geäußert, dass die Stadt ihrer Gesamtverantwortung für die Einlösung jedes individuellen Rechtsanspruchs gerecht werde. „Der Jugendhilfeträger muss anbieten“, sagte sie. Allerdings gibt es bis heute keine zentrale Zuweisung von Kitaplätzen durch die Stadt. Das Argument der Stadt im Fall der kleinen Ella, dass nach der Aufnahme in die Privatkita kostengünstigere Plätze bei anderen Trägern zur Verfügung gestanden hätten, ließ das Gericht nicht gelten, da die Eltern weder über diese Alternativen informiert worden seien noch ein Wechsel für die gerade in die Privatkita eingewöhnte kleine Ella zumutbar gewesen wäre.

Bürgermeisterin Fezer will Rechtsklarheit – und sorgt sich um mögliche Konsequenzen

Die Stadt Stuttgart indes will Rechtsklarheit. Falls die Stuttgarter Urteile in höherer Instanz bestätigt werden sollten, befürchtet die Bürgermeisterin Isabel Fezer (FDP) massive Konsequenzen für die Stuttgarter Kitalandschaft – und eine sozialpolitische Schieflage. Es sei zu befürchten, dass noch mehr Eltern auf teure Privatkitas ausweichen, und auch, dass Eltern, die es sich eigentlich leisten könnten, den Differenzbetrag forderten. Und, so Fezer: „Die Stadt müsste dann Einrichtungen bezuschussen, die wir gar nicht bezuschussen wollen.“ Bisher fördere sie nur Kitaträger, die maximal 150 Prozent der städtischen Elternbeiträge verlangten.